(Oaxaca, 31. Juli 2021, npla).- Die Covid-19-Pandemie traf Mexiko besonders hart. Ursache ist eine Epidemie, mit der das Land seit Jahren zu kämpfen hat: Diabetes. Die auch als Zuckerkrankheit bezeichnete Stoffwechselstörung kann sowohl genetisch bedingt, als auch erworben sein. Gerade Patient*innen, die unter letzterem Diabetes-Typ leiden, wissen oft nichts von ihrer Erkrankung. Viele haben keine Beschwerden und über Jahre langsam zunehmende Müdigkeit und Schlaffheit werden nicht als Diabetes-Symptome erkannt. Da Diabetes aber häufig mit Übergewicht und Bluthochdruck einhergeht, kann sie zu Langzeitfolgen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen. Und: Diabetes erhöht auch das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung.
Schlechte Ernährung: ein Auslöser für Diabetes
Alejandro Cavillo ist Vorsitzender der Organisation „El Poder del Consumidor – Die Macht des Verbrauchers“, welche seit Jahren von Regierung und Industrie Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit der Mexikaner*innen fordert. Denn Hauptauslöser der erworbenen Diabetes ist neben Mangel an körperlicher Betätigung eine ungesunde Ernährung. Stark zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke, aber auch hoch verarbeitete Produkte wie Brot, Nudeln oder Kuchen erhöhen das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Weil Diabetes wegen der immer schlechteren Ernährung der Mexikaner*innen auf dem Vormarsch ist, fordert Calvillo, dass die Verbraucher*innen besser darüber informiert werden, was sie essen.
Ein erster, wichtiger Schritt sei bereits getan, erklärt Calvillo. Damit bezieht er sich auf die Einführung von Lebensmittelkennzeichnungen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas. Diese klären die Verbraucher*innen darüber auf, welche Zutaten in den Produkten stecken.
Vorreiter Chile
Die Warnhinweise wurden zuerst in Chile eingeführt, wo seit 2016 eine Reihe von Regelungen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln gelten. Vater des zugrundeliegenden Gesetzes ist Senator Guido Guirardi. Für Guirardi war wichtig, dass die Kennzeichnungen für alle verständlich sind. Und die in Chile eingeführten Warnhinweise verstehe sogar ein Kind, hebt der Senator hervor.
Darüber hinaus ist es verboten, für ungesunde Produkte zu werben. Sie dürfen auch nicht durch auffällige Verpackungen oder Spielzeug die Aufmerksamkeit von Kindern auf sich ziehen, hebt Guirardi als zwei weitere wichtige Maßnahmen hervor. So soll die Industrie dazu gebracht werden, den Zucker-, Salz- und Fettgehalt ihrer Produkte zu senken.
Paula Goitía ist Lebensmittelingenieurin. 2016 arbeitete sie für ein Unternehmen, das Produkte für den chilenischen Markt entwickelt. Als die Kennzeichnungspflicht eingeführt wurde, habe man sich bemüht, die Rezepturen so zu ändern, dass Zucker-, Salz- und Fettgehalt sinken. Um die Warnhinweise auf den Verpackungen zu vermeiden, fügt Goitía hinzu.
Die Maßnahmen zeigen Wirkung
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Chilen*innen Produkte mit weniger der auffälligen Warnhinweise bevorzugen. Fünf Jahre nach Einführung der Kennzeichnungspflicht hat das Institut für Ernährung und Nahrungsmitteltechnologie Chiles eine Studie zu ihrer Auswirkung auf das Kaufverhalten durchgeführt. Diese ergab einen starken Rückgang beim Kauf von Getränken und Lebensmitteln mit hohem Zucker- oder Salzgehalt.
Auch Paula Goitía und viele ihrer Freund*innen und Bekannten kaufen jetzt anders ein. Sie wählen Produkte mit weniger Warnhinweisen und schauen auch mal auf die Zutaten.
Industrie versucht, Verbraucher*innen zu täuschen
Acht Monate nach Einführung der Kennzeichnungspflicht in Mexiko führte auch „El Poder del Consumidor“ eine Untersuchung der Auswirkungen durch. Diese zeigte eine Reihe positiver Effekte. Allerdings gibt es noch immer viele Hersteller, die sich nicht an die neuen Normen halten, erklärt Alejandra Contreras, die Koordinatorin der Ernährungsgesundheitskampagne der Organisation.
Contreras benennt die „Doppelte Vorderseite“ als einen der beliebtesten Tricks, mit denen die Industrie versucht, die Verbraucher*innen zu täuschen. Immer mehr Lebensmittelverpackungen sehen auf Vorder- und Rückseite gleich aus. Einziger Unterschied: Nur auf einer Seite sind die unbeliebten Warnhinweise abgebildet. So lassen sie sich beim Einräumen ins Regal leichter verstecken.
Reina Bernabé ist eine gesundheitsbewusste Krankenschwester aus Oaxaca und begeistert von der neuen Kennzeichnungspflicht. Trotzdem ist auch sie auf die Täuschungsmanöver der Lebensmittelproduzenten hereingefallen. Als sie auf der Suche nach einem zuckerarmen Joghurt war, fiel ihr eine Verpackung ohne Warnhinweis auf. Sie kaufte den Joghurt, musste zu Hause allerdings feststellen, dass er trotzdem recht süß war. Und als sie die Verpackung umdrehte, sah sie dann den Warnhinweis.
Jetzt ist die Behörde für Verbraucherschutz am Zug. Sie muss etwas gegen solche Tricksereien unternehmen. Ob das allerdings ohne den Druck von Organisationen wie „El Poder del Consumidor“ geschieht, ist fraglich.
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