von Erika Harzer
(Berlin, 05. November 2009, npl).- Tegucigalpa. Bis zum 5. November sollte in Honduras sowohl die international besetzte Überwachungskommission, als auch die Regierung der nationalen Versöhnung gebildet worden sein. Ohne angegebenes Zeitlimit wurde darüber hinaus erwartet, dass die Exekutive wieder in den Status von vor dem 28. Juni – dem Tag der Verschleppung des gewählten Präsidenten Mel Zelaya – versetzt werden sollte. So zumindest steht es in dem als historisches Dokument benannten Abkommen, das am 30. Oktober von den Delegationen des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya und der de-facto-Regierung von Roberto Micheletti unterzeichnet wurde.
Einzig die Überwachungskommission traf sich bereits am 4. November, um ihre Arbeit aufzunehmen. Der entscheidende Schritt, mit welchem dem über vier Monate andauernden Putsch in Honduras ein Ende gesetzt werden sollte, ist derweil nicht vollzogen. Die Tage nach der Unterzeichnung unterschieden sich nicht wirklich von den bereits vergangenen vier Monaten davor, in denen sich die Putschisten trotz internationaler Isolierung an der Macht halten konnten. Debatten um Nichtigkeiten, Fernsehabstimmungen über Spekulationen, Berufung auf Formalitäten und Pochen auf unflexible Zeitpläne bestimmten das Bild.
Das erste Zusammentreffen des Kongresspräsidiums fand erst am 3. November statt, doch nicht etwa um einen Zeitplan für die Einberufung des Kongresses aufzustellen und die Abgeordneten zur Sitzung zu laden. Nein, zunächst nur, um das Abkommen an den Obersten Gerichtshof, den Ombudsmann für Menschenrechte und die Staatsanwaltschaft weiter zu leiten und diese Instanzen um deren Einschätzung zur Rechtmäßigkeit zu bitten. Jeder einzelne Schritt kostet Nerven, ohne den gewünschten Durchbruch zu erreichen, kostet Zeit die vergeht, ohne den Parlamentsabgeordneten die simple Frage zu stellen, ob sie für oder gegen die Wiedereinsetzung Zelayas sind. Die Putschisten spielen mit der Schwachstelle des Abkommens. Es nennt zwar den 5. November als Stichtag für die Überwachungskommission und die Übergangsregierung, hat aber kein Limit für die Parlamentsabstimmung über Zelayas Wiedereinsetzung festgelegt. Diese Abstimmung wird nicht einmal als Voraussetzung zur Erfüllung aller weiterer Schritte gefordert. Es wurde lediglich beschlossen, dass das Parlament das Entscheidungsgremium für oder gegen Zelayas Wiedereinsetzung sein soll.
So wiederholt sich auch an diesem 5. November das Schauspiel der vergangen Tage auf dem Platz vor dem Kongressgebäude. Während drinnen der Saal leer bleibt, versammeln sich auf dem Platz Hunderte von Menschen – überwiegend die Ärmsten dieses Landes – die die sofortige Wiedereinsetzung Zelayas fordern, die dafür Briefe an die Abgeordneten unterschreiben, diese darin auffordern, sich mit ihrer Stimme für die Wiederherstellung der in diesem Land verloren gegangenen Demokratie zu entscheiden.
Irgendwann verliest ein Sprecher der Nationalen Widerstandsbewegung ein an diesem Tag verabschiedetes Kommuniqué, wonach die Bewegung zu einem Boykott der Wahlen aufruft, sollte Zelaya nicht bis 24 Uhr an diesem 5. November wiedereingesetzt worden sein. Kaum jemand sieht darin ein reales Druckmittel, vor Allem zu diesem Zeitpunkt, an dem weder die Kandidat*innen der Liberalen Partei im Widerstand, noch die der UD, der Unificación Democrática oder auch der unabhängige Kandidat Carlos H. Reyes sich für einen Rückzug ihrer Kandidaturen entschieden hätten. Zu heikel sehen sie noch immer diesen möglichen Boykott und damit verbunden eine mögliche parlamentarische Abstinenz für die nächsten vier Jahre, sollte die Internationale Gemeinschaft die Wahlen anerkennen.
Am frühen Abend verkündet der Präsidentschaftsminister der de-facto-Regierung Rafael Pineda Ponce den Rücktritt des Kabinetts Micheletti. Damit sei der Weg frei zur Schaffung der Versöhnungsregierung, die unter Leitung von Micheletti geschaffen werden solle – einzig die Vorschlagsliste der Zelayagruppe würde dafür noch fehlen. Kurz vor Mitternacht erklärt dann Roberto Micheletti, dass seine Regierung im Interesse der honduranischen Bevölkerung die Vorgaben des Abkommens erfüllt habe. Zelaya sitzt zu diesem Zeitpunkt noch immer hinter den Militärsperren der de-facto-Regierung in der brasilianischen Botschaft fest.
Eine groteske Komödie, dieser honduranische Weg, gesteuert von der Putschregierung. Die Grundvoraussetzung zur Konfliktlösung, sprich die Wiedereinsetzung des rechtmäßig gewählten Präsidenten, spielt in Michelettis Selbsterhaltungsplan keine Rolle. Dies soll anderweitig geklärt werden, über Instanzen, die allesamt den Putsch als solchen mitgetragen haben und damit die Grundfesten einer demokratischen Staatsform auszuhebeln bereit waren. Zum Beispiel Dr. Ramon Custodio, der Ombudsmann für Menschenrechte. Seine beschwichtigenden Informationen bezüglich der Menschenrechtslage in Honduras nach dem 28. Juni üben für die Unterstützer*innen des Putsches im Land ebenso wie für die internationale Rechte eine wichtige Rolle aus. Er soll zur Rechtmäßigkeit einer möglichen Wiedereinsetzung Zelayas ebenso gehört werden wie der Oberste Gerichtshof, der ja bereits den Putsch als solchen in eine verfassungsmäßig legitimierte Handlung einzupacken suchte.
Auf Nachfrage will sich Custodio über die Fälle von Menschenrechtsverletzungen, die seitens seiner Institution bearbeitet und verfolgt werden, nicht konkret äußern. Dabei war er noch Anfang August auf Einladung der Friedrich Naumann Stiftung Für die Freiheit – kurz FNF – nach Berlin gekommen. In der dortigen Expertenrunde war er durchaus bereit, ausführlich darüber zu referieren, dass in Honduras keine systematischen Menschenrechtsverletzungen stattfinden würden. Kurz nach diesem Besuch bezweifelte denn auch der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, dass es seit dem 28. Juni Tote, Verletzte und Vergewaltigungen in diesem mittelamerikanischen Land gegeben habe.
Noch heute gilt Custodio für die Stiftung als erster Ansprechpartner zum Thema Menschenrechte qua seiner Funktion, so Christian Lüth, Büroleiter der FNF in Tegucigalpa. Allerdings seien dessen Informationen heute im Unterschied zu den ersten Wochen des Putsches kritisch zu betrachten, da Custodio als umstrittene Person gelte und mit dem Vorwurf behaftet sei, sich auf Michelettis Seite geschlagen zu haben. Das honduranische Abkommen vom 30.Oktober wurde vor Allem auch mit dem Ziel verabschiedet, die angestrebten Wahlen am 29. November zu legitimieren und diesen eine internationale Anerkennung zu verschaffen. Bisher verknüpften die OAS- und EU-Staaten die Anerkennung dieser Wahlen mit der Wiederherstellung der Verfassungsmäßigkeit, dessen Grundvoraussetzung die Wiedereinsetzung Mel Zelayas als gewählter Präsident ist. Dies ist bisher nicht geschehen, es gibt auch keine Tagesordnung, die davon spricht. Drei Wochen fehlen noch bis zu diesen Wahlen und der angelaufene Wahlkampf ist ein einseitiger, getragen von den beiden großen Parteien – und ohne bisherige Beteiligung der oppositionellen Gruppen gegen diesen Putsch, ohne den gewählten Präsidenten und dessen innerparteiliche Anhänger*innen.
Das Abkommen vom 30. Oktober sucht die internationale Gemeinschaft aus der Verantwortung zu nehmen, sucht den honduranischen Konflikt herunter zu spielen, der als solcher auch intern gelöst werden solle. Dies kann angesichts der vorhandenen Kräfteverhältnisse nur zu einer Bankrotterklärung demokratischer Grundfesten führen. Die Tage nach dem 30. Okober bis hin zur Mitternachtserklärung des Roberto Micheletti lassen keine Zweifel daran.
Verschleppte Politik a la Hondureña von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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