Polizei soll bei Strassenblockaden scharf schiessen dürfen

(Buenos Aires, 04. September 2009, púlsar).- Der peruanische Präsident Alan García und der Premierminister Javier Velásquez haben einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der den Einsatz tödlicher Gewalt gegen Demonstrant*innen ermöglichen soll.

In Artikel 10 des Gesetzesvorhabens steht, dass die peruanische Nationalpolizei Strassenproteste, Blockaden von öffentlichen Wegen, sowie Besetzungen von öffentlichen und privaten Einrichtungen zum Anlass nehmen kann, ihre Schusswaffen einzusetzen.

Nach Informationen des Nationalen Dachverbandes der Radios CNR (Coordinadora Nacional de Radios) solle die Anwendung von Gewalt „eine Ausnahme“ sein und lediglich ausgeübt werden, wenn „das Leben von Polizisten oder Unbeteiligten in unmittelbarer Gefahr ist oder schwere Verletzungen drohen“.

Geplant sind zwei Ebenen der Gewaltanwendung, die vom „Grad des Widerstands der Beteiligten oder von der Situation, die den polizeilichen Einsatz verursacht“ abhängig seien. Zunächst werde im Rahmen der ‚präventiven Ebene‘ auf polizeiliche Präsenz als Machtdemonstration gesetzt. Visueller und verbaler Kontakt sollten als Abschreckungsmechanismen dienen, um keine tödliche Gewalt anwenden zu müssen.

Die ‚reagierende Ebene‘ hingegen sieht vor, so der Entwurf, dass die Polizisten zunächst mit nicht-tödlichen Mitteln die Kontrolle über die Beteiligten erlangen sollten. Die Anwendung „tödlicher Gewalt“ solle die letzte Option sein. Diese beinhalte „den Schuss mit der Waffe mit dem Ziel, denjenigen, der eine Aggression ausübt, die das Leben, die Unversehrtheit oder die Freiheit der Polizisten oder Anderer bedroht, zu neutralisieren.“

Der Vorschlag wurde dem Kongress zugesandt und der Öffentlichkeit am ersten September durch Innenminister Octavio Salazar präsentiert. Salazar betonte, der Entwurf sei mit den polizeiinternen Richtlinien für Menschenrechte abgestimmt: “Man kann nicht behaupten, dass wir etwas vorschlagen, dass außer Reichweite der Menschenrechte liegt”.

Das jedoch sieht der Vorsitzende der peruanischen Menschenrechtsvereinigung APRODEH (Asociación Pro Derechos Humanos), Miguel Jugo Viera, ganz anders. Die Regierung García beansichtige, der Polizei das Recht zu geben, ihre Schusswaffen bei Protestaktionen der Bevölkerung einzusetzen. Das Ziel dieser Regelung sei es, „grünes Licht zum Abknallen zu geben“. Erst 2007 sei ein Gesetzespaket erlassen worden, wonach sich Polizisten vor Gericht auf Unzurechnungsfähigkeit berufen könnten, wenn ihr Schusswaffengebrauch Tote gefordert hatte, erklärte Jugo Viera gegenüber der CNR. Nun läge der Fall lediglich im Zuständigkeitsbereich für militärisches Personal, wenn ein Richter einen Prozess gegen einen Polizisten wegen „Schießwütigkeit“ eröffnen wolle („gatillo fácil“ ist ein argentinischer Begriff für die missbräuchliche Anwendung von Schusswaffen seitens der Polizei, d.R.).

Jugo Viera fügte hinzu, dass 2009 bereits 52 Menschen während Protestaktionen getötet worden seien. Wenn die Regierung so weiter mache, „wird es wahrscheinlich bald mehr solche Fälle geben“.

Nur einen Tag später scheint ein Vorfall in der Region Ancash diese Aussage zu bestätigen. Am Mittwoch den 2. September wurden sieben Teilnehmer einer Protestaktion durch die Polizei schwer verletzt. 400 Anwohner*innen der Gemeinde Ango Raju warfen der Bergbaufirma Antamina vor, Zusagen nicht eingehalten und das Wasser von zwei Flüssen vergiftet zu haben.

Als die Polizei begann, gegen die Demonstrant*innen vorzugehen, verwendete sie nach Angaben des CNR-Korrespondenten Ladislao Cruz zunächst Tränengas, setzte dann jedoch Schusswaffen und Schrotkugeln ein.

Der Präsident der Regionalregierung, César Álvarez, verurteilte das Vorgehen der Polizei scharf und bezeichnete die Vorfälle als “traurig und verabscheuenswert”. Er forderte vom Innenminister Salazar und vom Ministerpräsidenten Javier Velásquez Aufklärung über den Anlass des polizeilichen Vorgehens und deren Bewaffnung. Mindestens zwei der Verletzten hatten Schussverletzungen erhalten – in Knie und Rücken.

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