PARAGUAY: Historischer Machtwechsel

(Quito, 22. April 2008, alai).- Bei den paraguayischen Präsidentschaftswahlen am 20.April hat Fernando Lugo, der „Bischof der Armen“, einen historischen Sieg errungen. Ihm gelang es, mit 40 Prozent der auf ihn entfallenden Wählerstimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 65 Prozent), der mehr als 60 Jahre währende Hegemonie der Colorado-Partei ein Ende zu setzen. In die Regierungszeit der Colorado-Partei fiel auch die Diktatur des Generals Alfredo Stroessner, der das Land von 1954-1989 regierte.

Der ehemalige katholische Bischof Lugo setzte sich mit seinem Wahlsieg auch gegen die Versuche durch, ihn durch die absurden Anschuldigungen zu diskreditieren, er gehöre zur von den USA so bezeichneten“Achse des Bösen“ in Lateinamerika. Darunter zählt die Regierung Bush Guerrillagruppen in Lateinamerika und einige Präsidenten in der Region (v.a. Hugo Chávez).

Lugos Triumph vollzieht sich in einem Land, in dem die Präsenz der USA immer schon bedeutsam war: Seit der Stroessner-Diktatur, als Paraguay einen Sitz der CIA beherbergte, bis in die letzten Jahre. So beschloss der Kongress Paraguays im Jahr 2005 die Immunität für US-Truppen im Land. Paraguay besitzt eine militärische Infrastruktur, die von den USA für jedwede Aktion in der Region genutzt werden kann.

So bringt der Triumph Lugos nicht nur Auswirkungen für das Innere des Landes mit sich, sondern stärkt auch die Ansätze zur regionalen Integration, die sich in einem wichtigen Moment befinden.

In seinen ersten Worten nach der Wahl wies Lugo darauf hin, dass es sehr schwierig sein würde, die Strukturen eines absolut regierenden Herrschaftsapparates aufzubrechen. Korruption sei im ganzen Land chronisch und durchziehe alle Teile der Gesellschaft.

Obwohl die Diktatur Stroessners durch einen Militärputsch 1989 beendet wurde, kam es danach zu keinem wirklichen Wandel. Dass das so war, dafür hatte auch Washington gesorgt. Aber die Erleichterung über das Verschwinden des Diktators hat 1989 einem Volk, dass in einem der furchtbarsten Systeme der Region isoliert und unterdrückt war, die Türen geöffnet.

Paraguay war das Opfer von Vergessen und Gleichgültigkeit. Daher gab es kaum Analysen darüber, wie sich die Colorado-Partei in ihren internen Streitigkeiten nach 1989, die zahlreiche Leben gekostet haben, aufbrauchte. Auch nahm man keine wirkliche Notiz vom Ausmaß der Forderungen nach Gerechtigkeit, die Familienangehörige von Opfern und Überlebende der langen Jahres des Horrors stellten. Nur manchmal richtete sich der Blick auf dieses kleine Land, z.B. dann, wenn es um die Verstrickungen Paraguays in die südamerikaweit koordinierte Operation Cóndor ging. Doch der humanitäre Kampf für Gerechtigkeit hat Grenzen überschritten und half den verschiedenen Sektoren im Kampf um ihre Forderungen und auf ihrem Weg, so dass die Angst überwunden wurde.

Neue Protagonist*innen eroberten die Szenerie. So waren die Bewegungen der Kleinbauern und Indígenas, der Frauen, der Obdachlosen und anderer entscheidend für Lugos Triumph.

Und Lugo ist sich der Bedeutung dieser Protagonist*innen bewusst. Er verkündete, dass die, die seinen Wahlsieg ermöglicht hätten, diejenigen seien, „die jahrelang in diesem Land gekämpft haben“. Dieser Kampf hat Opfer gefordert, u.a. 200 tote Kleinbauern und viele, die wegen ihrer sozialen Forderungen verfolgt werden.

Lugo muss das Aufbrechen der alten Strukturen angehen. Er muss Gesetze einer Revision unterziehen, die in den letzten Jahren verabschiedet worden sind und die u.a. die Schaffung von paramilitärischen Kräften ermöglichten, die im Land schon Angriffe ausführen. Lugo muss gegen die Armut kämpfen, die mehr als 60 Prozent der Menschen gefangen hält. So wird er sich mit den neuen und alten Gruppen der politischen, ökonomischen und militärischen Macht und mit den Feudalherren, die aus der alten und neuen Korruption entstanden sind, anlegen müssen. Er wird gegen alte und neue Mafiagruppen kämpfen müssen.

Auch in der Außenpolitik, wo Lugo schon Gespräche mit den Regierungen von Brasilien und Argentinien begonnen hat, muss Lugo tätig werden. Zum Beispiel um die ungerechten und korrupten Abkommen über die Staudämme von Itaupú oder Yaceritá rückgängig zu machen. Lugo hat zudem schon gesagt, dass sein Land gleichberechtigt an der regionalen Integration teilnehmen werde. Paraguay sei dafür bereit.

Der erste Teile eines Traumes ist in Erfüllung gegangen. Aber die Kräfte, die sich vereinigt haben, um Lugo zum Sieg zu verhelfen, werden sich ihre Einigkeit bewahren und Geduld und Willenskraft zum schwierigen Ausgleich beweisen müssen. Das in einem Land, das mehr als 60 Jahre auf diesen Tag gewartet hat.

Lateinamerika feiert einen weiteren historischen Tag und für Paraguay ist jetzt die Solidarität der Region und der Welt gegenüber einem Volk, dass aus dem Vergessen hervor getreten ist, überlebenswichtig.

von Stella Calloni

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