von Gabriel Canihuante
(Lima, 12. Februar 2009, noticias aliadas).- Verschiedene Organisationen protestieren seit einiger Zeit gegen ein im Norden Chiles angesiedeltes Großprojekt des brasilianischen Bergbaumultis Companhia Vale do Rio Doce. Der in Lateinamerika bzw. Chile durch seine Tochtergesellschaft CMLA (Compañía Minera Latinoamericana) vertretene Konzern will jährlich 18.500 Tonnen raffiniertes Kupfer fördern und so seine Investitionen von insgesamt 102 Millionen US-Dollar in das Projekt wieder herein holen.
Das Minenprojekt gefährde Land- und Viehwirtschaft und sei schädlich für die Umwelt, so seine Gegner*innen, die fortschreitenden Arbeiten am Projekt, der Kauf von Hunderten von Hektar Ackerland und ein angespanntes Verhältnis zur Bevölkerung schüre unter den Bewohner*innen der betroffenen Regionen Zukunftsängste.
Was bereits 2005 mit ersten Bohrungen in der Provinz Choapa 270 km nördlich von Santiago de Chile begann, hat sich inzwischen im Norden und im Zentrum des Landes zu einem gigantischen Projekt ausgeweitet. Das auf elf Jahre (2009-2020) angelegte Vorhaben „Tres Valles“ umfasst eine unterirdische und eine Kupfer-Tagebaumine an den Steilwänden von Cárcamo und Manquehua sowie den Bau weiterverarbeitender Betriebe und Werke zum Auslaugen des Edelmetalls in der Schlucht von Quilmenco.
Die Nachrichtenagentur Noticias Aliadas hat aus diesem Anlaß die Täler von Chuchiñí und Chalinga sowie die Schluchten von Quilmenco und Cárcamo besucht, um mit Vertreter*innen der Organisationen von Salamanca und Illapel zu sprechen, die sich am Protest gegen das Projekt des in allen fünf Kontinenten der Erde operierenden Konzerns beteiligen.
„Wir fühlen uns von den nationalen Behörden total im Stich gelassen. Die internationalen Konzerne kreuzen hier auf, haben ein gigantisches Vermögen und einen Trupp Fachkräfte dabei, die rechtlich und technisch bestens Bescheid wissen, und treffen dann vor Ort auf eine Handvoll Leute, die eben nicht genau durchschauen, was hier eigentlich gespielt wird“, so beschreibt José Luis Rojo, Bauer aus Chuchiñí, die Situation.
„Sie breiten sich in sehr sensiblen Bereichen aus, in Regionen, die von Kleinbauern und landwirtschaftlichen Gemeinden genutzt werden. Diese Menschen leben von der Landwirtschaft, sie fürchten die Umweltverschmutzung und die Abtragung von etwa 400 Hektar Fläche“, ergänzt Rojo, Mitglied des Komitees zur Verteidigung des Dorfs Chuchiñí (Comité de Defensa del Valle del Chuchiñí), in dem etwa 900 Menschen leben.
Auch die Ziegenhaltung sei unmittelbar in Gefahr, so Gonzalo Vargas, Vizepräsident des Komitees. Bisher hätten die Ziegen im Gebiet von Quilmenco, das an Chuchiñí grenzt, geweidet. Inzwischen jedoch gehöre das Gebiet dem Bergbaukonzern. „Mittelfristig, das heißt, in fünf bis zehn Jahren, wird die Verschmutzung des Wassers und der Luft zu spüren sein. Das gilt besonders für uns, die Bauern, die nur zwei oder drei Kilometer von der Mine entfernt wohnen“, warnt er.
Wie Milca Ulloa, Geographin und Präsidentin des Komitees zum Schutz des Chuchiñí-Tals, erklärt, hat sich die Nationale Umweltkommission CONAMA (Comisión Nacional del Medio Ambiente) nicht die Mühe gemacht, die Gemeinden bei der Bewertung der Umweltauswirkungen zu befragen. „Sie wollten nur, dass wir uns an die COREMA [Comisión Regional del Medio Ambiente/Regionale Umweltkommission, d. Red.] wenden, um ihre Bürgernähe unter Beweis zu stellen, aber sie dachten niemals daran, die 19 technischen Gutachten hinzuzuziehen, die wir ihnen vorgelegt haben.“
Die COREMA ist ein Zusammenschluss verschiedener Behörden der Region Coquimbo. Mitte Januar wurde dort ein Antrag auf vorläufige Genehmigung des Kupfer-Bergbauprojektesmit 14 Ja-Stimmen und drei Gegenstimmen positiv beschieden. Damit wurde der Companhia Vale do Rio Doce das Recht zuerkannt, ihre so genannten Vorarbeiten fortzusetzen. Mit Hilfe dieses Rechtsmittels können Unternehmen bestimmte Arbeiten ausführen, ohne dass bereits die umfassende Umweltstudie EIA (Estudio de Impacto Ambiental) vorliegen muss, wie es für große Projekte eigentlich Pflicht ist.
Im Fall des Projekts Tres Valles legte Vale do Rio Doce im Oktober 2008 bei der Nationalen Umweltkommission eine zweite EIA vor, die die erste ablösen sollte. Vertreter*innen des Komitees zur Verteidigung des Cuchiñí-Tals kritisieren, dass ein Teil der weiterverarbeitenden Industrie (das Werk zum Auslaugen des Edelmetalls) zwar in einen anderen Bereich verlegt werde, jedoch ohne sonstige große Änderungen.
„Unsere große Sorge“, so Ulloa, „ist, dass die Rückstände oder die Schwefelsäure, die beim Auslaugen verwendet wird, in das Grundwasser eindringen oder unsere Wasserquellen verschmutzen könnten, wie zum Beispiel den Fluss Choapa, der für unsere Wasserversorgung unentbehrlich ist.“
Verschiedene Organisationen, wie die Komitees zum Schutz des Chuchiñí- und des Chalinga-Tals, die Umweltorganisation von Salamanca und die Bürgerinitiative Umweltschutz Illapel (Acción Medioambiental Ciudadana de Illapel) planen, im Rahmen eines Berufungsverfahrens gerichtlich gegen das Bergbauprojekt vorzugehen.
„Wir denken auch über andere Aktionsformen nach. Wir kämpfen an allen Fronten. So fordern wir auch weiterhin den Abgleich der zweiten EIA mit unseren technischen Gutachten.“ Wie Cristina Farías, Leiterin der Initiative zum Schutz des ebenfalls betroffenen Chalinga-Tals (Agrupación del Valle de Chalinga), erklärt, könne es „durchaus sein, dass Vale do Rio Doce das Projekt zurückzieht, aber wir wissen, dass es schwierig sein wird, den Konzern zu stoppen. Wir hatten zuerst auf die Unterstützung der Behörden gehofft, doch dann haben wir erkannt, dass wir es außer dem Konzern, der sein Megaprojekt durchsetzen will, noch mit einem zweiten Gegner zu tun haben: nämlich mit den Behörden, die nur die wirtschaftliche Seite sehen.“
Das Hauptargument zur Befürwortung des Projekts, das von Behörden und einigen lokalen Gemeinden immer wieder ins Feld geführt wird, lautet, dass Arbeitsplätze geschaffen würden und Gelder in die Region flössen. Gelder, die die ländlichen Gemeinden sonst nie erhalten würden. Die Vale do Rio Doce-Direktion in Chile erklärt, ihr Projekt sei entsprechend den Maßgaben einer nachhaltigen Entwicklung konzipiert worden. So steht es auch auf ihren Internetseiten.
„Für Vale ist Tres Valles nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch ein wichtiges Projekt. Mit Tres Valles legt das Unternehmen den Grundstein, um in Chile geschäftlich tätig zu werden“, so Carlos Roa von der Vale do Rio Doce Tochtergesellschaft CMLA und Tres Valles-Projektleiter im Dezember 2008 in der Zeitschrift Coquimbo, einer Unternehmenspublikation, die von mehreren in der Region tätigen Firmen finanziert wurde. „Seit 2003 befinden wir uns ausschließlich in der Planungs- und Erkundungsphase, mit diesem Projekt würden wir zum ersten Mal geschäftlich tätig“, so Roa.
Marcelo Gamboa, Agraringenieur und Regionalleiter der CONAMA, erklärt, es sei nicht ihr Ziel, die Gemeinden gegen die Konzerne zu verteidigen. „Aufgrund des Rahmengesetzes (19.300) und der rechtlichen Vorschriften sind wir gehalten, das SEIA [Sistema de Evaluación de Impacto Ambiental/System zur Bewertung der Umweltauswirkungen, d. Red.] zu befolgen und unsere Bewertung nach bestem Wissen und Gewissen durchzuführen. Dabei beziehen wir die Bevölkerung mit ein, damit sie informiert ist und die wichtigsten Kriterien kennt, nach denen treffend analysiert und fundiert bewertet wird.“
Gamboa zufolge hat Vale do Rio Doce stets im Rahmen der Umweltgesetzgebung operiert. Dass der Antrag auf vorläufige Bewilligung durch die COREMA bewilligt wurde, zeige, dass der Bericht des Unternehmens technisch einwandfrei sei. Die angewandten Umweltschutzmaßnahmen, das heißt im einzelnen Abschwächungs-, Ausgleichs- und Entschädigungsmaßnahmen, sind als angemessen zu betrachten“, erklärte er gegenüber Noticias Aliadas.
Dass es Gemeinden gebe, die sich gegen das Projekt stellten, aber Vale do Rio Doce dennoch vom Staat eine Genehmigung erhalten habe, sei dem Umstand geschuldet, dass „das Gesetz und die Verordnung keine Verbindung zwischen dem Urteil der Bürger und dem der COREMA herstellt”, so Gamboa. Hinsichtlich des Misstrauens, das also der Umweltbehörde von Seiten der Organisationen entgegengebracht wird, erklärte Gamboa: „Im Parlament wird derzeit ein neues Gesetz diskutiert, es soll das 19.300-Rahmengesetz-Umweltschutz ersetzen.“
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