Hurrikan Sandy: Empörung über Schieflage der medialen Berichterstattung

von Wooldy Edson Louidor*

(Fortaleza, 08. November 2012, adital/alai-poonal).- Die Berichterstattung über den Durchzug des Wirbelsturms Sandy in der vergangenen Woche in der Karibik und dem Nordosten der Vereinigten Staaten hat einen sehr bitteren Beigeschmack hinterlassen.

 

Unmut, Empörung und das Hinterfragen der Rolle der Kommunikationsmedien zählen zu den wichtigsten Reaktionen einer großen Zahl von Rezipient*innen in der ganzen Welt, besonders jedoch in Europa und Lateinamerika, angesichts der als „ungleich“ empfundenen Berichterstattung über den Durchzug des Hurrikans in den Mainstream-Medien.

Einige Nutzer*innen der sozialen Netzwerke in Lateinamerika haben dies im weltweiten Geflecht des Internet thematisiert, vor allem in ihren Blogs, Facebook-Accounts und bei Twitter.

Mediale Ungleichheit spiegelt Ungleichheit in der Welt

In seinem Artikel “Sandy in New York und in Haiti” (Sandy en Nueva York y en Haití), den Fran Sevilla auf seinem Blog veröffentlichte, spricht er auch von der “Dualität, dem Gefälle und den Ungleichheiten der Welt, in der wir wohnen sowie der medialen Dimension ihrer Tragödien“. [1]

Der auch als Korrespondent des spanischen Senders „Radio Nacional“ in Lateinamerika tätige Autor sieht seine oben angeführte Behauptung in folgender Tatsache bestätigt: „Es wurden mehr als 300.000 Fotos von Hurrikan Sandy in New York hochgeladen. Doch vom Antlitz des Todes und der Zerstörung in Haiti haben wir nur ein paar kurze Momentaufnahmen gesehen, die kaum in den Medien veröffentlicht wurden“.

Eine Ungleichheit, die ein Spiegelbild der Ungleichheit in dieser Welt ist!

Alle Opfer sind gleich wichtig

Eine venezolanische Bloggerin aus Caracas, Minerva Vitti, zeigte dieselbe Reaktion. Mit einem starken Gefühl der Empörung schrieb sie in ihrem Blog: „Mein Standpunkt: Alle Opfer sind gleich wichtig. Ja, die Lage in den USA ist ernst, doch als Sandy über Haiti, Kuba, Jamaika, die Bahamas und Puerto Rico hinweg zog: Hat das eine Rolle gespielt? Sagt mir: Was habt ihr im Fernsehen oder in der Presse gesehen?“ [2]

“Liebe Leute, vor allem dienen wir der Öffentlichkeit. Wir sind der Gesellschaft verpflichtet. Ich werde nie verstehen können, wie Medien dermaßen ungleich, monopolistisch, ungerecht und diskriminierend sein können“, endet ihr Blogeintrag, in dem sie an die professionelle Ethik ihre Kolleg*innen appelliert.

Schmerz kennt keine Nationalfarben

In einem anderen Text mit dem Titel “Die Medienberichterstattung zum Hurrikan Sandy in der Karibik wird von Nutzer*innen sozialer Netzwerke kritisiert“ [3], der auf dem Internetportal SDP-Noticias veröffentlicht wurde, zeigte die mexikanische Internet-Agentur ein Foto mit zwei Frauen, die fast bis zum Hals im Hochwasser stehen und versuchen, ihre überschwemmten Häuser im Stadtviertel La Barquita in Santo Domingo (Dominikanische Republik) zu verlassen.

Mit dem Foto wollte man die Aufmerksamkeit auf die Tragödie lenken, in der sich die Karibik weiterhin befand, während die Mainstream-Medien sich weiterhin fast ausschließlich auf die Auswirkungen des Hurrikan in New York konzentrierten.

Die Presseagentur überschrieb ihren Artikel mit dem nachfolgenden Anleser, der die Gefühle einiger Internaut*innen widerspiegelt: “Der Schmerz kennt keine Nationalfarben“, erklären sie [die Internetnutzer*innen, Anm. d. Red.] zu einem Foto, dass sich verbreitet hatte und auf dem die Zerstörungen durch den Hurrikan Sandy in der Karibik zu sehen sind, über die in den Kommunikationsmedien nicht soviel berichtet wurde, wie über die Auswirkungen in den USA“.

Wodurch kippt das Gleichgewicht?

Es macht den Eindruck, als würden die Entscheidungen großer Medien darüber, welche Fakten oder Realitäten sie abbilden oder welchen sie aufgrund bestimmter Kriterien mehr Präsenz einräumen, über die rein informative Dimension hinausgehen. Hinter dieser Entscheidung geht es um andere Dinge, wie die politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung, inklusive eines bestimmten Konzepts oder der Spiegelung einer bestimmten Weltordnung. Diesen Eindruck hinterlässt jedenfalls die Art und Weise, wie diese Medien berichten.

Weshalb kippt die Balance der medialen Berichterstattung in eine Richtung und nicht in die andere? Ist es der Unterschied zwischen armen und reichen Ländern? Der Unterschied zwischen den Zentren der Macht und den Peripherien?

Wann werden das Recht auf Information, das Teil der Deklaration der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 ist, sowie die Demokratisierung der Kommunikation endlich in der Welt umgesetzt?

* Der Autor ist Regionalkoordinator für Kommunikation zu Haiti beim Jesuitischen Flüchtlingsdienst Lateinamerika-Karibik SJR-LAC) 

Anmerkungen:

[1] http://blog.rtve.es/fransevilla/2012/10/sandy-en-nueva-york-y-en-haití.html?cid=6a014e6089cbd5970c017ee49a7fc6970d

[2] http://alestilomajarete.blogspot.com/2012/10/tio-samdy.html

[3] http://www.sdpnoticias.com/internacional/2012/10/30/cobertura-mediatica-del-huracan-sandy-en-el-caribe-es-criticada-por-usuarios-de-redes-sociales

 

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