(Brasilia, 19. August 2016, amerika21).- Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat ein Verfahren gegen die derzeit suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff, ihren Amtsvorgänger Luiz Inácio Lula da Silva sowie die ehemaligen Minister für Justiz, José Eduardo Cardozo, und Bildung, Aloizio Mercadante, eröffnet. Das Gericht wirft den Größen der Arbeiterpartei (PT) vor, die Justiz bei ihren Ermittlungen im Korruptionsskandal „Lava Jato“ um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras behindert zu haben.Zudem eröffnete der Gerichtshof das Verfahren gegen den abgesetzten Senator Delcídio do Amaral (PT) sowie die Obersten Richter Francisco Falcao und Marcelo Ribeiro Dantas. Ex-Senator Amaral, der bereits im November 2015 einmal verhaftet worden war, soll laut Anklage mehrfach die Ermittlungen des „Lava Jato“ behindert haben. Unter anderem habe er 2015 versucht, ein Geständnis des früheren Petrobras-Managers, Nestor Cerveró, zu unterbinden.
Mit dem nun eröffneten Ermittlungsverfahren wird einem Antrag des Generalstaatsanwaltes, Rodrigo Janot, vom vergangenen Mai stattgegeben. Dieser beruft sich zum Großteil auf eine Vernehmung von Amaral selbst. Dieser soll die suspendierte Präsidentin und Ex-Präsident Lula beschuldigt haben, im vergangenen Jahr „Interesse daran gehabt zu haben“, Marcelo Navarro Ribeiro zum Richter des Obersten Gerichtshof zu ernennen. Dieser soll in seiner Funktion versucht haben, die Untersuchungen der Operation Lava Jato zu behindern sowie Unternehmer*innen zu entlassen, die aufgrund von Schmiergeldzahlungen an Petrobras-Funktionär*innen in Untersuchungshaft saßen. Bis zuletzt hatten sich die Anschuldigungen gegen Navarro als nicht erwiesen gezeigt.
Laut Amaral sei der vermeintliche Versuch Navarro einzusetzen unter Beteiligung des damaligen Justizminister Cardozo geschehen. Der Minister war damals in der Verantwortung, Empfehlungen potentieller Richter*innen für das Oberste Gericht an das Präsidialamt zu übermitteln. Im laufenden Amtsenthebungsverfahren stellte der Jurist Cardozo den Verteidiger von De-jure-Präsidentin Rousseff.
Rousseff fordert Volksabstimmung
Die endgültige Entscheidung des Senats zur Amtsenthebung Rousseffs ist für den 31. August angesetzt. Eine Absetzung würde das Ende einer 13-jährigen Periode linksgerichteter Regierungen in Brasilien bedeuten. Rousseff hat unterdessen angekündigt, am 29. August selbst vor den Senat zu treten und ein Plädoyer abzuhalten.
Bereits am Dienstag wandte sich die suspendierte Präsidentin mit einem Brief an die Bevölkerung und den Senat. Darin sprach sie ihren Anklägern sowie dem Senat das Recht ab, die vom Volk gewählte Präsidentin „abzuwählen“: Nur das Volk dürfe dies über entsprechende Wahlen. Deshalb forderte sie erneut eine Volksabstimmung, in der die Bevölkerung über vorgezogene Präsidentschaftswahlen entscheiden solle. Zudem rief sie die Parlamentarier*innen auf, „keine Unschuldige zu verurteilen“ und sie nicht zu Unrecht für ein Vergehen zu verurteilen, das sie nicht begangen habe.
Rousseff wird vorgeworfen, in den Jahren 2012 bis 2014 Gelder zeitweilig zurückgehalten und den Kongress darüber nicht informiert zu haben und damit künstlich den Haushalt geschönt und den Finanzmarkt getäuscht zu haben. Ein finanzieller Nachteil ist dem Haushalt erklärtermaßen nicht entstanden. Laut Rousseffs Verteidiger stellen diese Art von Verwaltungsakten keine Seltenheit dar und würden seit 2007 regelmäßig angewandt um Haushalte auszugleichen.
Gericht erhebt Klage gegen Rousseff und Lula von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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