von Christian Russau
(Rio de Janeiro, 07. Dezember 2010, amerika21.de).- Die Staatsanwaltschaft von Rio de Janeiro hat gegen das ein Tochterunternehmen des deutschen Industriekonzerns ThyssenKrupp und mehrere Verantwortliche für das Mega-Stahlwerk CSA in der Nähe der brasilianischen Metropole Anklage erhoben. Die Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA), der Projektleiter des Stahlwerks, Friedrich-Wilhelm Schäfer, sowie der Umweltdirektor, Álvaro Francisco Barata Boechat, werden massiver Umweltverstöße bezichtigt.
Sollten die Vorwürfe gerichtlich bestätigt werden, so drohen den Projektverantwortlichen bis zu 19 Jahre Haft. Möglich sind auch Strafzahlungen, die komplette oder teilweise Schließung der Anlage sowie der zeitweise Ausschluss von Staatsaufträgen für einen Zeitraum von fünf Jahren sowie die Aberkennung von Steuererleichterungen. Dies teilte die Staatsanwaltschaft am 3. Dezember im Internet mit.
Massive Umweltverstöße
„Ein Stahlwerk der Ausmaße wie CSA, dass im Jahr 2010 fertig gestellt wurde, darf es nicht unterlassen, angemessene Sicherheits- und Kontrolltechnologie einzubauen, die dazu dienen sollte, jegliche Emission von Schadstoffen in Luft und Wasser vorzubeugen und zu kontrollieren“, erläuterte der Staatsanwalt Daniel Lima Ribeiro. Seit Betriebsstart im Juni 2010 habe das Stahlwerk weit über zulässigen Grenzwerten liegende Schadstoffe in die Umgebung abgegeben. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei auf ein Gutachten des Instituts für Geowissenschaften der Bundesuniversität Rio de Janeiro, nach dem die zulässigen Grenzwerte in der Umgebung des Stahlwerks bei einigen Schadstoffen um bis zu 600 Prozent überschritten wurden. Die vom Stahlwerk ausgestoßenen Schadstoffe stellten eine „Bedrohung der menschlichen Gesundheit dar, vor allem für die direkten Anwohner im Gebiet von Santa Cruz“, so die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft.
Mafiamilizen als Werkschutz
Die Klage gegen ThyssenKrupp erfolgte, nachdem Anwohner*innen Umweltverstöße bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hatten. Die Staatsanwaltschaft teilte in der Pressemitteilung zudem mit, dass im Rahmen des Verfahrens auch gegen den Werkschutz des Unternehmens ermittelt wird. Dieser soll Mitglieder so genannter Mafiamilizen beschäftigen. Die seit 2007 gegen das Stahlwerk protestierenden Fischer, denen durch den Bau des Stahlwerks ihre Lebensgrundlage geraubt wurde, hatten seit 2008 wiederholt von den Bedrohungen durch diese paramilitärischen Gruppen berichtet.
Die Fischer, die auf ihr Anliegen bereits Anfang dieses Jahres auf der Aktionärsversammlung von ThyssenKrupp in Bochum aufmerksam gemacht hatten, verklagen das ThyssenKrupp-Stahlwerk auf Verdienstausfälle beim Fischfang vor den Zivilgerichten in Rio de Janeiro. Die Tageszeitung Folha de São Paulo berichtete Ende November dieses Jahres, dass die in den sieben Zivilklagen zusammengeschlossenen 5.763 Fischer durchschnittlich je 300.000 Reais Entschädigung fordern – dies entspricht einem Gesamtbetrag von umgerechnet bis zu 756 Millionen Euro.
Siehe auch unser Beitrag bei poonal: Link
und bei radio onda: http://www.npla.de/onda/content/1048
(Foto: Christian Russau)
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