Die Tragödie von Mariana: Fischer*innen leiden unter den Auswirkungen der Schlammfluten

(Fortaleza, 10. Dezember 2015, adital).- Fischer*innen aus 16 Bundesstaaten Brasiliens trafen sich zu einer „Umarmung für das Leben am Río Doce“, um die Auswirkungen der Umweltkatastrophe anzuprangern, die am 5. Oktober 2015 in der Stadt Mariana im Bundesstaat Minas Gerais durch den Bruch zweier Staudämme des Bergbauunternehmens Samarco verursacht wurde. Samarco ist ein Minenbetreiber und Unternehmen der weltweit operierenden Bergbaugesellschaften Vale und BHP Billiton.

Fischer*innen blockierten Straße
Ungefähr 1.500 Menschen kamen zu der Protestaktion in der Stadt Linhares (Bundesstaat Espírito Santo) auf dem „Platz des 22. August“ zusammen. Sie gingen weiter bis zur Brücke Joaquim Calmon und versperrten so beide Fahrtrichtungen der Bundesstraße BR-101. Die Fischer*innen protestierten gegen die Fahrlässigkeit der Behörden sowie die des Unternehmens Samarco und die dadurch in der Region entstandenen Schäden für die Fischerei. Der – möglicherweise giftige – vom Fluss „Río Doce“ mitgeführte Schlamm hat das Küstengebiet des Staates Espírito Santo bereits erreicht und bringt die Lebensgrundlage der regionalen Fischer*innen in Gefahr.

„Wir fordern nicht nur Arbeit – das sozioökonomische – sondern wir sorgen uns auch um die Umwelt. Wir erklären uns solidarisch mit den durch die Tragödie vermissten Opfern. Wir können nicht schweigen, wir müssen auf das Vorgefallene aufmerksam machen“ bekräftigt der Präsident der Fischervereinigung von Espírito Santo, Manoel Bueno, bekannt als „der Schwarze der Fischerei“, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Adital.

 

Unglück ereignete sich in Laichzeit der Fische

Bueno, der auch nationaler Koordinator der Bewegung der Fischer und Fischerinnen Brasiliens MPP (Movimiento de Pescadores y Pescadoras de Brasil) ist, beklagt, dass die Situation kritisch sei und sich tendenziell eher verschlechtere, da die Tragödie genau in die Fortpflanzungszeit der Fische gefallen sei. Diese kämen, wie zum Beispiel der Wolfsbarsch und die Meeräsche, zum Río Doce, um dort ihre Eier abzulegen. Der Koordinator hob hervor, dass die Fischer*innen von der Tragödie schwer in Mitleidenschaft gezogen worden seien, die von den Fischer*innen auch nicht als Naturkatastrophe angesehen werde, sondern als eine „vorsätzlich begangene Straftat“. „Es wurde auf die Gefahr aufmerksam gemacht – und das Unternehmen hat weder etwas getan, um sie zu vermeiden, noch, um sie aufzuhalten“.

Manoel Bueno verlangt Veröffentlichung der Analysen

Bueno verlangt von der Regierung Informationen und die rasche Herausgabe der technischen Wasseranalyse. „Das Ganze passierte vor einem Monat und drei Tagen. Es ist unmöglich, dass diese Analyse noch nicht vorliegt!“ Er schildert, dass neben toten Fischen, deren Menge letzte Schätzungen auf elf Tonnen beziffern, nun auch tote Vögel auftauchen, die wahrscheinlich die vergifteten Fische gefressen haben. Man sorge sich auch um künftige Schäden durch den Konsum von verseuchtem Wasser. „In einigen Jahren können Menschen sterben und schwangere Frauen entstellte Babys zur Welt bringen – und wir werden nicht wissen, warum“.

Fischer*innen fordern staatliche Unterstützung

Wenn weder im Fluss noch im Meer gefischt werden kann, fordern die Fischer*innen die Unterstützung der Regierung. Sie verlangen Hilfe in Höhe eines Mindestlohns plus 20 Prozent für jede im Haushalt abhängige Person. Außerdem einen Warenkorb mit Lebensmitteln zur Sicherstellung der Grundversorgung im Wert von 385 brasilianischen Real.

Er beklagt auch eine vermeintliche „Verschleierung“ der Situation durch das Bergbauunternehmen, das eine Gruppe von ungefähr 60 Fischer*innen aus dem Küstenort Regência bezahlen würde, in dem der Fluss ins Meer mündet. Sie seien für 150 brasilianische Real pro Tag engagiert worden, um Auffangbojen anzubringen. Diese Fischer*innen seien angewiesen worden zu verneinen, dass es ein Fischsterben gebe und man habe ihnen verboten, an öffentlichen Anhörungen mit den Behörden teilzunehmen. Andernfalls würden sie entlassen.

Bueno informierte darüber, dass es neben verschiedenen anderen Aktionen und Kundgebungen am 10. Dezember 2015 in der Stadt Colatina (Bundesstaat Espírito Santo) eine Anhörung vor dem Arbeitsministerium gegeben habe, an der auch der Nationale Fischereiverband und einige Fischersiedlungen teilgenommen hätten. Am 12. Dezember 2015 habe ein weiterer symbolischer Akt stattgefunden, welcher von der Gemeindeverwaltung von Baixo Guandú koordiniert worden sei. Die Gemeinde sitzt an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Espírito Santo und Minas Gerais.

Zahlen und Fakten

Informationen des Brasilianischen Instituts für Umwelt und erneuerbare Ressourcen Ibama (Instituto Brasilero del Medio Ambiente y Recursos Naturales Renovables) zufolge zog die Welle aus Abfallstoffen des Unternehmens Samarco bereits 663 Kilometer des Río Doce und seiner Nebenflüsse in Mitleidenschaft.

Dabei wurden 1.469 Hektar Boden zerstört, darunter auch Böden in Naturschutzgebieten. Im Distrikt Bento Rodrigues wurden 207 von 251 Gebäuden (82 Prozent) unter dem Schlamm begraben.

Die Schlammwelle hatte am 21. November 2015 in der Stadt Linhares im (Bundesstaat Espírito Santo) das Meer erreicht. Die Naturschutzgebiete wurden auf einer Strecke von 77 Kilometern zerstört – zwischen dem Wasserlauf des Staudamms Fundão und dem Fluss „Río del Carmo“ in São Sebastião do Soberbo, im Bundesstaat Minas Gerais.

Vorbereitungen für Zivilklage gegen das Unternehmen

Laut des vorläufigen Gutachtens der Umweltbehörde Ibama, das am 1. Dezember 2015 vorgelegt wurde, sind die von dem Unglück verursachten „schweren und kostspieligen“ Konsequenzen für Umwelt und Gesellschaft auf regionaler Ebene „indiskutabel“, ebenso wie die Auswirkungen auf die Flussmündung des Río Doce und die entsprechende Küstenregion. Laut Dokument sind die Beurteilungen der Konsequenzen für die Meeresumwelt noch nicht abgeschlossen.

Das Gutachten hat zum Ziel, den Entwurf einer öffentlichen Zivilklage gegen das Unternehmen Samarco Mineria wegen der Verantwortung für die verursachten Umweltschäden zu unterstützen.

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