Die Armut steigt und die Suppe wird dünner

Suppenküchen
Gegenseitige Unterstützung und Widerstand: Suppenküchen in Buenos Aires
Foto: Jule Giessler

(Buenos Aires, 27. Januar 2025, npla).- Die Suppenküchen in Buenos Aires waren auch vor der Amtsübernahme von Javier Milei im Dezember 2023 ein wichtiger Anlaufpunkt für viele Menschen, vor allem in den Villas und Barrios Populares, den Armenvierteln der Hauptstadt. In zwei der größten Villas hat sich die Situation im letzten Jahr jedoch noch verschärft. Momentan bekommen sie noch Essenslieferungen von der städtischen Regierung. Bei einer Armutsrate von über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung Argentiniens ist die Unterstützung mehr als notwendig. Doch seit Mileis Amtsantritt gehen die zuvor schon knappen Unterstützungen noch weiter zurück.

Die Suppenküchen sind für viele Menschen überlebenswichtig

Jeden Tag bereiten die Frauen des Gemeinschaftszentrums Doña Emi, gelegen in der Villa 21-24, einem der größten Armenviertel Buenos Aires, das Essen für rund 550 Personen zu.  Unermüdlich arbeiten die Frauen in der Suppenküche Tag ein Tag aus und das ohne Lohn, da ihre Arbeit weder vom Staat noch von der Stadt anerkannt wird, wie Köchin Liz berichtet: „Wir werden nicht bezahlt, wir haben kein Einkommen. Wir bekommen nur Waren im Tausch für unsere Arbeit, mehr nicht.“

Eva Alarcón leitet das Gemeinschaftszentrum Doña Emi. Sie selbst ist in dem Haus aufgewachsen, das heute als Gemeinschaftszentrum dient. Seit über 20 Jahren gibt es die Suppenküche nun schon. Ihre Eltern hatten sie gegründet, als Antwort auf die drohende Finanzkrise und den argentinischen Staatsbankrott 2001. Damals haben sie gar keine Unterstützung vom Staat bekommen erzählt Eva, sie erinnert sich, wie sie als Kind auf Märkten und in Läden um Essensspenden für die Suppenküche gefragt hat. In den letzten Jahren hat die junge Frau für die staatliche Anerkennung der Suppenküche gekämpft. Seit einigen Jahren bekommen sie dadurch Essenslieferungen von der städtischen Regierung. An der Bezahlung der Arbeiterinnen hat dies jedoch nichts geändert, da diese laut Gesetz nicht als solche angesehen werden, wie Eva erklärt: „Laut Gesetz gelten sie als Freiwillige. Von Montag bis Freitag, manchmal auch samstags, arbeiten diese Frauen jeden Tag vier bis sechs Stunden, manchmal auch mehr, mit vollem Körpereinsatz, ohne Bezahlung, weil das Gesetz sagt, dass sie keine Arbeiterinnen sind, doch für uns und die ganze Gemeinschaft sind sie das.“

Die Inflation ist gesunken, die Lebensmittelpreise jedoch drastisch gestiegen

Für viele Bewohner*innen ist die Suppenküche überlebenswichtig, auch wenn die Inflation gesunken ist und sich bei 3 Prozent monatlich eingependelt hat. Im Vergleich zu 25 Prozent monatlich im Januar 2024 ist dies ein positives Zeichen. Gleichzeitig sind die Lebensmittelpreise auch im Vergleich um das Doppelte bis Dreifache gestiegen. Grund ist die Aufhebung der staatlichen Subventionen. So beschreibt eine ältere Dame, die seit 20 Jahren täglich Essen für die ganze Familie in der Suppenküche abholt, dass es ihnen dadurch nie an Essen gefehlt hat und wie dankbar sie dafür sei. Eva kämpft um den Erhalt der Suppenküche, doch sie hat wenig Hoffnung in die Politik, die sich ihrer Meinung nach nicht für die Armen interessiert. Sie erzählt, dass von den 50 Arbeiter- und Armenvierteln Buenos Aires lediglich für vier ein Urbanisierungsplan existiert, der garantieren soll, dass die Viertel an die Wasser- und Abwasserversorgung sowie an das Stromnetz angeschlossen werden.

Die meisten Villas sind abgeschnitten vom städtischen Wasser- und Stromnetz

Suppenküchen
Die meisten Villas sind nicht an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen.
Foto: Jule Giessler

In einem Großteil der Villas sieht die Realität nämlich anders aus. Die meisten Menschen verfügen über keinen Wasseranschluss, und die wilden Kabelgeflechte in den Gassen gehören zum typischen Bild der Villas, in denen die Menschen sich selbst organisieren und ihr eigenes Stromnetz aufbauen. Dies ist jedoch nicht ungefährlich. Ab und an kommt es zu Kabelbränden durch Überlastung. Wie in der Villa 31, wo Ende Oktober 2024 ein Kabelbrand die Elektrizität für gesamte Straßenzüge der Villa mehrere Tage lang außer Kraft setzte. Villa 31 ist das wohl bekannteste Armenviertel von Buenos Aires. Es liegt mitten im Stadtzentrum, ist jedoch abgeschnitten vom Rest der Stadt. Auch hier unterstützen die Nachbar*innen einander. Doch auch hier sind die Suppenküchen von den Kürzungen der Regierung betroffen, wie eine der Köchinnen resigniert berichtet: „Früher sind wir eher auf die Straße gegangen, um zu kämpfen, für mehr Lebensmittel und um den Menschen zu helfen, aber mit Milei wurden uns die Flügel gestutzt, weil wir nicht mehr protestieren können ohne Repressalien, und darüber hinaus haben sie auch unsere Gehälter um die Hälfte gekürzt.“

„Aufgeben ist keine Option“

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Die Kinder brauchen einen Zufluchtsort und etwas zu essen.
Foto: Jule Giessler

Im Viertel gibt es auch einen Kindergarten, der von der Nichtregierungsorganisation FOL – der „Front der kämpfenden Organisationen“ organisiert wird. Täglich bekommen hier 30 Kinder eine warme Mahlzeit und Zuflucht. Organisiert haben ihn die Frauen aus dem Viertel selbst. Sie bekommen noch Lebensmittel von der Regierung. Den Bedarf können sie damit allerdings nicht mehr decken, wie die Frauen berichten. Doch aufgeben kommt für Kindergärtnerin Delma nicht in Frage. Sie sagt, sie mache weiter für die Kinder, denn diese brauchen schließlich einen Ort, an dem sie sich geliebt und aufgehoben fühlen oder wo sie zumindest eine warme Mahlzeit bekommen, wie sie weiter ausführt.

Hoffnung in die Regierung haben in den Villas nicht viele, zu oft wurden sie vergessen. Doch aufgeben ist bei so viel Not in Argentinien, gerade unter Milei für niemanden hier eine Option.

 

 

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