von Oliver Lüthi
(San José, 09. Februar 2012, voces nuestras).- In Panama halten die Spannungen zwischen indigenen Gruppierungen und der Regierung trotz gegenseitiger Bekundungen zur Dialogbereitschaft weiter an. Autochthone der Ethnie Ngöbe-Buglé fordern, dass die Diskussionen zur Ausarbeitung eines neuen Gesetzes zur Nutzung von Bodenschätzen sofort wieder aufgenommen werden. Die Entfernung eines Artikels aus der betreffenden Gesetzesvorlage hatte in den zurückliegenden Tagen schwere Konflikte zwischen Vertreter*innen der Ngöbe-Buglé und der panamaischen Regierung ausgelöst.
Noch „überhaupt nichts“ erreicht
An mehreren Punkten der wichtigen Fernverkehrsstraße Panamericana sammelten sich am Mittwoch größere Gruppen von Indigenen, welche von der Regierung die Wiederaufnahme der abgebrochenen Verhandlungen über das Gesetz zur Nutzung der Bodenschätze forderten. Auch vor dem nationalen Parlament in Panama-Stadt versammelten sich Dutzende von Personen. Zu ihnen gehörten nicht nur Indigene des Volkes der Ngöbe-Buglé, sondern auch Vertreter*innen der Ethnien der Gunas und Embera. Die Versammelten kündigten an, vor dem Parlamentsgebäude zu bleiben, bis die Abgeordneten erneut über die konfliktträchtige Gesetzesvorlage beraten würden. Silvia Carrera, Kazikin des autonomen Gebiets des Ngöbe-Buglé, ließ verlauten, dass trotz der scheinbaren Dialogbereitschaft der Regierung noch „überhaupt nichts“ erreicht sei.
Auch in anderen Ländern Zentralamerikas kam es zu Protesten gegen das Verhalten der panamaischen Regierung im Streit mit den Ngöbe-Buglé wegen der neuen Minengesetzgebung. In Costa Rica versammelten sich Dutzende von Personen vor der Botschaft des südlichen Nachbarlandes und bezeichneten dessen Präsidenten Ricardo Martinelli als “Mörder”, nachdem in den vergangenen beiden Tagen bei Zusammenstößen mit der Polizei zwei Indigene ums Leben gekommen und mehrere Dutzend verletzt worden waren. Zu den Protestierenden in Costa Rica gehörten auch Vertreter*innen von Indigenengruppierungen. In Reden verwiesen diese auf die Problematik der Ausbeutung von Naturschätzen, nicht nur in Panama, sondern auch in anderen Ländern Zentralamerikas.
Indigene Proteste gegen Änderung des Bergbaugesetzes
Der Konflikt zwischen den Ngöbe-Buglé und der panamaischen Regierung war vergangene Woche ausgebrochen, nachdem das panamaische Parlament in erster Lesung einen Artikel aus der neuen Gesetzesvorlage zur Nutzung von Bodenschätzen gekippt hatte, welcher die Ausbeutung von Minen und den Bau von Wasserkraftwerken in der autonomen Indianerprovinz untersagte. Hunderte von Indigenen hatten in der Folge tagelang die Panamericana blockiert, die Panama mit dem Nachbarland Costa Rica verbindet. Am Wochenende hatte die panamaische Polizei begonnen, die Straßensperren gewaltsam aufzulösen.
Die Auseinandersetzungen zwischen den Ngöbe-Buglé und der Regierung von Präsident Ricardo Martinelli sind nicht neu. Bereits 2010 und erneut im vergangenen Jahr hatte die Regierung mittels einer Änderung der bestehenden Minengesetzgebung versucht, den Zugang für ausländische Großunternehmen zu den Bodenschätzen im größten Indigenengebiet Panamas zu erleichtern. Beide Male musste sie am Schluss vor dem Druck der Indigenen zurückweichen und einer Neuaushandlung der betreffenden Gesetzgebung zustimmen.
Regierung hofft auf Milliardeneinnahmen aus Kupfermine
Für Victor Ordán, Soziologe und Professor an der Universität von Panama, sind die neuerlichen Proteste ein Zeichen dafür, dass die Indigenen ihre Rechte einzufordern beginnen: “Im Zusammenhang mit den natürlichen Ressourcen galten bisher nur die Interessen des Großkapitals. Die Indigenen beginnen nun allerdings, ihre eigenen Stärken zu entdecken und ihre Ansprüche denjenigen der Großunternehmen entgegenzustellen”, so Ordán.
Im Zusammenhang mit dem Gebiet der Ngöbe-Buglé hat die Regierung vor allem die Mine Cerro Colorado im Visier. Es handelt sich dabei um die zweitgrößte Kupfermine der Welt. An der Ausbeutung der dortigen Mine ist ein südkoreanisches Unternehmen interessiert. Neben der Zulassung von ausländischen Investoren bezweckt die panamaische Regierung mit der Änderung der vorhandenen Gesetzgebung auch eine Verbesserung der eigenen Einnahmen aus dem Minengeschäft.
Über eine Erhöhung der Staatsbeteiligung an den entsprechenden Gewinnen erhofft sie sich Milliardeneinkünfte. Bereits 2008 hatte die Regierung dem Unternehmen Petaquilla Gold grünes Licht erteilt, in der Provinz Colón über einen Zeitraum von 20 Jahren eine Goldmine im Übertagebau auszubeuten. Obwohl mehrere Umweltverbände gegen Petaquilla Gold und das Minenprojekt geklagt hatten, war die Schürfgenehmigung erteilt worden.
Weitere Proteste angekündigt
Die panamaische Regierung betont allerdings, dass sie die Mine Cerro Colorado nicht ausbeuten wolle und lediglich an der Nutzung der Wasserkraft in der Provinz der Ngöbe-Buglé interessiert sei. Ihre Haltung in Bezug auf die Wasserkraft begründet sie mit Kostenüberlegungen; falls keine neuen Wasserkraftwerke in der Indigenenprovinz gebaut werden dürften, müsse das Land seine Energie aus teureren fossilen Brennstoffen beziehen, so das offizielle Argument. Indigene- und Umweltorganisationen allerdings wollen den Beteuerungen der Regierung, dass sie von einem Abbau der Mine in Cerro Colorado absehen werde, keinen Glauben schenken. Für die kommenden Tage haben sie deshalb weitere Protestaktionen angekündigt.
Zweitgrößte Kupfermine der Welt im Visier von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar