Widerstand gegen Kohlenstoff-Cowboys

von Markus Plate

(San José, 20. Juni 2014, voces nuestras).- Wie das Weltklima retten und gleichzeitig die Wälder im globalen Süden schützen. Die Staatengemeinschaft diskutiert auf ihren jährlichen Weltklimakonferenzen über einen, scheinbar eleganten Mechanismus: REDD+. Doch vor allem indigene Gemeinschaften, die theoretisch Nutznießerinnen von REDD+ seien könnten, sehen den Mechanismus mit größter Sorge! REDD-plus bezieht sich auf die „Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung in Entwicklungsländern, und die Rolle der Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder, sowie die Verbesserung der Waldkohlenstoffvorräte in Entwicklungsländern“. In der Theorie soll über REDD+ an Länder des Südens Geld fließen, dafür dass sie ihre Wälder schützen oder wieder aufforsten. Doch viele Fragen bleiben, wie dieser Mechanismus in die Praxis umgesetzt werden soll.

Es beginnt mit Diskussionen, wie „Wald“ überhaupt definiert werden soll? Die Klimarahmenkonvention von 2001 reduziert den Waldbegriff auf eine Fläche mit mindestens zwei bis fünf Meter hohen Pflanzen. Diese Definition macht keinen Unterschied zwischen natürlichen Wäldern und etwa Plantagen. Wenn man aber „Wald“ nicht als komplexes Ökosystem und Lebensraum für Menschen definiert, dann, so die Kritik, haben Unternehmer*innen die Handhabe, im industriellen Maßstab Palmöl- oder Bananen-Monokulturen zu gründen – und diese als klimafreundlichen Wald auszuweisen. Bestehende Wälder und ihre Bewohner*innen werde Redd+ zu Objekten der Ausdehnung des grünen Kapitalismus machen, von umweltschädlichen Unternehmen und von Marktspekulanten.

„REDD führt zu Zwangsräumungen“

Indigene Völker müssten eigentlich wichtige Akteure in REDD+ sein, weil sie oft innerhalb von Waldgebieten leben und ihr Leben auf der Nutzung der Waldressourcen basiert. Doch schon 2007 formulierte das Internationale Forum Indigener Völker zum Klimawandel explizite Kritik. REDD+ werde indigenen Völkern nicht zugute kommen, sondern werde ihre Rechte noch mehr verletzen: „REDD wird zu zu Zwangsräumungen und zum zunehmenden Raub an unserem Land und unseren Ressourcen führen, wird unsere biologische und die kulturelle Vielfalt zerstören und zu sozialen Konflikten führen. Unter REDD+ werden Staaten und Kohlenstoff-Händler Kontrolle über unsere Wälder erlangen.“

Auch in Costa Rica wird der Widerstand größer. Mariana Porras von der Umweltorganisation COECOCeiba erläutert, warum gerade für indigene Gemeinschaften REDD+ eher eine Bedrohung, als eine Perspektive darstellt: “Die Gemeinschaften, in denen solche Verträge unterzeichnet werden oder die glauben, von Projekten im Rahmen von REDD einen Nutzen zu haben, die müssen wissen, dass Ihr Wald Gegenstand eines Vertrags wird. Und das bedeutet, dass die Nutzung des Waldes auch für die Gemeinden eingeschränkt wird.“ REDD sehe den Wald nur als Kohlenstoffspeicher, dabei werde ignoriert, dass Wald vor allem auch ein Ort von biologischer Vielfalt und mit kulturellen und spirituellen Beziehungen sei.

Außerdem, so Marina Porras, verstärke REDD+ den Vertreibungsdruck auf die Bewohner*innen von Waldgebieten: “In der Region Montes Azules, wo der mexikanische Staat Waldflächen für den Emissionshandel ausweisen will, um so im REDD-Prozess Geld zu verdienen, dort will der Staat die Bewohner loswerden. Die Indigenen Völker sind im Fokus, weil sie eben in Gegenden leben, wo noch viel Wald ist. REDD hört sich schön an, es ist aber keine Lösung für den Klimawandel und noch viel weniger für die indigenen Völker auf der Welt.”

Unternehmer beuten den Wald aus

So genannte „Kohlenstoff-Cowboys“ – skrupellose Unternehmer*innen, die Rechte an Kohlenstoff im Regenwald zu erwerben versuchen – sie haben indigene Gemeinschaften bei der Geschäftemacherei im Rahmen von REDD seit langem im Auge. Vor zwei Jahren machte die Nachricht die Runde, der australische Geschäftsmann David Nilsson habe einen 200-Jahre-laufenden Vertrag mit den Yagua, einem Amazonas-Stamm, unterzeichnet, was ihm einen 50-Prozent-Anteil den Kohlenstoff- Ressourcen in einem 3 Millionen Hektar großen Waldgebiet auf Yagua-Territorium garantieren würde. Der Kohlenstoffvertrag selbst hat nur 25 Jahre Gültigkeit, danach seien Investor*innen eingeladen, den Wald zu „ernten“ und zum Beispiel Palmölplantagen anzulegen – brüstete sich der Geschäftmann in einer vom australischen Fernsehen veröffentlichten Aufnahme.

Beispiele wie dieses vertiefen die Ablehnung indigener Gemeinschaften gegen REDD. Auch in Costa Rica. Hier positionierten sich Mitte Juni Repräsentant*innen von sechs indigenen Gemeinschaften klar gegen den angeblichen Schutzmechanismus. Zum Beispiel Ciomara Maroto Sánchez, von den Borucas, einer Gemeinschaft im Süden des Landes: „Der Nationale Waldfonds FONAFIFO kommt in unsere Gemeinden und verspricht uns Geld, dafür dass wir Bäume pflanzen. Das hört sich zunächst super an. Dann gibt es eine Infoveranstaltung und auf der wird die ganze Zeit über die Schrecken des Klimawandels geredet. Aber das, worum es eigentlich geht, also REDD Plus, wird in zwei Minuten abgehandelt. Die erklären nichts! Natürlich werden sie nicht sagen, dass sie unsere Wälder privatisieren wollen. Wir Indígenas wollen aber keine Globalisierung unserer Wälder!“

Widerstand in Costa Rica und Panama

In Panama haben die indigenen Gruppen im Jahr 2012 die Zusammenarbeit mit dem nationalen REDD-Programm abgebrochen. Sie werfen der Regierung vor, ihre Rechte nicht genügend zu respektieren, aber auch, dass viel von dem versprochenen Geld nie bei ihnen ankomme. Und auf costaricanischer Seite steigert die äußerst mangelhafte Informationspolitik der Behörden Misstrauen und Ablehnung gegenüber REDD+. So Filidencio Cubillo, Bribri-Indígena aus der Region Talamanca, an der südlichen Karibikküste Costa Ricas: „Nach vielen Treffen und intensivem Austausch mit anderen indigenen Gemeinden haben wir begriffen, dass dieses Programm eine Bedrohung für uns darstellt. Unserer Philosophie nach ist die Umwelt unsere Mutter. Wir werden sie verteidigen, denn sie gibt uns alles und schützt uns. REDD+ widerspricht unserer Kosmovision und deswegen werden wir gegen dieses Programm kämpfen.“

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