Von Privatisierung zur Verstaatlichung – Ein wirtschaftlicher Wendepunkt

Viele öffentliche Unternehmen wurden zu Ende des letzten Jahrhunderts privatisiert und kapitalisiert. Heute werden viele wichtige Unternehmen rückverstaatlicht. Foto: Viaje a Bolivia via flickr, CC BY 2.0

(Sucre, 4. Februar 2025, BolPress).- Der Prozess der Privatisierung und Kapitalisierung, verstanden als die vollständige oder teilweise Veräußerung öffentlicher Unternehmen, prägt die Geschichte Boliviens. Er begann offiziell mit dem Privatisierungsgesetz von 1992 und dem Kapitalisierungsgesetz von 1994 unter den Regierungen von Jaime Paz Zamora und Gonzalo Sánchez de Lozada. Diese Maßnahmen wurden als Reaktion auf eine Wirtschaftskrise und Hyperinflation ergriffen, die aus der wirtschaftlichen und politischen Destabilisierung resultierten, welche insbesondere von der Diktatur unter Hugo Banzer hinterlassen wurde. Diese Faktoren schwächten die Regierung der Demokratischen und Volkseinheit (UDP) und führten schließlich zu ihrem Zusammenbruch.

Mario Requena beschreibt in seinem Dokument „Die Erfahrung der Privatisierung und Kapitalisierung in Bolivien“, dass Privatisierung die vollständige Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen an den privaten Sektor bedeutete. Die erste Veräußerung betraf die Speiseöl-Fabrik Rafael Deheza, gefolgt vom Verkauf weiterer Unternehmen wie der Zuckerfabrik von Guabirá, die durch eine gemischte Aktiengesellschaft übertragen wurde, während andere Betriebe geschlossen wurden. Zudem lagen die Verkaufspreise vieler staatlicher Unternehmen unter dem tatsächlichen Investitionswert, was Verdacht auf Korruption, Manipulation des Prozesses und Bevorzugung bestimmter Gruppen hervorrief.

Später wurde die Kapitalisierung als Alternative zur traditionellen Privatisierung eingeführt. Sie beinhaltete die teilweise Übertragung von Anteilen strategischer Staatsunternehmen wie Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos (YPFB), der Empresa Nacional de Telecomunicaciones (ENTEL) und der Empresa Nacional de Electricidad (ENDE) an private, vor allem ausländische Investor*innen. Dies wurde mit dem Argument begründet, ausländisches Kapital anzuziehen. Allerdings geriet ein erheblicher Teil der Kontrolle und des Eigentums in die Hände dieser privaten Investor*innen, während die Verteilung von Anteilen an die bolivianische Bevölkerung nur geringen Einfluss hatte.

Diese Reformen führten dazu, dass Bolivien einen erheblichen Teil seiner nationalen Souveränität einbüßte. Zudem erreichten sie weder die angestrebte Erhöhung der Auslandsinvestitionen noch die Modernisierung der Wirtschaft, eine Effizienzsteigerung der Unternehmen oder die versprochene Schaffung von Arbeitsplätzen. Stattdessen wurde der nationale Reichtum zugunsten ausländischer Interessen ausgebeutet, was die Abhängigkeit von ausländischem Kapital vertiefte und das Vertrauen in die staatliche Verwaltung von Ressourcen untergrub. Gleichzeitig verstärkten sich soziale Ungleichheiten, und die arbeitenden Klassen sowie indigene und bäuerliche Gemeinschaften wurden wirtschaftlich benachteiligt.

Angesichts des Scheiterns dieser Politik entstand die Verstaatlichung als wirtschaftliche Gegenmaßnahme, mit der der Staat die Kontrolle und das Eigentum an den privatisierten und kapitalisierten öffentlichen Unternehmen zurückerlangte. Mit dem sozial-produktiven gemeinschaftlichen Wirtschaftsmodell wurde die Rolle öffentlicher Unternehmen gestärkt, sodass sie zu gewinnbringenden Betrieben wurden. Ihre Einnahmen stiegen von 695 Millionen Bolivianos im Jahr 2005 auf 45,561 Milliarden Bolivianos im Jahr 2023, was ihre Stabilität und Fähigkeit belegt, finanzielle und operative Verpflichtungen zu erfüllen, die nationale Wirtschaft zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen und durch Sozialpolitik sowie öffentliche Investitionen Ressourcen umzuverteilen.

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