Urteil im Rechtsstreit mit RWE schafft Präzedenzfall

Lliuya gegen RWE
Saúl Luciano Lliuya in Essen (2016). Foto: Wikipedia/Alexander Luna (CC BY-SA 4.0)

(Freiburg, 29. Mai 2025, poonal).- Bei der spektakulären Klage des peruanischen Landwirts und Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den deutschen Energiekonzern RWE ist nach zehn Jahren ein Urteil ergangen. Das Oberlandesgericht Hamm wies am 28. Mai die Berufungsklage von Lliuya gegen ein 2016 ergangenes Urteil zwar ab, entschied aber, dass große CO2-Emittenten weltweit für Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel zahlen müssen. Das Urteil erkennt an, dass Energieunternehmen eine „globale Verantwortung“ haben, die in direktem Zusammenhang mit ihren CO2-Emissionen steht und aufgrund derer sie sogar verpflichtet werden können, Kosten proportional zu ihren Emissionen zu übernehmen.

Lliuya, der mit Unterstützung der deutschen NGO Germanwatch bereits 2015 Klage gegen den Energiekonzern RWE erhoben hatte, ging bei dem Urteil allerdings leer aus. Er hatte das deutsche Unternehmen – das weder einen Sitz noch Niederlassungen in Peru hat – beschuldigt, ein bedeutender Emittent von Treibhausgasen zu sein und zur Beschleunigung des Klimawandels beizutragen, was zum Abschmelzen eines Gletschers in der Nähe seines Wohnortes in Huaraz geführt habe und seine Gemeinde durch mögliche Überschwemmungen bedrohe. Das Gericht befand nun allerdings, sein Haus sei durch den Klimawandel kaum gefährdet. Trotzdem wurde ein Präzedenzfall für Klimagerechtigkeit geschaffen, der in ähnlich gelagerten Fällen helfen könnte.

RWE sollte für Klimaschutzmaßnahmen zahlen

Der 2015 vor einem deutschen Gericht eingereichte Fall forderte, dass RWE 0,5 Prozent der notwendigen Schutzmaßnahmen in der Gemeinde in der Nähe der Lagune Palcacocha übernimmt. Basis hierfür war eine Berechnung aus dem Jahr 2023, nach der das Unternehmen 0,4 Prozent der gesamten CO2-Emissionen der Erde verursachte, und damit mehr als Griechenland.

Konkret forderte Lliuyas Verteidigung von RWE eine Zahlung von etwa 17.600 Euro, das sind 0,5 Prozent der auf etwa vier Millionen Euro veranschlagten Kosten für die Errichtung des Damms. Außerdem wurde die Wahrscheinlichkeit, dass Lliuyas Haus von Überschwemmungen betroffen sein könnte, auf 30 Prozent geschätzt. Der Sachverständige des Gerichts, der Statik-Experte Rolf Katzenbach sah jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent, dass das Haus des peruanischen Landwirts Schaden nehmen würde. Mit diesem Argument wies das Gericht die Klage ab und entschied zugunsten von RWE.

Unternehmen sind für Umweltverschmutzung verantwortlich

Obwohl die Klage des peruanischen Bauern keinen Erfolg hatte, stellte das Oberlandesgericht Hamm fest, dass „bei Vorliegen einer Schadensgefahr der Verursacher der CO2-Emissionen verpflichtet sein kann, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen (…) (oder) die Kosten entsprechend seinem Anteil an den Emissionen zu tragen“.

Für die NGO Germanwatch, die den Fall Lliuya begleitet hat, ist die Niederlage im Rechtsstreit nicht so wichtig wie der mit diesem Urteil geschaffene Präzedenzfall. „Erstmals in der Geschichte, legt ein hohes Gericht in Europa rechtlich fest, dass große Emittenten zivilrechtlich für die konkreten Folgen der Klimakrise haftbar gemacht werden können. Obwohl das Gericht die Klage von Saúl Luciano Lliuya abgewiesen hat, markiert das Urteil aus Hamm einen rechtlichen Durchbruch“ und werde den Klimaklagen gegen fossile Energiekonzerne und damit dem globalen Übergang weg von fossilen Brennstoffen Auftrieb geben, erklärte Germanwatch in einer Mitteilung.

Das Urteil sei ein wichtiger Meilenstein im Kampf für Klimagerechtigkeit weltweit und schaffe einen Präzedenzfall, „um weiter Druck auszuüben und alle, die für ihre Emissionen verantwortlich sind, zur Verantwortung zu ziehen“, erklärte César Ipenza, ein auf Umweltrecht spezialisierter Anwalt, gegenüber dem Portal Infobae. „Peru ist eines der Länder, die besonders betroffen von den Auswirkungen des durch Emissionen in anderen Teilen der Welt verursachten Klimawandels sind. Hier zeigt sich, dass wir alle in einem gemeinsamen Haus leben und für unsere Handlungen und Aktivitäten verantwortlich sind, da diese oft globale Auswirkungen haben, wie beispielsweise der Klimawandel.“

Lliuya zufrieden mit dem Ergebnis in Deutschland

Saúl Luciano Lliuya zeigte sich trotz der Niederlage mit dem Urteil der deutschen Justiz zufrieden. „Heute haben die Berge gewonnen – auch wenn es in meinem Fall nicht weitergeht, hat meine Klage Wichtiges erreicht. Das macht mich stolz: Große Verursacher der Klimakrise müssen für die Folgen Ihres Tuns einstehen, können rechtlich haftbar gemacht werden“, erklärte er.

Lliuya erklärte außerdem, dass das Urteil als Präzedenzfall anderen Menschen helfen könne, die weltweit von der Klimakrise betroffen sind, auch wenn das Gericht nicht der Ansicht sei, dass sein Haus geschützt werden müsse. „Aber bei diesem Urteil geht es nicht nur um mich, sondern um alle Menschen, die schon jetzt mit den Folgen der sich ständig verschärfenden Klimakrise konfrontiert sind. Die großen Unternehmen, die diese Risiken und Schäden verursachen, können endlich gezwungen werden Verantwortung zu übernehmen“, so Lliuya.

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