(London, 5. Dezember 2023, opendemocracy).- Vor dem Hintergrund des COP28 berichten drei Umweltaktivist*innen, wie sie für eine gesunde Umwelt für alle kämpfen, und von den Herausforderungen, denen sie sich dabei stellen.
Die Amerikas sind die tödlichste Region der Welt für Menschen, die Land, Territorium und Umwelt verteidigen. Während Unternehmen und Behörden weiterhin die Orte zerstören und verschmutzen, die indigene Gruppen ihr Zuhause nennen, sind es genau diese Menschen, die von Gesundheitsproblemen geplagt werden und deren Lebensgrundlage zerstört wird. Und als wäre das nicht genug, werden Umweltschützer*innen häufig kriminalisiert, sobald sie die Situation anprangern.
Yuly Velásquez in Kolumbien: „Unsere Wasserwege zu verteidigen, erfüllt mich mit Stolz“
In Kolumbien leben Umweltaktivist*innen in ständiger Gefahr. Yuly Velásquez ist Präsidentin des kolumbianischen Fischereiverbandes der handwerklichen, ökologischen und touristischen Fischer des Departements Santander FEDEPESAN. Mit ihrer Umweltorganisation setzt sie sich für den Schutz von Feuchtgebieten und Flüssen in Barrancabermeja (Kolumbien) ein und hat Gewalt bereits am eigenen Leib erfahren.
Letztes Jahr wurde Yuly Opfer eines bewaffneten Angriffs, während sie die Umweltschäden vor Ort begutachtete. Es wurde auf sie geschossen, und auch andere Mitglieder des Verbandes wurden Opfer von Gewalt. Jetzt teilt sie ihre Geschichte und spricht über die Gefahren, die eine Frau als Umweltschützerin eingeht.
„Alle hier in Kolumbien haben das Recht auf sauberes Wasser verdient. Unsere Flüsse und Wasserwege sind jedoch durch Öl und Gas stark verschmutzt. Die Menschen leiden an Magen-Darm-Erkrankungen, haben oft Durchfall und anhaltende Hautausschläge. Niemand weiß, woher diese Krankheiten kommen, aber sie hängen damit zusammen, dass wir verunreinigtes Wasser trinken.“
„Das hat auch enorme Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen. Dort, wo ich wohne, brauchen wir sauberes Wasser, um guten Fisch zu fangen und zu verkaufen. Aufgrund der Wasserverschmutzung gehen unsere Fänge jedoch zurück, was uns wiederum wirtschaftlich trifft. Es ist nicht mehr dasselbe wie vor 10 Jahren: Die Fänge sind mickrig. Heutzutage gibt es weder Barsche noch Flusskrebse, Seebrassen oder Welse.“
„Das ist eine unserer großen Sorgen. Es ist sehr traurig, dass in Kolumbien, einem Land, das reich und arm zugleich ist, viele Familien ohne Essen zu Bett gehen müssen. Und es ist besorgniserregend, das ganze Jahr über so viele tote Fische zu sehen. Deshalb möchte ich sicherstellen, dass die Verantwortlichen für die Verschmutzung zur Rechenschaft gezogen werden. Aber das ist nicht einfach.“
„Als Aktivistin, die sich für unsere Wasserwege einsetzt, fehlt mir die Sicherheit, um unsere Art der Fischerei frei auszuüben und unsere Umwelt zu schützen. Es ist ein gefährlicher Ort. In der Vergangenheit wurde auf mich geschossen und mein Bodyguard verletzt. Doch trotz der Drohungen und Angriffe haben sich mehr Frauen unserer Sache angeschlossen, und wir haben gelernt, uns gegenseitig zu unterstützen; viele haben sogar ihre Kinder mit ins Projekt geholt. Das motiviert mich sehr und erfüllt mich mit Stolz, dass sich so viele Menschen unserer Sache anschließen. Kürzlich erst sagten Mitglieder einer anderen Organisation zu mir: ‚Wir sind hier, um dich zu unterstützen, du bist nicht allein‘. Nachrichten wie diese sind ein Lichtblick in der Not und zeigen, dass unsere Botschaft ankommt.“
„Solange die Behörden die Umwelt weiter als losgelöstes Thema betrachten, fordern wir die Unternehmen, die Treibstoff und Öl verwenden, auf, diese nicht direkt in Flüsse, Wasserstraßen oder Feuchtgebiete zu leiten. Stattdessen sollen sie einen geeigneten Ort finden, um sie zu entsorgen, ohne dass sie flussabwärts wieder auftauchen. Denn einige Menschen trinken immer noch Wasser direkt und unbehandelt aus den Flüssen.“
„Wir träumen davon, dass die Gemeinden in ganz Kolumbien sauberes Wasser nutzen können, und es ist essenziell, dass es alle unsere Siedlungen und Gemeinden erreicht, sowohl in urbanen Zonen als auch auf dem Land. Ich möchte wirklich, dass die älteren Generationen stolz auf unsere Arbeit sind: Sie waren sich der Risiken bewusst, die mit der Verteidigung unseres Landes verbunden sind, und haben es trotzdem getan. Ich bin entschlossen, das Gleiche zu tun.“
Donald Moncavo in Ecuador: „Unsere Kinder haben eine bessere Lebensqualität verdient“
Im Jahr 2021 verklagten neun junge Frauen die ecuadorianische Regierung mit der Begründung, dass die Verwendung von Gasfackeln durch Ölfirmen im Amazonasgebiet ihre verfassungsmäßigen Rechte auf eine gesunde Umwelt und Gesundheit verletze. Sie gewannen vor Gericht, kämpfen jedoch mehr als ein Jahr später immer noch für den Schutz ihrer Gemeinde. Der Aktivist Donald Moncayo erklärt, warum. Er ist leitender Koordinator der Vereinigung der von Texaco Betroffenen (UDAPT), und seine Tochter führte die Klage gegen die Regierung an.
„Von dem Moment an, als das Öl im ecuadorianischen Amazonasgebiet gefunden und gefördert wurde, wurden an mehreren Stellen Gasfackeln installiert, um Öl, Wasser und Gas zu trennen. Das verursacht enorme Umweltschäden.“
„Die Gerichte waren sich zwar der Umweltschäden bewusst, nicht aber der Gesundheitsschäden, die die Gasfackeln anrichten. Dank meiner Tochter und ihrer Freundinnen erkannte ein Gericht im Jahr 2021 endlich an, welchen Schaden die Gasfackeln den Anwohnern und ihren Familien zufügen. Zeitgleich zum Gerichtsverfahren führten wir eine Untersuchung durch, die aufdeckte, dass die Gasfackeln Kohlendioxid und Monoxid in die Luft abgeben und das Wasser verschmutzen. Unsere Untersuchung ergab außerdem, dass 90 Prozent der gemeldeten Krebsfälle in der Nähe der Ölförderstätten auftreten. Die Zahl der Fälle wird weiter steigen, bis die Gasfackeln entfernt werden. Das wiederum steht in direktem Widerspruch zu den Informationen des Umweltministeriums.“
„Obwohl der Provinzgerichtshof Unternehmen angewiesen hat, die Gasfackeln zu entfernen, die besonders nah an Siedlungen sind, werden die übrigen Gasfackeln erst im Jahr 2030 entfernt. Das bedeutet, dass der Smog weiter kilometerweit zieht und dabei unserer Gesundheit und Umwelt schadet.“
„Ich bin entschlossen, das Bewusstsein für dieses Problem und die von den Ölgesellschaften hinterlassenen Umweltschäden zu schärfen. Es ist durchaus möglich, das Problem zu entschärfen und auf eine sauberere Art zu arbeiten, welche die Umwelt und die Gesundheit der Menschen, die hier leben, respektiert. Aber das kostet Geld.“
„Ich fordere, dass die Gasfackeln so bald wie möglich entfernt werden, damit unsere Kinder eine bessere Lebensqualität haben können. Als ich aufwuchs, musste ich auf einer ölverschmierten Straße laufen, in ölverschmierten Flüssen baden, verschmutztes Wasser trinken und Luft einatmen, die nach brennendem Gas roch. Wir sind keine Opfer, wir sind Kämpfer, und wir alle haben das Recht auf eine gesunde Umwelt! Und zwar jetzt und nicht erst in sieben Jahren!“
Dr. Karla Tait in Kanada: „Unser Widerstand ist unsere Existenz“
Die Wet’suwet’en verteidigen ihr Land und werden deshalb dauerhaft von der Provinzregierung von British Columbia sowie der Royal Canadian Mounted Police (RCMP) überwacht und kriminalisiert. Seinen Ursprung hat dieser Kampf im Bau der Coastal-GasLink-Pipeline, die das Gebiet der Wet’suwet’en zweiteilt. Die fünf Wet’suwet’en-Gruppen haben sich gegen diese Pipeline ausgesprochen, und ihre Oberhäupter haben dem Bau in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und Bräuchen nicht zugestimmt.
Entschlossen, die Pipeline ohne Verzögerung zu bauen, haben sich sowohl das Unternehmen, das die Pipeline baut, als auch die Provinzregierung von British Columbia und die RCMP für eine gewaltsame Antwort auf den Widerstand entschieden. Eine Reaktion, die nicht nur an vergangene koloniale Unterdrückung und Traumata erinnert, sondern auch die indigene Bevölkerung, ihr Leben und ihr Land gefährdet. Dr. Karla Tait, klinische Psychologin und Programmdirektorin am Unist’ot’en Healing Centre, berichtet von ihrem Kampf.
„Ich bin Mutter einer neunjährigen Tochter. Sie ist unist’ot’en, und ihre Kinder werden unist’ot’en sein. Ich glaube, dass dieser matrilineare Weg von viel Weisheit durchdrungen ist, weil Mütter ihre Kinder von der Empfängnis an bei sich tragen, sie großziehen und in diese Welt bringen. Wer also könnte sich besser um ihre Interessen kümmern als die Mütter? Darum, dass sie ein langes und ein gutes Leben haben auf dem Gebiet, das sie ernähren wird?“
„Es ist von fundamentaler Bedeutung, dass meine Tochter mit dem Wissen aufwächst, wie sie auf ihrem eigenen Land überleben kann. Dass sie weiß, wie man vom Land lebt, dass sie erkennt, wie gesundes Land aussieht, wie gesunde Wasserwege aussehen. Dass sie dort den Boden begeht, wo ihre Vorfahren gegangen sind. Nur, indem sie auf dem Gebiet lebt und es kennt, wird sie erkennen können, wann ihr Land mehr Verteidigung und Schutz braucht.“
„Es ist essenziell wichtig, die Integrität unseres Landes zu bewahren, um zukünftige Generationen zu unterstützen. Zu wissen, woher das Essen kommt, zu wissen, wie man es zubereitet und seine Familie auch außerhalb des großen westlichen, kapitalistischen Systems ernährt – all das ermächtigt.“
„Unser Widerstand gegen dieses Projekt ist unsere Existenz hier. Wir haben jedes Recht, hier zu sein, unsere Gesetze zu verteidigen und unsere Zustimmung zu verweigern. Ich glaube nicht, dass wir zulassen können, dass uns irgendjemand aus unserem Gebiet vertreibt und auslöscht, wer wir sind. In unseren alltäglichen Praktiken haben wir eine spirituelle Verbindung zum Land. Unser Überleben als Volk hängt direkt mit dieser Verbindung zusammen.“
„Ich muss für das Land da sein, um all diese schwere, koloniale Unterdrückung, mit der wir leben, zu überwinden. Und das beruht auf Gegenseitigkeit: Wir kämpfen für das Land und das Land stützt uns. Und zwar auf dieselbe Weise, wie es das für alle Generationen vor mir getan hat.“
Übersetzung: Lisa Freudlsperger
Umweltaktivist*innen im Kampf gegen die Klimakrise in den Amerikas von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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