
Foto: Jerrye & Roy Klotz via wikimedia
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(Lima, 2. Mai 2025, Tierra Viva).- Die Regionalregierung von Puno hat eine Verordnung verabschiedet, die den Titicacasee als Rechtssubjekt anerkennt und die Beteiligung der indigenen Bevölkerung an der zuständigen nationalen Verwaltungsbehörde festlegt. Aymara- und Quechua-Frauen hatten dies angesichts der fortschreitenden Wasserverschmutzung und der Auswirkungen auf ihre Kosmovision und die indigene Landwirtschaft gefordert.
Der Regionalrat von Puno erkannte den Titicacasee als „Rechtssubjekt“ an, legte das Recht auf Beteiligung der indigenen Bevölkerung an der Verwaltung dieses Wassereinzugsgebiets fest und würdigte den spirituellen Wert des Sees. Der Titicacasee ist der größte Binnensee Südamerikas und der Höchstgelegene der großen Seen der Welt. Den Beschluss zur Erklärung seiner Rechte hatte die Organisation der Aymara- und Quechua-Frauen für den Schutz des Wassers und des Titicacasees in Puno vorangetrieben. Ihre Vorsitzende Soraya Poma Cotrado erklärt: „Für uns als indigene Frauen und Bäuerinnen ist der See unsere ‚Qhuta mamá‘ (Mutter See), er ist Leben, und deshalb haben wir dafür gekämpft.“
Der Titicacasee liegt 3810 Meter über dem Meeresspiegel an der Grenze zwischen Peru und Bolivien und hat eine Fläche von 3300 Quadratkilometern. Er ist ein riesiges Wasserreservoir und eine Quelle des überlieferten Wissens der indigenen Völker der Anden. Er ist Teil des größten Wassersystems Lateinamerikas, das aus dem Titicacasee und den Flüssen Desaguadero, Poopó und Salares besteht. Wie Poma Cotrado berichtet, war die Verabschiedung der Verordnung nicht einfach.
Artikel 5: der umstrittenste Punkt
„Dieser Artikel sah vor, dass die Kleinbauern- und Indigenenorganisationen und -gemeinden in die Beteiligung einbezogen werden müssen. Es war ein Kampf, wir hatten mehrere Treffen mit den Behörden. Wir haben deutlich gemacht, wie wichtig der Titicacasee ist und wie wir ihn wertschätzen und schützen müssen“, betont sie. Die Organisation hat Niederlassungen in den dreizehn Provinzen der Region Puno. Im Jahr 2024 begannen sie mit der Ausarbeitung der Verordnung und der politischen Lobbyarbeit für deren Verabschiedung. Die Verordnung erkennt die Regionalregierung von Puno sowie die umliegenden indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften als Hüterinnen und Vertreterinnen des Sees an und gewährt ihnen ein gerechtes und gendersensibles Mitbestimmungsrecht. Sie legt fest, dass Verwaltungsentscheidungen, die den See betreffen, gemäß dem Übereinkommen 169 der ILO zuvor mit den indigenen Völkern konsultiert werden müssen. Die ILO 169 besagt, dass „die Anerkennung dieser Rechte auf dem Gewohnheitsrecht der indigenen Völker und den Grundsätzen der Umweltgerechtigkeit beruht“.
Die Regionalregierung Puno, die für den Titicacasee zuständig ist, erkannte mit der Verordnung auch an, dass der See ein Recht auf Leben und die Erhaltung seiner ökologischen Unversehrtheit hat. Schützenswert sind nach dieser Rechtsauffassung die natürliche Regeneration seiner Wasserkreisläufe, seine Artenvielfalt, die Freiheit von Verschmutzung und von Aktivitäten, die seinen natürlichen Zustand beeinträchtigen, sowie die Wiederherstellung im Falle von Umweltschäden. Zudem hat der See ein Recht auf Vertretung durch Einrichtungen, die für seinen Schutz und Erhalt sorgen.
Ausarbeitung der Bestimmungen innerhalb der nächsten vier Monate
Julio César Mejía Tapia ist Direktor des Instituts für Recht, soziale Teilhabe und Umwelt in Puno und Rechtsberater der indigenen Frauenorganisation, die die Verordnung initiiert hat. Er erklärt, dass nach der Verabschiedung nun die Regierung von Puno die Verordnung veröffentlichen muss. Anschließend hat sie 120 Tage Zeit, um die Durchführungsbestimmungen auszuarbeiten, mit denen die anerkannten Rechte in Kraft treten. Zu den rechtlichen Aspekten führte er aus: „Wir haben eine Bestandsaufnahme vorgenommen und die Rechte festgelegt, die dem Titicacasee zustehen, mit dem Ziel, ihn zu dekontaminieren, zu erhalten, zu schützen und die umliegenden indigenen Völker sowie die repräsentativen Organisationen einzubeziehen, die sich dem Schutz und der Pflege des Gewässers widmen.“ Mit dieser Verordnung verpflichtet sich die Region Puno, die Werte und das Wissen der Vorfahren in ihre Politik und Strategien zum Schutz des Titicacasees einzubeziehen. „In der Regelungsphase werden die Sanktionen für diejenigen, die den See verschmutzen, sowie die Beteiligung der indigenen Völker am Gewässerrat der Region Puno, der der Nationalen Wasserbehörde untersteht, festgelegt“, erklärte er. Auf bolivianischer Seite werde derzeit eine ähnliche Verordnung ausgearbeitet. Poma Cotrado erklärte, dass sie als indigene peruanische Frauen in diesem Sinne mit bolivianischen Frauenvertreterinnen zusammenarbeiten.
Eine historische Schuld gegenüber den indigenen Völkern begleichen
Für Mejía Tapia bedeutet dieser Schritt, „die historische Schuld der lateinamerikanischen Staaten, beispielsweise Perus, gegenüber ihren indigenen Völkern zu begleichen, weil damit ihr überliefertes Wissen gewahrt wird bzw. gewahrt werden soll. Die indigenen Völker haben eine spirituelle und kulturelle Beziehung zur Pachamama (Mutter Erde) und zu den Wasserquellen. Diese Verordnung ist Teil des Versuchs, diese historische Schuld zu begleichen, indem ihr Wissen und ihre Beteiligung an der Staatsführung einbezogen werden. Sie greift eine andere Denkweise auf, eine andere Art der Verwaltung, eine andere Sichtweise, die die indigenen Völker schon immer hatten, nämlich nicht nur eine wirtschaftliche Beziehung, sondern eine engere Beziehung zur Natur.“
Gesundheitsgefährdung durch verschmutztes Wasser
Studien der Nationalen Wasserbehörde (ANA) aus den letzten Jahren kamen zu dem Ergebnis, dass der Fluss Torococha stark verschmutzt ist. Er enthält giftige Substanzen, die die Grenzwerte überschreiten. Dadurch wird der Fluss, der in den Coata mündet und schließlich in den Titicacasee fließt, zu einer Gefahr für die Gesundheit der Menschen, die an seinen Ufern leben. Ein weiterer Bericht der ANA warnte vor 15 Verschmutzungsquellen im Fluss Coata. Vier davon sind Abwässer aus dem Bergbau, die übrigen sind Einleitungsstellen für Abwässer. Der Bericht weist außerdem auf hohe Konzentrationen von Metallen wie Mangan, Blei, Thallium und Zink sowie auf die Existenz von fäkalen Colibakterien hin, die aus den Abwässern der Städte Vilavila und Juliaca stammen. „Obwohl es in Peru Vorschriften gegen Umweltverschmutzung gibt, werden weiterhin Bergbau- und Industrieabfälle in den Titicacasee geleitet, weil es niemanden gibt, der ihn juristisch verteidigt“, erklärt Mejía Tapia und fügt hinzu: „Es gibt nichtidentifizierten Kleinbergbau und Bergbauaktivitäten, deren Umweltverschmutzung erfasst werden muss. Die Verschmutzung ist nachgewiesen, aber es mangelt seitens des Staates an der Identifizierung der Verursacher.“
Im Jahr 2024 bestätigte die Zivilkammer von Juliaca das Urteil des Zweiten Zivilgerichts von Juliaca (verkündet im September 2023), das mehrere staatliche Stellen für die unhygienischen und unwürdigen Lebensbedingungen der Bewohner*innen der Bezirke Coata, Huata, Capachica und Caracoto verantwortlich macht, die der Umweltverschmutzung durch den Fluss Torococha, das Coata-Becken und den Titicacasee ausgesetzt sind: die Regionalregierung von Puno, die regionale Gesundheitsbehörde (Diresa) von Puno, die Provinzverwaltung von San Román, die Abwasserentsorgungsbehörde des Bezirks Juliaca (SEDA-Juliaca) und das Ministerium für Wohnungsbau, Bauwesen und Sanitärversorgung.
Ernteerzeugnisse schmecken nicht mehr
„La Qhuta mamá ist unsere kleine Fee, und sie ist sehr krank“, sagt Poma Cotrado. In der Weltanschauung der Indigenen steht der See in Verbindung mit den Bergen, und an seinen Ufern wächst ‚qhuta t’aurapa‘ (Wolle des Sees), die ihnen anzeigt, wann es eine gute Ernte geben wird. Wenn sich das Wasser verdunkelt, bedeutet dies, dass es regnen wird. Die Familien in der Region bauen Kartoffeln, Gerste, Quinoa und Weizen an. „Durch die Verschmutzung schmeckt das, was wir anbauen, nicht mehr so wie früher. Es gibt Menschen, die an einer Schwermetallvergiftung leiden. Wir hoffen, dass die zuständigen Behörden endlich aufwachen. Die Insel Uros in der Mitte des Sees ist eine Touristenattraktion, aber von dort werden Abwässer in den See geleitet“, beklagt die Vorsitzende der Vereinigung.
Rechtliche Präzedenzfälle
In Peru hat das Gericht von Nauta aufgrund der Klage der Frauen des Volkes der Kukama im Jahr 2022 einen Präzedenzfall geschaffen, indem es die Bedeutung von Gewässern und die Notwendigkeit wirksamer Schutzmechanismen, in diesem Fall für den Marañón-Fluss, anerkannt hat. Diese Anerkennung war ein bedeutender Schritt, weil damit ein ökozentrisches Paradigma für die Bewirtschaftung des Flussgebiets geschaffen und dessen langfristigen Erhalt und die Wiederherstellung angesichts von Umweltbedrohungen garantiert wurde. Außerdem sieht sie die Beteiligung der lokalen Gemeinschaften vor.
Im Jahr 2008 erkannte Ecuador in seiner Verfassung (Artikel 71) an, dass die „Pachamama“ – Mutter Erde – ein Recht auf Existenz, Erhaltung und Regeneration hat. Im Jahr 2010 verabschiedete Bolivien das Gesetz 071 über die Rechte der Mutter Erde und erklärte die Natur zu einem „kollektiven Subjekt von öffentlichem Interesse“. Dieses Gesetz schützt Flüsse und Wälder nicht wegen ihres wirtschaftlichen, sondern wegen ihres spirituellen Werts in der Weltanschauung der indigenen Bevölkerung.
Im Jahr 2016 erkannte das Verfassungsgericht Kolumbiens den Río Atrato als Rechtssubjekt an; dies geschah Reaktion auf den illegalen Bergbau, der ihn zerstörte. Einen ähnlichen Schritt unternahm Ecuador im Jahr 2024 mit dem Río Machángara. Im Jahr 2017 bekräftigte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Gutachten OC-23, dass die Umwelt ein eigenständiges Recht habe und um ihrer selbst willen geschützt werden müsse, nicht nur wegen ihres Nutzens für den Menschen.
Übersetzung: Annette Brox
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