von Silvia Ribeiro*

(Mexiko-Stadt, 06. Oktober 2012, la jornada).- Mit dem Genmais NK 603 von Monsanto gefütterte Labor-Ratten – denen in einer Versuchsreihe zusätzlich Trinkwasser mit Glyphosat, dem am meisten bei Transgenen benutzten Herbizid verabreicht wurde – starben frühzeitig und entwickelten Tumoren sowie schwere Leber- und Nierenschäden. Dies ergab eine jüngst veröffentliche und von Dr. Gilles-Eric Seralini der Universität Caen geleitete Untersuchung.

Keine Vorsichtsmaßnahmen in Mexiko

Die Studie, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Food and Chemical Toxicology“ publiziert und von anderen Wissenschaftler*innen überprüft wurde, hat große Bedeutung, weil es sich um die bisher umfassendste durchgeführte Untersuchung über die Ernährung mit Transgenen handelt. Sie lief über zwei Jahre, den erwarteten Lebenszyklus der Labor-Ratten.

Angesichts der Ergebnisse beschloss Frankreich, die Maiseinfuhr zu stoppen und Verifizierungsstudien zu realisieren. Russland verbot den Import von Genmais. Dagegen ergriff Mexiko, Ursprungszentrum des Mais mit dem weltweit höchsten Anteil an Maiskonsum durch den Menschen, absolut keine Vorsichtsmaßnahmen. Im Gegenteil, Genmais ist weiterhin in verschiedenen Lebensmitteln vorhanden.

Schlimmer noch: Das von Monsanto benutzte Gen 603 ist in den meisten der 15 Pilotaussaaten von Genmais enthalten, die von der Kommission für Bio(un)sicherheit zugunsten Monsantos und anderer Unternehmen genehmigt wurden. Monsanto hat außerdem die Aussaat von 700.000 Hektar Genmais im Bundesstaat Sinaloa für den Handelsverkauf im In- und Ausland beantragt. Dabei handelt es sich um jenen Genmais, der Tumore bei Ratten verursacht hat.

Belege für schwerwiegende Risiken beim Konsum von Transgenen Die Ergebnisse der Seralini-Studie sind besorgniserregend und ergänzen mehrere vorhergehende Untersuchungen, deren Resultate in dieselbe Richtung wiesen. Die Prüfung anderer Studien über Transgene in der Nahrung, die weniger umfassend als die nun veröffentlichten waren, brachte die Amerikanische Vereinigung für Umweltmedizin im Jahr 2009 dazu, ein Moratorium für die Nutzung von Transgenen in Nahrungsmitteln zu fordern.

Die Vereinigung verlangte zudem striktere Studien vor einer Genehmigung und rief Ärzt*innen auf, ihre Patient*innen dahingehend zu beraten, gentechnisch veränderte Produkte meiden. Bereits damals listete sie auf der Grundlage von Tierversuchen die Belege für schwerwiegende Risiken beim Konsum von Transgenen auf, darunter Unfruchtbarkeit, Störungen des Immunsystems, beschleunigtes Altern und Genstörungen, die mit der Cholesterin-Synthese und der Insulinregulierung verknüpft sind, sowie Veränderung in Leber, Nieren, Milz und Magen-Darmtrakt.

Pseudowissenschaftliche Attacken auf Seralini-Studie

Wenn dies schon ernste Angelegenheiten sind, so verhält es sich genauso mit den pseudowissenschaftlichen Attacken auf die Untersuchung von Seralini. Sie sind orchestriert von Unternehmen wie Monsanto und von Zentren für die „wissenschaftliche“ Informationsverbreitung wie dem „Science Media Centre“ in England. Von dort kommt die Kritik an der Untersuchung. Obwohl sie trügerisch ist und es ihr an (wissenschaftlicher) Rigorosität fehlt, ist sie von verschiedenen Medien und anderen Wissenschaftler*innen, die meisten von ihnen sind mit der Biotech-Industrie verbandelt, aufgenommen worden.

Diese Zentren verfügen über viele Mittel für massive Kampagnen. Es reicht, sich die Liste der Sponsoren des Science Media Center anzusehen: Sie reicht von Monsanto und Syngenta bis zu den großen Pharma- und Chemiemultis.

Offener Brief unabhängiger Forscherinnen

Von den Multis unabhängige ForscherInnen haben als Reaktion einen offenen Brief geschrieben, in dem sie dies anprangern und auf die Kritik antworten. Der Brief ist unter anderem von den Wissenschaftler*innen Ann Clark (Kanada), Arpad Pusztai und Susan Bardocz (Ungarn), Jack Heinemman (Neuseeland), Michael Hansen (Verbrauchervereinigung, USA), Allison Wilson und Jonathan Latham (The Bioscience Resource Project) unterschrieben und hat den Titel „Seralini und die Wissenschaft: ein offener Brief“. Im Netz ist er mehrfach einsehbar, unter anderem unter http://independentsciencenews.org/.

Die Unterzeichner*innen weisen darauf hin, dass alle wissenschaftlichen Experimente, die Risiken bei den Transgenen fanden, Zielscheibe aggressiver Verfolgung und Angriffe gewesen sind, bis hin in den persönlichen Bereich. Sie listen mehrere Fälle auf, einschließlich den des mexikanischen Forschers Dr. Ignacio Chapela, der 2001 die Kontamination mit Genmais in Mexiko offenlegte und daraufhin fast seine Stelle an der Universität Berkeley verloren hätte. In seinem Fall konnte eine Kampagne nachgewiesen werden, welche die vielfach von Monsanto angeheuerte Werbeagentur Bivings Groups organisiert hatte.

Seltsame Seilschaften

Es wäre interessant, wenn die mexikanischen Kritiker*innen der Seralini-Studie (beispielsweise einige Biotechnologen des Cinvestav-IPN) erklären würden, welches ihre Interessenkonflikte sind und wie ihre Beziehung zur Gentechnik-Industrie und vor allem zu Monsanto aussieht. Denn dieses Unternehmen finanziert seit Jahren Programme des Cinvestav.

Diese Art von Beziehungen können erklären, dass viele der Kritiken, die gegenüber der Seralini-Studie vorgebracht werden (unter anderem, dass nur wenige Ratten in jeder Gruppen benutzt wurden, dass die Ratten zu einer tumoranfälligen Rasse gehörten, dass die Nahrung nicht eingeschränkt war), niemals gegenüber Monsanto und den übrigen Gentech-Multis zur Anwendung kamen.

Diese nutzten für ihre Experimente dieselbe Zahl und denselben Typ Ratten und schränkten ebenso wenig die Nahrung ein. Solange keine negativen Ergebnisse über die Transgene veröffentlicht wurden, war es diesen Wissenschaftler*innen, die nun Seralini wegen fehlender Strenge angreifen, egal, dass Monsanto dieselbe Methode anwand.

Festhalten an Desinformation der VerbraucherInnen

Eine weitere in dem offenen Brief erwähnte Tatsache ist, dass die Studien über Transgene in der Regel von der Industrie selbst angelegt werden und die Regulierungsbehörden dies akzeptieren. Die Studien laufen nur über eine kurze Zeit. Damit wird das Auftreten vieler Probleme vermieden. In Mexiko und auf der ganzen Welt werden die Transgene auf der Grundlage von Untersuchungen der Unternehmen selbst, aber nicht auf der Basis von unabhängigen Studien oder Experimenten genehmigt.

Das Experiment führt Monsanto an der ganzen Bevölkerung durch. Wir können nicht feststellen, ob es Transgene in den von uns verzehrten Lebensmitteln gibt, weil es die Multis selbst sind, die eine Etikettierung mit allen Mitteln bekämpfen. Aus welchem Grund, wenn ihren Aussagen nach, überhaupt keine Schäden auftreten?

* Forscherin der ETC-Group

Der Originalartikel erschien am 6. Oktober 2012 in der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada„.

Übersetzung: Entre Campos- Entre Pueblos

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