Poonal Nr. 593

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 7. Oktober 2003

Inhalt


BOLIVIEN

CHILE

MEXIKO

ARGENTINIEN

URUGUAY

ECUADOR

PUERTO RICO

GUATEMALA

BRASILIEN


BOLIVIEN

Tausende auf den Straßen gegen „Goni“

(La Paz, 30. September 2003, alai-poonal).- Bereits am zweiten Tag des Generalstreiks blieben die bolivianischen Hauptstraßen für mehrere Stunden teilweise blockiert. Arbeiter, Studenten und Händler besetzten die großen Straßen, um gegen die Regierungspolitik zu protestieren. Sie forderten die Wiederverstaatlichung der Gas- und Erdölindustrie.

In den Städten La Paz, Cochabamba, Potosí und Oruro bewegten sich die Demonstranten aus den Wohnvierteln Richtung Zentrum. Auf ihrem Weg schlossen sie die kleinen Geschäfte und Läden. Die großen Handelsketten ließen selbst Metallgitter herunter und verschlossen aus Vorsicht vor Konflikten mit den Demonstranten ihre Türen.

In La Paz wirkten als eine der Hauptakteure des Protestes die Lehrer aus den ländlichen Gebieten. Zudem nahmen an dem dort von der Gewerkschaft Central Obrera aus La Paz einberufenen Protest die städtischen Lehrer, Fabrikarbeiter, ein Teil des Innungswesens, der Universitätsangestellten und Akademiker teil.

In den anderen Städten im Landesinneren kam es ebenfalls zu lautstarkem aber friedlichem Protest. Bei allen Aktionen wurde der Rücktritt von Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada (Goni) gefordert. Der Protest richtete sich gegen den Gasexport in die Vereinigten Staaten. Dieses Geschäft bringt den transnationalen Unternehmen 1,3 Milliarden Dollar, dem bolivianischen Staat aber nur knapp 40 bis 70 Millionen Dollar.

Gemäß einer ersten Bilanz der Gewerkschaften kommt die Stärke der Aktionen vor allem durch die Blockaden der Bauern des Altiplanos und die permanenten Demonstrationen in den Städten zum Ausdruck. Diese Demonstrationen lösen immer mehr Unruhe besonders unter Geschäftsleuten und in Bereichen der Mittelschicht aus. „Wir sind sehr besorgt über die Blockaden und Demonstrationen. Wir können bereits nicht mehr arbeiten und befinden uns in einer unklaren Situation, in Beklemmung, wir wissen nicht was morgen sein wird“, beschwert sich Roberto Mustaffá, der Vizepräsident der Vereinigung privater Unternehmer Boliviens.

In einem Gespräch mit Radio Panamericana sagte Mustaffá, dass „die Unternehmer seit zwei Wochen ihre Produkte nicht mehr zu den Verkaufszentren transportieren können. Außerdem können wir auch keine neuen Rohstoffe importieren, weil sie in den Häfen stecken bleiben.

Politiker aller Fraktionen weisen Freihandelsvertrag mit Chile zurück

(La Paz, 30. September 2003, adital-poonal).- Der Freihandelsvertrag TLC (Tratado de libre comercio), der Ende 2003 mit Chile unterzeichnet werden soll, würde in weniger als fünf Jahren die bolivianische Industrie platt machen. Das versicherten diese Woche Kongressabgeordnete verschiedener Fraktionen. Regierungsverantwortliche von Bolivien und Chile begannen im vergangenen Jahr mit Gesprächen, die den Abschluss eines Freihandelsabkommens zum Ziel haben. Dieser Vertrag soll zunächst die Zollgebühren auf bolivianische Produkte über den Zeitraum von fünf Jahren hinweg abschaffen. Danach sollen die Steuern für Chile aufgehoben werden.

Für den Abgeordneten der Neuen Republikanischen Kraft (Nueva Fuerza Republicana, NFR) Jhonny Antezana zeigt die Geschichte, dass Verträge, die mit Chile unterzeichnet worden seien, immer einen Verlust für Bolivien dargestellt hätten. So beispielsweise die Regelung des Zugangs zum Pazifik. Die erste Vizepräsidentin der Unterkammer und Abgeordnete der Bewegung der Linken Revolution (Movimiento de la Izquierda Revolucion- MIR) Elsa Guevara meinte, dass es unerlässlich sei, einen Informationsprozess einzuleiten, der das Thema transparent mache. Nicht zuletzt deshalb, weil der Vertrag, wenn er Ende des Jahres uinterzeichnet werden solle, auch das Thema des Kohlenwasserstoffs beinhaltete.

Antonio Peredo von der Bewegung zum Sozialismus (Movimiento Al Socialismo – MAS) versicherte, dass die Unterschrift dieses bilateralen Abkommens Bolivien die schlechtesten Bedingungen bieten würde und auf den Sturz der bolivianischen Industrie abziele. „Es handelt sich nicht um eine Politik, die unsere Rechte konserviert. Das Abkommen bietet keinen Schutz für eine produktive Entwicklung des Landes. Chile drängt darauf, dass das Abkommen unterzeichnet wird, weil es das Thema Kohlenwasserstoff beinhaltet. Das Ziel: Chile will das Gas umsonst haben. Der Staat kauft das Produkt bei uns zu niedrigen Preisen, um es uns zu hohen Preisen wieder zu verkaufen,“ sagte Antonio Peredo.

CHILE

Lagos setzt Kommission zur Entschädigung von Folteropfern in Gang

(Santiago de Chile, 30. September 2003, alc-poonal).- Der chilenische Präsident Ricardo Lagos hat den katholischen Bischof Sergio Valech zum Vorsitzenden einer Spezialkommission ernannt, die Fälle von ehemaligen politischen Häftlingen und Gefolterten während des Militärregimes beurteilen soll. Die Betroffenen sollen „eine geringe aber symbolische Entschädigung“ erhalten, die die Exekutive festlegen wird“.

Lagos hat am 26. September eine Verordnung unterschrieben, mit der die Kommission in Gang gesetzt wurde. Der Staatschef erklärte, dass das Gremium ähnliche Zuständigkeiten haben werde wie die so genannte Kommission Rettig, die Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur von August Pinochet erforscht hat.

Weitere Mitglieder der Kommission sind die Assistentin für Soziales und Sprecherin der „Pfarrei der Solidarität“ Maria Luisa Sepúlveda, die die Vizepräsidentschaft übernimmt; der Exbeauftragte der Dialogrunde Mesa de Diálogo und des Menschenrechtsprogramms Luciano Foullioux und der ehemalige Justizminister José Antonio Gómez sowie Miguel Luis Amunátegui, Lucas Sierra und Alvaro Varela.

Die Kommission ist damit beauftragt, eine Liste mit den Namen derer anzufertigen, die während des Militärregimes aus politischen Gründen festgenommen oder zu Folteropfern wurden.

Mapuches zu Haftstrafen verurteilt

(Montevideo, 29. September 2003, púlsar).- Die beiden Mapuches Pascual Pichún Paillalao und Aniceto Norín Catrimán wurden am 22. September zu fünf Jahren und einem Tag Gefängnis verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, Landbesitzer terroristisch bedroht zu haben. Angeklagt waren sie wegen Brandanschlägen auf zwei Grundstücke in der Neunten Region im Dezember 2001. Weil es sich dabei um ein als umstürzlerisch geltendes Delikt handelt, können die beiden Verurteilten nicht auf Hafterleichterungen hoffen.

In einem früheren Verfahren waren die beiden Angeklagten freigesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof hob diesen Beschluss aber auf, weil er der Ansicht war, dass das Urteil die von den Geschädigten vorgebrachten Beweise nicht gewürdigt hätten.

MEXIKO

UNO untersucht Frauenmorde in Ciudad Juárez

(Montevideo, 29 September 2003, púlsar).- Nach Informationen der mexikanischen Staatsanwaltschaft, reiste eine Gruppe von Experten der Vereinten Nationen nach Ciudad Juárez, um die Morde an Hunderten von Frauen zu untersuchen.

Ciudad Juárez liegt an der Grenze Mexikos zu den USA und ist einer der Hauptsitze der Drogenkartelle. Seit 1993 sind dort etwa 300 Frauen ermordet worden. Viele der Opfer wurden nach einem ählichen Schema gefoltert und missbraucht. Bislang ist es den mexikanischen Behörden nicht gelungen, die Mordserie aufzuklären.

Die Vertreter der UNO-Kommission für Drogen und Kriminalität trafen sich mit den Staatsanwälten, den Ermittlern und Pathologen, um Licht ins Dunkel der Morde zu bringen. Erst kürzlich bemängelte Amnesty International, dass die mexikanischen Autoritäten nicht die notwendigen Untersuchungen in die Wege geleitet hätten, die zur Aufklärung der Verbrechen notwendig seien. Außerdem erklärte die Menschenrechtsorganisation, dass es unverzeihliche Verzögerungen bei den Ermittlungen und Mängel im Umgang mit wichtigem Beweismaterial gegeben habe.

ARGENTINIEN

Israel erhebt keine Anklage

(Montevideo, 26. September 2003, comcosur-poonal).- Ein israelisches Komitee, das das Verschwinden von mindestens 1000 argentinischen Juden während des „schmutzigen Krieges“ untersucht hatte, kam zu dem Ergebnis, dass die notwendigen Beweise fehlen, um eine Auslieferung von Ex-Militärs zu fordern, welche an den Misshandlungen und Ermordungen beteiligt gewesen waren.

Dennoch hat das Komitee empfohlen, eine Untersuchung über die Anschuldigungen der Angehörigen der Opfer durchzuführen. Diese werfen der israelischen Regierung vor, nicht genug unternommen zu haben, um die aus politischen Gründen verhafteten Juden zu befreien. Der israelische Staat habe in erster Linie seine Waffenverkäufe an die argentinische Diktatur nicht gefährden wollen, hieß es.

Das israelische Parlament verabschiedete eine Resolution, in der die Auslieferung argentinischer Offiziere gefordert wird, die an der Ermordung von Juden beteiligt waren. In der Resolution wird die Regierung in Buenos Aires aufgefordert, die Massengräber zu öffnen, damit die Opfer in Israel beerdigt werden können. Die Untersuchung dauerte drei Jahre. Dabei wurde zwar die Forderung nach der Exhumierung der sterblichen Überreste der Opfer verabschiedet, rechtliche Grundlagen zur Auslieferung argentinischer Militärs wurden jedoch nicht gefunden. Die Entscheidung rief bei den Angehörigen der Opfer Empörung hervor. Sie kritisierten den Beschluss scharf.

URUGUAY

Mehr als 3000 Kinder leben auf der Straße

(Montevideo, 1. Oktober 2003, recosur).- Mehr als 3.100 Kinder und Jugendliche leben auf den Straßen von Montevideo und in dessen Vorstädten. Die Untersuchung führte die Nichtregierungsorganisation Gurises Unidos und die Europäische Union durch. Sie war die erste Untersuchung in Uruguay dieser Art. Die Untersuchung zeigt, dass 1986 Kinder und Jugendliche morgens auf der Straße leben, während es am Nachmittag 1889 sind. Es sind hauptsächlich die Jungen, die auf der Straße leben. Am Tag sind 75 Prozent Jungen unterwegs, und dies steigert sich bis zu 84 Prozent in der Nacht. Die Kinder und Jugendlichen sind zwischen sechs und 17 Jahre alt.

ECUADOR

Pachakutik-Kongress zieht Bilanz nach Regierungsbeteiligung

Von Eduardo Tamayo G.

(Quito, 29. September 2003, alai-poonal).- Auf ihrem dritten Kongress zog die indigene Pachakutik-Bewegung eine Bilanz ihrer kurzzeitigen Regierungsbeteiligung. Sie beschloss zudem, in eine strikte Opposition zur Regierung des Präsidenten Lucio Gutierrez zu gehen. Gutierrez ist Bündnisse mit Sektoren der Rechten eingegangen und scheint bestrebt, die Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) um jeden Preis zu erfüllen.

Der Kongress fand vom 25. bis zum 27. September in Riobamba statt. Es nahmen 650 Abgeordnete teil, die meisten davon waren Indígenas und Bäuer*innen. Das wichtigste Thema bildete die Regierungsbeteiligung, auf die sich Pachakutik von Januar bis August 2003 mit der Partei der Patriotischen Gesellschaft (PSP) des Präsidenten Gutierrez eingelassen hat. Außerdem standen die neuen Herausforderungen und Perspektiven der 1995 aus sozialen Bewegungen heraus entstandenen Bewegung Pachakutik im Mittelpunkt.

Hinsichtlich der Beteiligung am Bündnis, das Gutierrez an die Regierung brachte, stimmten die Kongressteilnehmer*innen darin überein, dass sie „nicht auf das Regieren vorbereitet waren“ und dass sie Gutierrez nicht unterstützt hätten, um „die Wahlen zu gewinnen, sondern einen ehrenhaften dritten Platz zu erringen“. Aus der Beteiligung der Pachakutik am Außenministerium, Landwirtschaftsministerium und am Ministerium für Bildung habe man positive Erfahrungen gewonnen. Die Bevölkerung habe unterstützt, dass sich die Politik der Pachakutik an den Prinzipien von direkter Beteiligung, Dialog, Ethik und Transparenz ausgerichtet hatten und dass die Organisation bestrebt gewesen sei, neue Formen der Verwaltung aufzuzeigen.

Negativ sei zu bewerten, dass sich ihre eigene Politik lediglich an der aktuellen Wirtschaftslage orientiert habe, statt längerfristig zu planen; dass sich die Bewegung den Kopf über die Besetzung der Regierungsposten zerbrochen hatte, dass die Einheit mit der Konföderation der Indigenen Völker von Ecuador (CONAIE) und dem Dachverband der sieben indigenen Völker der Amazonasregion CONFENIA aufgelöst wurde, dass sich die drei Organisationen bei den Verhandlungen mit Gutierrez uneinig gezeigt hatten; dass die Mobilisierung der Basis vernachlässigt wurde und alte Fehler wiederholt wurden. Letzteres etwa beim lästigen Streit um Pöstchen. Statt über programmatische Punkte zu diskutieren habe es sogar Fälle von Vetternwirtschaft und Bevorzugung von Indígenas respektive Mestizen gegeben.

Nach dem Scheitern des Bündnisses mit Gutierrez entschied sich die Pachakutik-Bewegung nun für eine Schärfung ihres eigenen politischen Profils. Aus diesem Grund wird sie 2004 lediglich an Regionalwahlen antreten. Es wurde die Notwendigkeit betont, sich auf die lokalen Strukturen zurückzuziehen und von da aus eine Gegenmacht von unten aufzubauen, denn „ohne eine soziale Basis ist es nicht möglich, auf gesamtstaatlicher Ebene eine Alternativmacht zu etablieren“.

Außerdem wurde auf dem Kongress beschlossen, das Spektrum möglicher politischer Bündnisse mit anderen Bewegungen und sozialen Sektoren, speziell in den Städten und der Küstenregion, zu erweitern und zu vertiefen. Bislang wurde die Pachakutik-Bwegung als der politischer Arm der CONAIE identifiziert. Ihr Bestreben ist es allerdings, eine nationale Bewegung zu begründen, die alle armen Bereiche der Gesellschaft einschließt. Zum Schluss wurde noch einmal betont, dass die Pachakutik eine politische Bewegung bleiben solle und dass ausgeschlossen werde, dass sie zu einer Partei wird.

PUERTO RICO

In Vieques wird die Schließung der US-Militärbase Roosevelt Roads gefeiert

(Puerto Rico, 1. Oktober 2003, adital-poonal).- Das Komitee für die Befreiung und Entwicklung von Vieques CPRDV (El Comitè Pro Rescate y Desarrollo de Vieques) zeigte sich zufrieden über die Schließung der Militärbase Roosevelt Roads. Durch die Militärbase waren wesentliche Teile der Region um Ceiba und Naguabo auf der puertoricanischen Insel Isla Grande von Militärs besetzt.

„Die Schließung dieser militärischen Einrichtung repräsentiert einen großen Sieg für den Frieden und gegen den Krieg,“ sagten die Sprecher der „Gruppe Viequense“. Nach Worten der Führer des Kampfes, der nun die siebzigjährige Militärpräsenz und eine ebenso lange Zeit kriegerischer Aktivitäten beendet, wird die Schließung von Roosevelt Roads und die Wiedergewinnung dieses puertoricanischen Territoriums positive Auswirkungen für das Land haben.

Neben der wirtschaftlichen Reintegration der Region mit ihren meilenweiten kostbaren Stränden und anderen wichtigen natürlichen Ressourcen, der Infrastruktur des Flughafens, dem Hafenzugang, dem Krankenhaus, den Schulen, den Wohnungen, der Wasser- Elektrizitäts- und Telefonversorgung werde man nun die Infrastrukturen nützen können, um die Lebensqualität der Puertoricaner zu verbessern, anstatt den Tod von diesem Ort aus in Form der Armee zu verbreiten.

Das Projekt zur Schließung hatte die föderale Kommission für Mittelzuweisung militärischer Einrichtungen des US-amerikanischen Kongresses in der vergangenen Woche erarbeitet. Die Militärbase Roosevelt Roads war die größte, die die USA außerhalb des eigenen Festlandes besaßen.

GUATEMALA

Regierungspartei FRG manipuliert die Landbevölkerung

(Sololá, 30 September 2003, cerigua).- Die Parteiführer der Guatemaltekisch Republikanischen Front (FRG) verschenken derzeit Düngemittel, Folien und andere agrarwirtschaftliche Geräte unter der Landbevölkerung, um sie so davon zu überzeugen, dass die derzeitige Regierung zum Vorteil des Staates gearbeitet hätte. Nach Informationen von Susana Mendoza, der Vorsitzenden der Vereinigung der Jugendlichen von Sololá, finanziert die FRG diese Geschenke zudem mit Steuergeldern.

Nach Angaben Mendozas ist die Landbevölkerung am stärksten den Manipulationsversuchen der FRG ausgesetzt. Aufgrund des mangelnden Informationsflusses in den ländlichen Gebieten werde die Bevölkerung so dem Glauben überlassen, sie müsse die angenommenen Geschenke mit ihrer Stimme bezahlen.

General Efraín Ríos Montt, der Präsidentschaftskandidat der FRG, gilt als Verantwortlicher für die während des Bürgerkriegs verübten Massaker und Erschießungen. Aus diesem Grund und in Übereinstimmung mit Artikel 186 der Verfassung werde seine Präsidentschaftskandidatur in Frage gestellt, erklärte Susana Mendoza. Gemäß Artikel 186 ist Montt eine Ausübung des höchsten Staatsamtes wegen seiner früheren Aktivitäten untersagt.

Die Jugendlichen sollten die Rolle von Wahlbeobachter bzw. -beratern in den besonders sensiblen Wahlkreisen übernehmen, um so eine vernünftige und selbstbestimmte Wahl am kommenden 9. November zu gewährleisten, sagte Mendoza weiter. Sie bekräftigte zudem noch einmal, dass die Vergabe von Düngemitteln und anderen Geschenken keine Begründung für die Bürger darstellen sollte, die Regierungspartei zu wählen. Bei diesen Produkten handele es sich um internationale Spenden. Die Fortsetzung der Unterstützung Guatemalas durch die internationale Gemeinschaft sieht Mendoza nach einem Wahlsieg Ríos Montt zudem sogar als gefährdet an.

Journalistinnen von La Cuerda bedroht

(San José, 26. September 2003, sem-poonal).- Die guatemaltekische Gruppe feministischer Journalistinnen La Cuerda erhielt diesen Monat einen telefonischen Drohanruf mit der eindeutigen Warnung zur Vorsicht bei ihren Stellungnahmen gegen die Politik der Regierung. „Wir wissen, dass Sie Regierungsgegner sind. Es wäre besser, sie würden auf sich Acht geben“, warnte eine Stimme, die sich natürlich nicht zu erkennen gab, übers Telefon.

„Wir betrachten diesen Anruf als eine erste Warnung und hoffen, dass es keine weiteren geben wird. Es wäre jedoch nicht ungewöhnlich, da es bereits anderen Organisationen auch so ergangen ist. Ziel ist es, die Gruppe zu erschrecken, zu verängstigen und so zum Schweigen zu bringen“, meinte Anamaría Cofiño, Herausgeberin der Zeitschrift La Cuerda. Die Zeitschrift erscheint monatlich und ist das einzige feministische Medium mit großer Auflage in Guatemala.

Man führe hier einen „Krieg niederer Intensität“ gegen regierungskritische Bewegungen sowie jene, die die parallelen Mächte in Frage stellten oder das Ende der Straflosigkeit forderten. Laut Cofiño war die Botschaft speziell an Claudia Samayoa gerichtet. Die Journalistin hatte einen Artikel über die Ermordung von mehr als 200 guatemaltekischen Frauen während der ersten sechs Monate dieses Jahres geschrieben.

Cofiño erklärte, dass weitere Einschüchterungsstrategien darin bestanden hätten, die betroffenen Personen zu Hause anzurufen und sich als Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmen auszugeben. Oft würden diese Anrufe zu jeder Zeit während der Nacht wiederholt, ohne verständliche Nachrichten zu hinterlassen. Manchmal höre man nur Schreie, Geflüster oder sonstige Geräusche. Die Anrufer gingen wie auch in diesem Fall mit Beleidigungen, Beschimpfungen oder anonymen Nachrichten vor. In einigen Fällen habe es sich auch um Briefe gehandelt, in denen Personen namentlich angeklagt worden seien, Kommunisten zu sein.

Bereits zuvor hatte La Cuerda von Bedrohungen gegen Carmen Morán Cruz berichtet. Die Korrespondentin der Nachrichtenagentur Cerigua in Baja Verapaz war mit dem Tod bedroht worden, sollte sie ihre Arbeit nicht niederlegen. Im Laufe dieses Jahres gab es bereits fünf Angriffe auf Cerigua: physische Übergriffe, Überfälle, sowie ein Autoeinbruch und Diebstahl von Informationsmaterial. Dies wurde über das Internationale Netzwerk für freie Meinungsäußerung bekannt und an das Innenministerium weitergegeben, berichtet Cofiño.

BRASILIEN

Erlaubnis für gentechnisch verändertes Saatgut

(Montevideo, 26. September 2003, comcosur-poonal).- Nach einer intensiven Auseinandersetzung hat Brasiliens Regierung den Anbau von gentechnisch verändertem Soja erlaubt. Bisher hat Brasilien diese Frage nicht gesetzlich geregelt, doch der Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut wuchs im Verborgenen stetig.

Greenpeace kündigte an, dass die Organisation die Verordnung vom Gericht aufheben lassen will. Nach Worten von Greenpeace-Sprechern sei die provisorische Verordnung ein Angriff auf die Entscheidung der Gerichte. Gemäß einer Reihe von Studien über den Schaden an der Natur und den Risiken für die Gesundheit hätten diese gegen eine Öffnung des freien Handels mit gentechnisch verändertem Soja entschieden.

Greenpeace zählt auch auf die Gegenwehr der Landlosenbewegung MST (Movimiento de los Trabajadores Rurales sin Tierra), deren Mitglieder sich an diesem Donnerstag vor dem Landwirtschaftsministerium und dem Amt für Agrarreformen versammelt hatten. Der Anführer Joao Paulo Rodrigues sagte, dass die Regierung dabei sei, dem Druck der US-amerikanischen Firma Monsanto nachzugeben, während Millionen von Bauern arm leben und stürben, ohne dass ihnen von der Regierung Land gegeben oder sie in ihrer Produktion unterstützt würden. Monsanto ist Produzent von gentechnisch verändertem Sojasaatgut und profitiert im großen Stil von seinen Patentrechten. Tatiana Carvalho, Beraterin von Greenpeace, erklärte, das gentechnisch veränderte Soja greife die Biodiversität an und gefährde die Gesundheit der Konsumenten.

Kirche unterstützt Landlosenbewegung

Von José Pedro S. Martins

(Sao Paulo, 19. September 2003, na-poonal).- Die besondere Aufmerksamkeit der katholischen Kirche hinsichtlich der Durchführung der Agrarreform erzeugte Spannungen mit der Regierung von Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT (Partido de los Trabajadores).

Der Druck stieg am 3. September. An diesem Tag wurde der Präsident des Nationalen Institutes für Landbesiedlung und Agrarreform INCRA (Instituto Nacional de Colonización y Reforma Agraria) Marcelo Resende entlassen. Er hatte zuvor eine Umstrukturierung des INCRA veranlasst, da das Amt in den letzten Jahren in die Bedeutungslosigkeit geraten war. Zudem wollte er das INCRA in eine effektiv arbeitende Behörde umwandeln, um eine breite Agrarreform durchzuführen.

Die katholische Kirche, vertreten durch die Nationale Bischofskonferenz Brasiliens, war zusammen mit der Landpastorale CPT eine der Lieblingsansprechpartnerinnen Resendes für die Umsetzung der Reformen. Die Entlassung Resendes, eine Entscheidung des Entwicklungsministers für Landwirtschaft Miguel Rossetto wurde sofort von den Führern der CPT kritisiert. Diese erklärten, dass die Entlassung in der Entwicklungsphase des schon lange erwarteten zweiten Nationalen Plans zur Agrarreform stattgefunden habe. Dieser Plan könnte nach Worten der CPT-Führer „jetzt gestoppt werden.“

Der Präsident der CPT, Monsignore Tomás Balduíno, erklärte, dass Resende eine gesetzmäßige Enteignung der unwirtschaftlichen Ackerländer gefördert habe. Die Entlassung Resendes stelle einen halben Sieg einer anderen Auffassung dar, die marktorientiert und mit dem Verkauf und der Verpachtung des Ackerlandes verbunden sei. Diese Idee bedeutet die Umsetzung einer individuellen Vision, die weniger Möglichkeiten biete und gemeinnützigen Denkweisen gegenüber stehe.

Das nationale Forum für die Agrarreform und die Justiz auf dem Land setzte seine Hoffnungen auf Präsident Lula. Das Forum versammelt die wichtigen Organisationen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wie die CPT, die Landlosenbewegung MST und das brasilianische Bündnis für die Agrarreform. „Die Vertreter der Zivilgesellschaft hoffen, dass der Präsident seine Wahlversprechen einhält. Dies bedeutet, dass eine Agrarreform durchgeführt wird, welche die Struktur des aktuellen Systems berücksichtigt und durch die eine große Anzahl Arbeiter in das sozialpolitische Leben des Landes integriert werden kann“, sagte Balduíno.

Die Landpastorale startete auch eine Kampagne gegen die privaten Bürgerwehren. Balduíno erläuterte, dass die Bürgerwehren sich ganz schnell in einigen Regionen im Inneren des Landes verbreitet hätten. Sie würden versuchen, die Bauernorganisationen in Schrecken zu versetzen und zu unterdrücken. Dies erfolge gerade jetzt, da die öffentliche Meinung, die von den Medien beeinflusst werde, die Besetzung von Grundstücken durch Landarbeiter als Banditenunwesen betrachte. Nach Angaben der CPT seien dieses Jahr schon 46 Personen auf dem Land getötet worden. Letztes Jahr seien es nur 43 gewesen.

Der Präsident der Arbeiterpartei PT José Genoíno bestätigte, dass sich die Partei verpflichtet habe, eine friedliche und breite Agrarreform durchzuführen. Diese Reform sei eine Voraussetzung, um den Frieden auf dem Land zu gewährleisten. Allerdings ist Agrarminister Roberto Rodríguez anderer Meinung. Er ist grundsätzlich gegen die Landbesetzung und fordert eine Agrarreform innerhalb der Verfassungsmäßigkeit. Das Recht auf privates Eigentum und Unberührbarkeit des Ackerlandes müsse demnach respektiert werden. Rodríguez unterstützt eine kapitalistische Agrarreform, um eine direkte Anbindung der Siedlungen in die Produktionskette zu ermöglichen.

 

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