Klimagipfel fordert neues Wirtschaftystem

von Andreas Behn

(Berlin, 21. April 2010, npl).- Die Staubwolke über Nordeuropa hat nach Angaben der Veranstalter*innen die Teilnahme von rund tausend Aktivist*innen an dem Klimagipfel in Cochabamba verhindert. Dennoch würden mittlerweile über 20.000 Menschen erwartet, um effektive Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe zu diskutieren, verkündete der bolivianische Außenminister David Choquehuanca. Das Gipfelgelände in der Universidad del Valle in der Vorstadt Tiquipaya gleicht einem Volksfest, wo sich Menschen aus aller Welt den Weg an Infoständen und Musikeinlagen vorbei hin zu den Veranstaltungsräumen bahnen.

Die Mehrheit von ihnen scheute die andine Sonne nicht und fand sich am Dienstag Vormittag zur offiziellen Eröffnung in Stadion von Tiquipaya ein. Gastgeber und Präsident Evo Morales schlug gewohnt radikale Töne an und erklärte den Kapitalismus zum alleinigen Schuldigen an der Erderwärmung. Initiativen wie Emissionshandel oder unverbindliche Selbstverpflichtungen erteilte er eine Absage und forderte statt dessen die Schaffung einen neuen Wirtschaftssystems. “Ein Leben im Einklang mit der Mutter Erde ist nicht möglich, wenn ein Prozent der Menschen 50 Prozent des Reichtums konzentriert,” so Evo Morales. Weniger überzeugend waren hingegen seine Ausführungen zur Schädlichkeit von Coca Cola oder zum höheren Nährwert der bolivianischen Kartoffel im Vergleich zur holländischen.

Zuvor ergriffen Repräsentant*innen der fünf Kontinente das Wort und dankten für die Initiative, dem gescheiterten UN-Klimagipfel von Kopenhagen die Stimmen der Weltbevölkerung und der am meisten vom Klimawandel Betroffenen entgegenzusetzen. Wenig Anklang fand die Grußbotschaft von Alicia Barcena, der Repräsentantin von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Sie plädierte für die Fortsetzung des multilateralen Dialogs im Kampf für die Umwelt und brach nach einem Pfeifkonzert ihr Statement vorzeitig ab.

Derweil arbeiten die 17 offiziellen Arbeitsgruppen in teils überfüllten Räumen weiter an der Formulierung von Alternativen und neuen Vorschlägen, wie dem Klimawandel beizukommen sein. Im Mittelpunkt stehen, ganz nach bolivianischer Tradition, der Begriff der Mutter Erde und das Konzept des Guten oder Richtigen Lebens. Die Bewahrung der Natur und des Lebens wird dem Paradigma des Marktes und des Gewinnstrebens entgegengesetzt. Die Herausforderung ist, solch philosophische Ausgangspunkte in konkrete, politisch umsetzbare Maßnahmen zu übersetzen.

“Man darf die Natur nicht als Werkzeug begreifen, sondern als etwas Lebendiges,” konkretisierte Vizepräsident Garcìa Linera auf einer Podiumsveranstaltung am Dienstag. Deswegen müsse das Verhältnis des Menschen zur Natur auf dem Prinzip der Gleichheit beruhen. “Ein Geben und Nehmen, das wir in Bolivien als das Gute Leben definieren,” schloss Linera.

Die Arbeitsgruppe 4 arbeitet ein Weltreferendum zur Klimapolitik aus, das, so die Sprecherin Amalia Coaquira, noch im Oktober, also vor der UN-Klimakonferenz in Mexiko stattfinden soll. Mehr als politischen und moralischen Druck bezweckt die Arbeitsgruppe 8, die von den Industriestaaten die Zahlung ihrer ökologischen Schuld fordert. Im Vorfeld des Gipfels hat das Andine Parlament diesen Vorschlag aufgenommen und angeregt, über die Vergabe von speziellen Boni einen Transfer zu den Ländern des Südens zu beginnen.

Konkret wird es auch in der Diskussion um die Schaffung eines Klimatribunals. Soziale Bewegungen und NGOs planen die Einrichtung symbolischer Tribunale zu Klimaverbrechen, wie sie bereits zu anderen Themenbereichen existieren. Damit soll Evo Morales` Initiative zur Schaffung eines rechtlich bindenden Gerichtshofs zu Klimafragen nach dem Vorbild anderer UN-Gerichtshöfe unterstützt werden.

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