(Bogotá, 10. März 2023, contagioradio).- Bogotá. Jani sitzt im Auto mit ihren Arbeitskolleg*innen, als das Telefon klingelt. Lächelnd erzählt sie ihnen, dass sie gerade die Nachricht erhalten hat, dass sie für den Friedensnobelpreis nominiert wurde. Alle klatschen. „Diese Nominierung ist das Werk von uns allen, denn ich arbeite nicht allein. Wir sind davon überzeugt, dass unser Kampf gerecht und notwendig ist, denn den Amazonas zu verteidigen bedeutet, das Leben der jetzigen und zukünftigen Generationen zu verteidigen“, sagt Jani in feierlichem Ton. Jani Silva ist Präsidentin der Asociación de Desarrollo Integral Sostenible Perla Amazónica (ADISPA). Die Organisation ist die rechtlich anerkannte Vertreterin des Schutzgebiets Zona de Reserva Campesina Perla Amazónica (ZRCPA) im Departement Putumayo. Seit langem setzt sie sich ebenso für die Verteidigung und den Schutz des amazonischen Ökosystems wie für Frieden und soziale und ökologische Gerechtigkeit ein. Silva will die Erdölausbeutung so lange wie möglich verhindern. Immer wieder kritisiert sie öffentlich die Umweltverschmutzung in dem Gebiet. Das hat ihr mehrere Morddrohungen eingebracht. Doch nichts hat sie aufgehalten. Sie sei sehr glücklich, lacht sie, als wir am Telefon sprechen. Wenn ich sie vor mir hätte, würde ich sie umarmen. Sie sagt, die Nominierung sei für sie eine Anerkennung für die harte Arbeit, die von vielen geleistet wurde. „Ohne die Menschen, die mich unterstützen und begleiten, wäre es unmöglich gewesen, diesen Weg zu gehen, und diese Nominierung gilt der Arbeit aller, der Frauen, die mich mit Enthusiasmus in meinem Engagement begleiten, und der ganzen Gruppe“, versichert sie mir.
Und so sah ihr Kampf aus
Silva stammt aus dem Departement Amazonas, kam aber im Alter von 12 Jahren nach Putumayo. „Seit ich ein Kind war, habe ich Bäume und Tiere geliebt. Ich war immer von der Natur umgeben und hatte eine sehr enge Beziehung zu ihr. Das hat meine Liebe zu dieser Gegend geprägt“, erinnert sich Silva. Schon immer hatte sie eine Berufung zur Führung. In der Schule war sie Schülersprecherin, dann Sekretärin des Entwicklungskomitees in ihrem Dorf und schließlich Landwirtschaftsinspektorin, ein Amt, das sie 13 Jahre lang innehatte und das es ihr ermöglichte, in alle Dörfer zu reisen. So wurde sie zu einer Vertrauensperson und zu einer Führungspersönlichkeit in der Region. In den 1990er Jahren initiierte sie den Antrag, ihr Gebiet als kleinbäuerliches Schutzgebiet (Zona de Reserva Campesina) anzuerkennen. Es war ein langwieriger Prozess, der im Jahr 2000 endlich erfolgreich endete. Als Anführerin verteidigt Jani seit 2006 ihre Gemeinde und ihr Umfeld gegen die vom Ölgiganten Amerisur Resources Plc verursachten Schäden. Amerisur ist heute im Besitz von GeoPark Colombia. Das Unternehmen hat 2021 mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) Abkommen für seine Projekte in den Departements Putumayo, Meta und Casanare unterzeichnet. Diese Vereinbarungen mit dem Titel „Vereint für die territoriale Reaktivierung“ wurden schließlich aufgrund der Arbeit der Organisationen zurückgezogen. Sie hatten dem UNDP deutlich gemacht, dass es aufgrund von Vertreibungen und der Verseuchung von Wasser und Land Beschwerden gegen das Unternehmen GeoPark Colombia gab. Auch das Recht auf vorherige Konsultation war verletzt worden.
„Wir haben wichtige Erfolge erzielt“
Und genau wegen dieser unermüdlichen Arbeit begannen die Drohungen, aber „die Arbeit blieb immer gleich, wir haben das Bewusstsein geschärft, und dieser Prozess hatte verschiedene Etappen; kurz vor Abschluss des Abkommens über den illegalen Anbau im Rahmen des Friedensabkommens war es schwierig, weil die Regierung sich nicht daran hielt. Aber wir haben weitergemacht. Vielleicht können wir jetzt noch einmal anfangen. Wir hoffen, dass wir mit dieser neuen Regierung für einen umfassenden Frieden daran arbeiten können“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir haben wichtige Erfolge erzielt, etwa die Verzögerung der Inbetriebnahme weiterer Ölplattformen. Es ist unbestritten, dass trotz unseres Kampfs die sozio-ökologischen Probleme fortbestehen. Zum Beispiel hat unsere Gemeinde kein Trinkwasser mehr. Wir müssen Regenwasser sammeln, weil die Flüsse und Bäche, die uns früher mit Fischen und Wasser versorgten, durch die Abfälle der Ölindustrie verseucht sind.“
„In diesen Zeiten ist es gefährlich, das Leben und die natürlichen Ressourcen zu verteidigen“
Im Dezember 2018 ordnete die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) vorsorgliche Maßnahmen zum Schutz von Jani Silva an. Trotzdem hat die für diese Maßnahmen zuständige kolumbianische Behörde, die Nationale Schutzeinheit (UNP), einige dieser Schutzmaßnahmen im Dezember 2020 abgebrochen. Obwohl sie später wieder in Kraft gesetzt wurden, bleibt die Sorge bestehen. Nach Angaben des Friedensforschungsinstituts Indepaz wurden vom 26. September 2016 bis zum 03. März 2023 1429 führende Persönlichkeiten und Menschenrechtsverteidiger*innen in Kolumbien ermordet. „In diesen Zeiten ist es gefährlich, das Leben und die natürlichen Ressourcen im Land zu verteidigen. Das ist der Grund für die Drohungen gegen die Anführer*innen, aber in Angst zu leben ist kein Leben. Wir müssen unsere Stimme erheben und jemanden suchen, der die Verteidiger*innen verteidigt“, sagt Jani und fügt hinzu: „Als es Drohungen gab, haben wir darüber nachgedacht, die Organisation aufzulösen, aber das wollte ich nicht, weil wir eine große Verantwortung tragen, denn wir alle atmen den Sauerstoff unserer Wälder.“
Neue Perspektiven
„Allein die Tatsache, dass wir nominiert wurden, ist gut für uns, denn sie zeigt, dass es mehr Engagement gibt, nicht nur von Organisationen, sondern auch von Menschen, die sich für den Schutz der Natur, der Menschen und der biologischen Vielfalt einsetzen“, sagt sie. „Es wäre großartig, wenn wir uns alle für Umweltfragen, Bildung, Werte und die Entwicklung der Gemeinden innerhalb eines Bergbau- und Erdölprojekts engagieren würden (…) Es gibt viele Menschen außerhalb des Gebiets, denen es egal ist, dass sich der Zustand unseres Amazonasgebietes verschlechtert. Sie denken nur an die Entwicklung, die ihnen die Ausbeutung und der Bruch des sozialen Gefüges bringen kann (…) Es ist eine Sache, wenn wir Geld haben, um Lebensmittel zu kaufen, aber es ist eine andere Sache, wenn wir qualitativ hochwertige Lebensmittel haben. Lebensmittel, die wirklich gesund sind, familiäre Werte, Bewusstsein für die Natur“, ist sie überzeugt. Und sie betont: „Der Frieden gehört nicht nur einer oder zwei Personen, es ist eine Verpflichtung aller, dass es keine illegalen Gruppen oder Verhandlungen gibt und dass Grundbedürfnisse befriedigt werden (…). Wir müssen an der Bildung und der Sensibilisierung der jungen Menschen arbeiten, damit sie das Territorium wertschätzen.“ Sie betont auch die Bedeutung der Ökosysteme, „weil sie ein natürliches Ganzes bilden, das das Leben schützt. Deshalb müssen wir die Vielfalt der Erde respektieren und Monokulturen ablehnen (…). Wir wollen die Vielfalt der Kulturen, des Lebens, die wir immer in diesem Gebiet hatten und die uns genommen wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Schäden an der Natur nicht mit Geld behoben werden können, sondern durch den Respekt vor der Mutter Erde.“
Am Ende unseres Gesprächs bitte ich Jani, uns eine Botschaft mit auf den Weg zu geben: „Ich bitte uns alle, an die Zukunft der Kinder zu denken, dass wir uns als Frauen und Männer der Mutter Erde, der Natur bewusst sind. Wir müssen darüber nachdenken, was wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen, was unser Vermächtnis, unser Erbe ist, und dass auch die jungen Menschen diesen Prozess in die Hand nehmen und anfangen, an die Zukunft zu denken.“
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