(Quito, 29. Oktober 2024, poonal).- Ich habe mir noch nie so sehr den Regen gewünscht! Meine Lippen brennen und sind trocken. Meine Hände sind so ausgetrocknet, dass sie bald vielleicht wieder aufreißen, wie es eigentlich nur im Winter in Deutschland durch die Kälte geschieht. Meine Nase tut weh, weil sie so ausgetrocknet ist, weil die Luft so trocken ist, weil es nicht regnet. Es ist trocken. Es brennt.
Wenn ich mit dem Bus fahre und rausgucke, sehe ich es irgendwo brennen. Wenn ich spazieren gehe, sehe ich es irgendwo brennen. Quito brennt. Es ist so trocken hier wie es seit sehr langem nicht gewesen ist. Die heftigste Dürre seid über 60 Jahren. In den Flüssen der Andenstadt Cuenca konnte man eigentlich immer baden, aber als ich vor drei Wochen in Cuenca war, waren die Flüsse eher ein kleines Bächlein, das jetzt komplett ausgetrocknet ist. Leider ist das nicht nur in Ecuador so. Ganz Südamerika ist trocken und brennt. Der Amazonas brennt. Brasilien verzeichnet die heftigste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen. Und man hört von überall, wo jetzt noch ein Fluss ausgetrocknet ist, wo es jetzt auch noch brennt. Mir macht das Angst. Es ist das eine, das in den Nachrichten zu sehen und was anderes, das so nah mitzubekommen. Ich mache mir Sorgen. Aber wer macht das nicht? Eine Freundin sagte vorhin: ‚wie sollen wir noch mehr Sommer durchmachen? Fünf Sommer, acht Sommer. Das geht doch nicht mehr weiter, da ist irgendwann nichts mehr.‘
Eigentlich ist gerade Regenzeit
Es gibt hier in Ecuador viel zu viele Eukalyptusbäume, in Monokulturen für die Holzwirtschaft. Denn sie wachsen schnell, sind unkompliziert, aber dafür brennen sie auch besonders schnell und gut. Eigentlich ist gerade Regenzeit; dieses ‚eigentlich’ höre ich echt oft. Ich hab den Eindruck, hier ist das ganze Wetter durcheinander, obwohl ich nicht Mal weiß, wie es vorher war. Dabei dachte ich immer, auf 2.500 Metern Höhe ist das Wetter gemäßigt.
Wo ich die Krise im Alltag aber am meisten spüre, ist beim Strom, oder besser, wenn er nicht da ist. Ecuador wird von Wasserstrom versorgt. Doch es gibt im Prinzip nur einen großen Staudamm, der Ecuador mit 60 Prozent des Stroms versorgt. Also: Kein Regen, kein Strom! Der Wasserstand in dem Staudamm ist jetzt auf einem Minimum und läuft mit geringster Leistung. Der Strom fehlt, in ganz Ecuador. Deshalb muss gespart werden. Wahrscheinlich bis Dezember. Wenn der Wasserstand in dem Wasserwerk nicht bald wieder normal ist, das heißt, wenn es nicht bald regnet, dann wird es noch mehr Kürzungen oder Notmaßnahmen geben. Regnen, dass tut es vielleicht erst wieder ab Dezember?
Abends sitzen wir im Kerzenlicht
Abends sitzen wir im Kerzenlicht. Marisol, meine Gastmutter, fängt jetzt schon an, so gut wie möglich Wasser zu sparen und aufzufangen. Der Gedanke daran, dass es irgendwann kein Wasser mehr geben könnte, macht mir Angst.
Jeden Tag gibt es von 10.00-15.00 und 19.00-24.00 Uhr keinen Strom. Das sind zehn Stunden täglich. In jedem Sektor in Ecuador sind die Stromausfall-Zeiten anders. Ich muss aufpassen, nach 19.00 nicht mehr draußen zu sein. Denn wenn alles dunkel ist, ist es gefährlich. Internet gibt es auch nicht. Das Sozialleben ist sehr eingeschränkt und das Essen im Kühlschrank wird schnell schlecht. Ich bin viel zuhause (im Dunkeln) und das Brot, was ich mir sonst immer zum einfrieren backe, werde ich auch erst Mal nicht mehr machen.
Zum Glück haben wir einen Gasherd. Ich hab es vorher schon vermisst, mich Abends mit Leuten zu treffen und einfach entspannt draußen zu sein, aber jetzt wo ich abends so gar nicht mehr raus kann, fühlt sich das nochmal schwerer an. Alles ist dunkel und gemütlich fernsehen geht auch nicht, wobei ich sagen muss, dass das Kerzenlicht auch sehr gemütlich ist. Ich merke richtig wie abhängig man eigentlich von Strom, einfach vom Licht ist. Oder man könnte auch sagen, vom Regen…
Es ist krass, den Klimawandel so nah in meinem Alltag zu spüren und zu wissen, dass es ja auch nicht besser wird. Das macht mir Angst. Und ich mache mir Sorgen um die Situation Ecuadors. Ecuador ist so ein schönes und reiches Land. Aber die wirtschaftliche Situation ist ohnehin schon schlecht und die Dürre und der Stromausfall werden dass nicht besser machen…
Diesen Bericht gibt es auch als Podcast bei Radio onda.
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