Das Wasser wird knapp

(Mexiko-Stadt, 29. Juli 2023, la jornada).- In Uruguay mangelt es seit fast drei Monaten an sauberem Trinkwasser – und das in der Hauptstadt eines Landes, das gerade für seinen Süßwasserreichtum bekannt ist. Schuld daran ist nicht (nur) die Dürre, sondern auch multinationale Tech-Konzerne und die „grüne“ Wasserstoffproduktion.  Die öffentliche Wasserversorgung (OSE) verteilt Brackwasser mit chemischen Rückständen oberhalb der zulässigen Grenzwerte. Es wird als „trinkbares“ Wasser (‚bebible‘), nicht als Trinkwasser (‚potable‘) verteilt. Währenddessen erhöhte die Regierung den zulässigen Gehalt an diesen Stoffen willkürlich auf mehr als das Doppelte.

Aufgrund des niedrigen Pegels des Santa Lucía Flusses, der normalerweise die Hauptstadt versorgt, wurde Wasser aus Gebieten in der Nähe des Río de la Plata entnommen. Dies ist ein Mündungsgebiet, also eine Mischung aus Fluss und Meer. Dieses „trinkbare“ Wasser weist trotz Aufbereitung einen Natrium- und Chloridgehalt auf, der weit über den für Trinkwasser akzeptierten Grenzwerten liegt. Menschen mit Bluthochdruck wurde deshalb davon abgeraten, es zu trinken. Außerdem enthält es einen höheren Anteil an Trihalomethanen, einer Substanz aus der Trinkwasseraufbereitung. Diese wurde von Mediziner*innen der Universidad de la República (UdelaR) als möglicherweise krebserregend eingestuft, wenn man ihr über einen längeren Zeitraum ausgesetzt ist. Die Substanz wird beim Baden über den Dampf und über die Haut aufgenommen, wobei ein besonderes Risiko für Schwangere und Kinder besteht. Das mit Trihalomethanen belastete Wasser wird derzeit an 60% der Bevölkerung Uruguays verteilt.

Liberale Wirtschaftspolitiken verschlimmern den Wassermangel

Dabei leidet Uruguay schon seit Längerem unter einer Dürre. Anstatt jedoch die Ursachen dafür zu bekämpfen, treibt die Regierung Maßnahmen voran, die die Situation noch weiter verschlimmern. Ein Beispiel dafür ist die teilweise Übertragung der Wasseraufbereitung an private Unternehmen (sog. „Neptun-Projekt“), die das Wasser dort entnehmen, wo es für sie am profitabelsten ist, egal ob salzhaltig oder verschmutzt. Außerdem wird die Ansiedlung neuer transnationaler Industrien gefördert, die unersättliche Süßwasser-Konsumenten sind. Es handelt sich dabei um Mega-Rechenzentren für Google und andere Tech-Giganten sowie die Produktion von „grünem“ Wasserstoff.

Die politische Antwort der uruguayischen Regierung auf das Problem der Trinkwasserversorgung lautet: auf den Regen warten. Jedoch ist die aktuelle Wasserkrise viel mehr eine logische und deshalb erwartbare Folge der Konvergenz von absichtlich herbeigeführten Faktoren, als eine einmalige Anekdote oder lediglich die Folge der Dürre. Die übermäßige Ausbeutung und die Verschmutzung durch das agroindustrielle Landwirtschaftsmodell; der großflächige Anbau von gentechnisch verändertem Soja und Monokulturen von Bäumen, die umweltschädliche transnationale Zellulosefabriken beliefern; das Fehlen von Normen und Kontrollen für giftige Chemieabfälle und Düngemittel; die mangelnde Instandhaltung der öffentlichen Dienstleistungen (und die Absicht, sie zu privatisieren); direkte und indirekte Subventionen für Abfüllunternehmen, die mit der Krise riesige Gewinne erzielen; sowie all die Industrien, die immer mehr Wasser verbrauchen – all diese Faktoren kommen hier zusammen. Die Dürre selbst lässt sich auf das Naturphänomen La Niña zurückführen. Dieses wird durch den Klimawandel weiter verschärft, welcher wiederum zum großen Teil durch das agroindustrielle Ernährungssystem verursacht wird. Laut Karin Nansen und María Selva Ortiz von Brecha.com ist es also eigentlich die Summe der un-natürlichen Faktoren, die den Trinkwassermangel verursachen.

Enormer Wasserverbrauch durch Tech-Riesen und „grüne Wasserstoffproduktion“

Vor diesem Hintergrund scheint es absurd, neuen transnationalen Unternehmen zu erlauben, sich in Uruguay niederzulassen. Laut Daniel Pena, Forscher an der sozialwissenschaftlichen Fakultät von UdelaR, haben mehrere der globalen Technologiekonzerne wie Google, Microsoft und Meta Projekte in Uruguay, die immense Mengen an Wasser verbrauchen. Google plant derzeit in der Nähe der Hauptstadt Montevideo – mit Unterstützung der vorherigen und der aktuellen Regierung – ein Datenzentrum, das in Spitzenzeiten bis zu 7,6 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag verbrauchen wird. Dies entspricht dem täglichen Verbrauch von 55.000 Menschen in Uruguay. Um diese Informationen zu erhalten, musste Pena extra Anträge auf Zugang zu Informationen stellen und vor Gericht gegen das Unternehmen klagen, das diese Daten als „Geschäftsgeheimnis“ versiegelt hatte. Dieselbe Haltung nahm Google bereits in Fällen in den Vereinigten Staaten und den Niederlanden ein, wo es die Daten schließlich per Gerichtsbeschluss offenlegen musste. Die große Anzahl von Computern in den Rechenzentren der Tech-Giganten und die Notwendigkeit, sie zu kühlen, führen zu einem enormen ökologischen Fußabdruck in Form von Wasser, Material, Energie und (überwiegend gefährlichem) Abfall. Dies ist ein zentrales Problem, das dringend angegangen werden muss.

Was den „grünen“ Wasserstoff betrifft, so verkaufen dessen Befürworter*innen das Bild, dass er weniger Treibhausgasemissionen verursacht als fossile Brennstoffe. Sie berücksichtigen jedoch nicht den gesamten Lebenszyklus dieser Energiequelle, wie die Energie und die Ressourcen für die Produktion des Wasserstoffs und seinen Vertrieb, die Abfälle etc. Ein besonders kritisch zu beleuchtender Aspekt dieser „grünen“ Falle besteht in der Grundlage für dessen Produktion: der extrem hohe Wasserbedarf. Die Industrie zieht es vor, dafür Trinkwasser zu verwenden, um Salzgehalt und Verschmutzung zu vermeiden (das sie in der Folge den Menschen zum Trinken überlässt). Aus Kostengründen entscheiden sie sich für Grundwasser, das u. a. in der Region Tacuarembó sauber und kostenlos ist. Diese hohe und permanente Nachfrage nach Wasser wird den Grundwasserspiegel weiterhin ernsthaft beeinträchtigen und sich auch auf die Pegelstände der Oberflächengewässer auswirken.
Die Situation in Uruguay spiegelt heute auf dramatische Weise wider, was in vielen anderen Ländern genauso geschieht: ein Krieg der Agrarindustrie, der Technologie- und anderer Konzerne gegen das Recht der Menschen auf Wasser.

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