„Kinder zu bombardieren ist keine erfolgreiche Operation!“

(Bogotá, 25. Oktober 2021, prensa rural).- Poonal veröffentlicht hier einen Kommentar von Daniel Ospina Celis, der bei der Menschenrechtsorganisation Dejusticia zu Technologie, Transparenz und Menschenrechten forscht.

Am 29. August 2021 bombardierten die Streitkräfte ein Lager der FARC-Dissidenten in San Vicente del Caguán. Acht Minderjährige wurden getötet.

Am 2. März 2021 bombardierten die Streitkräfte ein Lager der FARC-Dissidenten in Calamar, Guaviare. Drei Minderjährige wurden getötet.

Am 16. September 2021 bombardierten die Streitkräfte ein Lager der ELN in Litoral de San Juan, Chocó. Vier Minderjährige wurden getötet.

Ein neues Level der Entmenschlichung?

Das, was im Jahr 2019 wie eine Fehleinschätzung aussah, scheint zwei Jahre später ein Muster zu sein. Obwohl dabei immer wieder Minderjährige sterben, betrachtet die Regierung die militärischen Operationen als erfolgreich. Hat die Armee in unserem bewaffneten Konflikt so ein Ausmaß an Entmenschlichung und Gefühlslosigkeit erreicht?

Die Bombardierung von 2019 führte zum Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers, Guillermo Botero. Dies lag jedoch eher an der Verheimlichung des militärischen Einsatzes als an der Tötung von Minderjährigen. Die Tageszeitung El Tiempo versicherte damals, dass einer der Gründe für Boteros Rücktritt die „umstrittene Geheimhaltung der Ermordung von acht Minderjährigen“ gewesen sei.

Monate später spricht man etwas anders darüber. Die Regierung verteidigt den Tod der Jugendlichen als legitime Strategie im Kampf gegen den Terrorismus. Im März rechtfertigte der Verteidigungsminister Diego Molano die Tötung von Minderjährigen, da die Struktur des Drogenterrors sie seiner Meinung nach zu „Kriegsmaschinen“ entwickele. Vor einigen Tagen bezeichnete Innenminister Daniel Palacios die Bombardierung als eine „chirurgische Operation“ und in diesem Sinne als einen perfekt durchgeführten Eingriff. Chirurgisch? Obwohl dabei vier Minderjährige gestorben sind?

Regierung macht bewaffnete Gruppen für den Tod der Minderjährigen verantwortlich

Das einzige Problem scheint für den Staat die Zwangsrekrutierung von Minderjährigen durch terroristische Gruppen zu sein. Laut der Regierung sind es die bewaffneten Gruppen, die an der Ermordung von Jugendlichen schuld sind. Es wird argumentiert, dass sich ohne Zwangsrekrutierungen keine Kinder in den Lagern aufhalten würden und somit keine Opfer von Bombardierungen werden könnten. Offensichtlich liege die Schuld also bei den Terroristen und nicht bei den Streitkräften. Und obwohl dieses Argument umstritten ist – der Staat steht schließlich in der Pflicht, Zwangsrekrutierungen vorzubeugen – wird es zur Rechtfertigung der drei Bombardierungen herangezogen.

Es ist schwierig, diesen Widerspruch nicht zu erkennen. Für den Präsidenten Iván Duque ist es eine Gräueltat, dass bewaffnete Gruppen Minderjährige in ihre Kreise aufnehmen. Er finde es schmerzhaft, solche Übergriffe zu beobachten. Dennoch hält er die Operationen nach dem Humanitären Völkerrecht für berechtigt, weil sie ein legitimes Ziel darstellen.

Die juristische Diskussion ist komplexer als Präsident Duque denkt

Tatsächlich ist die juristische Diskussion komplexer als Präsident Duque denkt. Erstens muss herausgefunden werden, ob die rekrutierten Kinder in Wirklichkeit Kämpfer*innen waren. Zweitens muss geprüft werden, ob bei der Operation die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Vorsorge, der militärischen Notwendigkeit und der Menschlichkeit beachtet wurden.

Unabhängig davon, ob die durchgeführten Einsätze nach dem Humanitären Völkerrecht legitim waren, ist die kompliziertere und grundlegendere Frage doch: Welchen Wert hat das Leben, wenn der Tod von zwangsrekrutierten Minderjährigen als „notwendiges Übel“ gilt, um ein militärisches Ziel zu beseitigen? Ist ein Einsatz, bei dem Jugendliche vom Staat getötet werden, wirklich erfolgreich oder chirurgisch? Alles weist darauf hin, dass es nicht der Fall ist.

Vielleicht müssen wir unser Verständnis von Erfolg ändern, denn im Krieg liegt nie ein wirklicher Erfolg.

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