(Montevideo, 21. August 2008, comcosur-poonal).- Mit dem Mord an José Omar Galeano Martínez, Präsident der Gewerkschaft der Lottoarbeiter(FECOLOC), der am 24. August in der Stadt Buga geschah, sind in diesem Jahr in Kolumbien bereits 38 Gewerkschafter*innen ermordet worden, davon 34 Männer, vier Frauen. Das berichtet die Nationale Gewerkschaftsschule ENS.
Die Zahl belege einen beunruhigenden Anstieg der Morde, denn in nur acht Monaten des aktuellen Jahres seien es schon fast so viele Morde, wie 2007 im ganzen Jahr registriert wurden. Damals waren es 39 Fälle. Dieses Jahr ist auch die Anzahl der ermordeten Gewerkschaftsführer*innen höher: Waren es 2007 zehn, sind es dieses Jahr schon 15.
Auch die zentrale Arbeitervereinigung Kolumbiens, die knapp 600 Gewerkschaften des Landes umfasst, sowie Nichtregierungsorganisationen hatten sich kürzlich zum Thema geäußert und darauf hingewiesen, dass die Todesfälle in der Berichterstattung von den Nachrichten des Krieges gegen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) überlagert würden. Viele Morde würden zudem kaum wahrgenommen, weil sie in kleinen Orten und ländlichen Gegenden stattfänden.
Einer der grausamsten Fälle ist der von Guillermo Rivera Fúqueme, Vorsitzender der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes in Bogotá (siehe Poonal Nr. 807). Er wurde am 22. April von seinen Kolleg*innen als vermisst gemeldet, seine Überreste wurden am 15. Juli in der Stadt Ibagué, Hauptstadt des Departments Tolima, aufgefunden. Dort war er sechs Tage nach seinem Verschwinden vergraben worden. Man hatte ihm die Initialen „NN“, nichtidentifizierbarer Körper, eingraviert. Im März prangerte die nationale Kohle-Gewerkschaft (Sindicato Nacional de los Trabajadores del Carbón) den Mord an einem ihrer Führungsmitglieder an. Adolfo González Montes wurde am 22. März aus seinem Haus in der Stadt Riohacha entführt und gefoltert. Er starb an den Folgen der Folter.
Die Mordfälle, denen meist eine Serie von Einschüchterungsversuchen seitens der Nationalpolizei oder illegaler bewaffneter Gruppen vorausgeht, treten nun auch vermehrt unter linken Aktivist*innen der Opposition, Vorsitzenden ländlicher Gemeinden und Bauernführer*innen auf. Sie werden oftmals beschuldigt, Beziehungen zur Guerrilla zu unterhalten und werden von der Polizei in der Regel ohne Haftbefehl festgenommen.
Ein Beispiel für Übergriffe auf die linke Opposition ist der 8. August, an dem Luis Layusa Prada, 46 Jahre alt und Vorstandsmitglied des Polo Democrático Alternativo (PDA) des Departments Arauca, ermordet wurde. Nach Informationen der Menschenrechtsstiftung Joel Sierra ist der Fall bis heute nicht aufgeklärt worden.
Ein weiterer Fall von Verfolgung und Einschüchterung Anführer*innen sozialer Bewegungen wurde vom Rat der schwarzen Gemeinden der Ost-Kordilleren in Nariño gemeldet. María Antonia Amaya und Jospe Arcos, zwei der Ratsmitglieder, gerieten am 11. Juli im Bezirk Policarpa in eine von einer paramilitärischen Gruppe namens „Neue Generation“ eingerichtete Strassensperre. Es war nicht der erste Beweis dafür, dass die Auflösung der illegalen Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) im Jahre 2006 nicht zu einem Ende paramilitärischer Aktivitäten geführt hat.
Auch indigene Organisationen waren Ziel solcher Angriffe. So wurden der Regionalrat von Nordcauca und Bewohner*innen dieser Region, in der Regel Angehörige der Nasa, von einer Gruppe, sie sich „Campesinos Embejucaos“ (Wütende Bauern) nennt, bedroht.
Fälle wie die geschilderten führten den UN-Menschenrechtsbeauftragten am 13. März nach Kolumbien. Er verlieh dort seiner Sorge angesichts der Drohungen gegen Führungspersönlichkeiten der sozialen Bewegungen Ausdruck. Diese hätten nach der Demonstration gegen Staatsterror und Paramilitarismus am 6. März in Bogotá erheblich zugenommen.
Am 30. März wurde dann auf dem Land der Bauernführer Gerardo Antonio Ciro aus dem östlichen Antioquia ermordet. Er hatte sich durch seine Interessensvertretung für die dortigen landwirtschaftlichen Gemeinden die Feindschaft einiger Funktionäre in der Region und führender Polizeikräfte zugezogen.
Angesichts der Vorkommnisse hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, nach deren Schätzung in Kolumbien zwischen 1986 und 2008 etwa 2.500 Gewerkschafter umgebracht wurden, dem republikanischen Anwärter auf die US-Präsidentschaft, John McCain, in einem offenen Brief darauf hingewiesen, dass die kolumbianische Regierung ein verzerrtes Bild der Menschenrechtslage im Land wiedergebe.
Human Rights Watch gibt an, dass in den letzten 22 Jahren 98% der Fälle ohne juristische Aufklärung blieben. Desweiteren äußerte sich die Organisationen zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kolumbien. Washington „sollte den dauerhaften zollfreien Verkehr von Waren nicht zulassen, die in vielen Fällen von Arbeiter*innen produziert wurden, welche von ihren Rechten keinen Gebrauch machen können ohne Angst haben zu müssen, ermordet zu werden.“
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