(Lima, 13. November 2020, servindi/poonal).- Mit einer Großdemonstration protestierten am 12. November tausende Peruaner*innen gegen die Ernennung von Manuel Merino zum Präsidenten Perus. Drei Tage zuvor hatte der Kongress mit großer Mehrheit beschlossen, den bisherigen Präsidenten Martín Vizcarra seines Amtes zu entheben. Er soll angeblich Bestechungsgelder angenommen haben, was dieser bestreitet.
Während der parteilose Vizcarra hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung genießt, haben die meisten der im Parlament vertretenen Parteien nur geringen Rückhalt. Viele sehen in der Amtsenthebung einen Staatsstreich.
„Mit der falschen Generation angelegt“
An der landesweiten Demonstration in der Hauptstadt Lima nahmen vor allem junge Leute aus Lima und verschiedenen peruanischen Provinzen teil, die unter dem Motto protestierten: „Sie haben sich mit der falschen Generation angelegt.“
Obwohl der Protestmarsch friedlich begann, ging die Polizei mit Knüppeln, Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstrierenden vor. Offiziellen Angaben zufolge wurden bisher elf Verletzte registriert; eine Person wird demnach vermisst. Einer der Schwerverletzten ist der 26-Jährige Percy Pérez Shapiana. Er erlitt einen Pistolenschuss in den Unterleib. Sein Zustand ist kritisch.
Massive Mobilisierung
Der 12. November war bereits der dritte Tag der Proteste nach der Amtsenthebung des Präsidenten Martín Vizcarra am 9. November. Um 17 Uhr füllte sich die Plaza San Martín und die angrenzenden Straßen im Zentrum von Lima mit Menschen, die Banner in den weiß-roten Nationalfarben und Plakate trugen, auf denen „Merino raus“ und „Merino ist nicht mein Präsident“ stand.
In den Straßen der historischen Altstadt, die von Gittern und einem großen Polizeiaufgebot abgesperrt waren, hallten Parolen wider, die sich auch gegen die Kongressabgeordneten richteten, die die neue Regierung von Manuel Merino an die Macht gebracht haben. Die Männer und Frauen stellten im Verlauf der Demonstration klar, dass sie nicht für Vizcarra demonstrierten, sondern „zur Verteidigung der Demokratie“, die sie in Gefahr sahen.
Proteste gab es auch in anderen Teilen Limas, wie in Surco, Los Olivos, San Miguel, Magdalena und San Borja, berichtete die Tageszeitung La República.
Proteste auch in den Provinzen
Auch in anderen Regionen des Landes gingen Tausende auf die Straßen, um den Rücktritt von Manuel Merino zu fordern. In Arequipa marschierten die Demonstrant*innen bis auf die zentrale Plaza de Armas. Unter ihnen befanden sich Studierende, feministische Kollektive und LGBTI-Personen.
Weitere Demonstrationen und Kundgebungen fanden im Süden in Apurímac, Puno, Pasco und Tacna statt; in der nördlichen Provinz Ancash in Huaraz, Nuevo Chimbote und Casma, sowie in Lambayeque, La Libertad, Trujillo, Piura und Tumbes; außerdem in Iquitos in der Amazonasprovinz Loreto, sowie in Madre de Dios und San Martín.
Demonstration von Polizeigewalt überschattet
Die bislang größte Demonstration im Rahmen der jüngsten Proteste wurde von Polizeigewalt überschattet. Zwar hatte der neu ernannte Innenminister Gastón Rodríguez geleugnet, dass die Beamten bei den Protesten im Zentrum von Lima Gewalt angewendet hätten, doch auf mehreren Videos der Demonstrierenden ist zu sehen, wie die Polizei willkürlich friedliche Menschen verhaftet; auf anderen setzten die Beamten massiv Tränengas gegen die Demonstrant*innen ein.
Und obwohl Gastón Rodríguez behauptete, dass die Polizei keine Agenten der Gruppe Terna eingesetzt hätte – Zivilbeamte, die die Demonstration infiltrieren – beweisen Bilder das Gegenteil. Ein Video zeigt, wie ein mutmaßlicher Agent der Gruppe Terna von Demonstrant*innen enttarnt wird. Als sie ihn beschimpfen, zieht er seine Waffe und schießt in die Luft. In den sozialen Medien mutmaßten mehrere Demonstrant*innen, dass diese Beamten in zivil die Leute zu Gewalttaten anstiften.
Bislang hat das Vorgehen der Polizei elf Verletzte gefordert, drei davon schwer, wie ein erster Bericht des Nationalen Menschenrechtszentrums ergibt. Bei den Schwerverletzten handelt es sich um Luis Aguilar Rodríguez (23) und Percy Pérez Saquiama (26), die Schusswunden erlitten. Während das Gesundheitsamt meldete, dass der Zustand von Aguilar Rodríguez stabil sei, ist der Zustand von Pérez Saquiama kritisch. Der dritte Schwerverletzte ist der 27-Jährige Rubén Guevara. Er erhielt ein Gummigeschoss aus kürzester Distanz ins Gesicht, das „entstellt“ worden sei, so das Menschenrechtszentrum.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH hatte den peruanischen Staat aufgerufen, die Arbeit der Pressevertreter*innen zu garantieren. Dennoch erlitten auch diese Verletzungen. Der Journalist Alonso Balbuena von OjoPúblico wurde von einem Gummigeschoss am Bein verletzt. Auch Journalisten der Nachrichtenagentur AFP, von Cuarto Poder und Canal N erlitten Verletzungen.
Demonstrationen sollen weitergehen
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Demonstrationen anhalten. Ein Großteil der Peruaner*innen lehnt die Regierung von Manuel Merino ab, da diese ein Komplott mit mehreren umstrittenen Parteien gebildet habe, um an die Macht zu gelangen. Diese Parteien haben ein Interesse daran, die die jüngste Universitätsreform rückgängig zu machen, die jungen Leuten eine bessere Bildung garantieren sollte.
Der bisherige Parlamentspräsident Manuel Merino, gegen den wegen illegaler Bereicherung ermittelt wird, wurde am 10. November im höchsten Staatsamt vereidigt. Er übernimmt das Präsidentenamt bis zum Ende der Legislaturperiode im Juli 2021. Merino ist bereits der dritte Präsident in der aktuellen Legislaturperiode. Vizcarra hatte das Präsidentenamt 2018 nach dem Rücktritt von Pedro Pablo Kuczynski übernommen.
Am 12. November vereidigte Merino seine neuen Minister*innen – darunter viele altbekannte Gesichter der neoliberalen Partei APRA, deren Vorsitzender, Expräsident Alán García, sich im April 2019 umbrachte, als er wegen seiner Verstrickung in Korruptionsfälle verhaftet werden sollte.
Im neuen Kabinett finden sich auch Personen mit Verbindungen zu wirtschaftlich einflussreichen Kreisen wie Confiep und der Grupo Romero, die in mehrere Korruptionsfälle verstrickt sind; sowie ein Exminister, der 2017 an der illegalen Begnadigung des verurteilten Ex-Diktators Alberto Fujimori beteiligt war.
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