Was im neuen Verfassungsentwurf über Kinderrechte steht

(Santiago de Chile/Berlin, 3. August 2022, De Frente Revista/poonal).- Im Referendum über eine neue Verfassung am 4. September sind alle Chilen*innen ab 18 Jahren verpflichtet, entweder für oder gegen den vom Verfassungskonvent vorgelegten Entwurf  zu stimmen. Kinder sind zwar von der Wahl ausgeschlossen. Der Verfassungsentwurf sieht jedoch einige Artikel vor, die wichtige Rechte für Kinder festhalten. Ein kleiner Überlick über die wichtigsten Artikel von De Frente Revista.

Der wichtigste Artikel des neuen Verfassungsentwurfs mit Blick auf Kinderrechte ist der Artikel 26. Er garantiert allen Kindern „den Anspruch auf die Rechte, die in der neuen Verfassung und in den von Chile ratifizierten und in Kraft befindlichen internationalen Menschenrechtsverträgen festgelegt sind.“ Dabei ist der Staat in der vorrangigen Pflicht, diese Rechte „zu fördern, zu achten und zu gewährleisten“. Das Wohl der Kinder, ihre Selbstständigkeit und ihre Entwicklung müssen so geschützt werden, „wie es ihrem Entwicklungsstand im Leben der Familie, der Gemeinschaft und der Gesellschaft entspricht“. Dabei solle Kindern ermöglicht werden, in allen sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden, sich an diesen Angelegenheiten zu beteiligen und Entscheidungen zu beeinflussen.

Kinder sollen ihre Persönlichkeit „voll und harmonisch entfalten“ können

Der Staat müsse demnach auch sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche in familiären Umgebungen und unter Umweltbedingungen aufwachsen, „die eine volle und harmonische Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen“. Dazu gehöre auch, „dass sie nicht von ihren Familien getrennt werden, es sei denn, es handelt sich um eine vorübergehende Maßnahme als letztes Mittel zur Wahrung ihres Wohls“. In diesem Fall habe eine Betreuung in Pflegefamilien Vorrang gegenüber der Unterbringung in Heimen. So oder so müsse der Staat „die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihr Wohlergehen zu gewährleisten und die Ausübung ihrer Rechte zu sichern.“

Die neue Verfassung sieht auch Normen zum „Schutz vor allen Formen von Gewalt, Misshandlung, Missbrauch, Ausbeutung, Belästigung und Vernachlässigung“ vor. Die Beseitigung von Gewalt gegen Kinder habe demnach für den Staat höchste Priorität. Deshalb müsse er „Strategien und Maßnahmen entwickeln, um gegen Situationen vorzugehen“, die das persönliche Wohlergehen der Kinder in Gefahr bringen, „unabhängig davon, ob die Gewalt von der Familie, dem Staat oder von Dritten ausgeht.“

Zukünftig sollen Gesetze ein umfassendes Schutzsystem zur Gewährleistung der Rechte von Kindern und Jugendlichen schaffen. Darin soll festgelegt werden, welche staatlichen Behören und Einrichtungen für welche Bereiche verantwortlich sind. Die Einrichtungen sollen sektorübergreifend und koordiniert zusammenarbeiten, „um die Verhütung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie die Förderung und den wirksamen Schutz ihrer Rechte sicherzustellen.“ Mit diesem System stelle der Staat sicher, „dass im Falle einer Bedrohung oder Verletzung von Rechten Mechanismen zur Wiederherstellung, Bestrafung und Wiedergutmachung vorhanden sind.“

Zugang zur Justiz auch für Kinder

Auch im Artikel 108 ist unter dem Stichwort „Zugang zur Justiz“ eine Norm zu Kinderrechten vorgesehen. Dort heißt es, der Staat stehe in der Pflicht, „einen spezialisierten Rechtsbeistand zum Schutz des Kindeswohls bereitzustellen.“ Dies gelte insbesondere dann, wenn sie bereits unter schützenden Maßnahmen stünden. Darüber hinaus müsse er sich darum bemühen, alle notwendigen Voraussetzungen für den Schutz der Kinderrechte zu schaffen.

Die im neuen Verfassungsentwurf vorgesehenen Kinderrechte wurden von Expert*innen sehr positiv aufgenommen. So stellt Leonel Sánchez Jorquera bei Cooperativa fest: „Im Entwurf werden Kinder als Rechtssubjekte und vorrangige Gruppe in mehreren Normen genannt. Das ist ein großer Fortschritt.“ Der Anwalt und Sozialwissenschaftler resümiert, der neue Verfassungsentwurf liefere „einen soliden Satz an Kinderrechten“.

Ein Vertreter von Unicef Chile hatte bereits im November 2021 gelobt, dass Kinder und Jugendliche nicht nur im Verfassungsentwurf selbst berücksichtigt werden, sondern auch die Möglichkeit hatten, an der Ausarbeitung des Textes mitzuwirken: „In diesem Sinne ist es eine gute Nachricht, dass die verschiedenen vom Verfassungskonvent verabschiedeten Verordnungen die umfassende und grundlegende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigen. Diejenigen von uns, die in früheren Generationen Kinder und Jugendliche waren, hatten nicht die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und sich zu vielen Themen, die uns betrafen, Gehör zu verschaffen.“

Übersetzung & Ergänzung: Susanne Brust

 

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