„Viele Menschen wussten nicht einmal, was eine Verfassung ist“

Chile Verfassung abgelehnt Neoliberalismus
Wahltisch im Estadio Nacional, Santiago, 4.9.2022, Foto: Ute Löhning

In Chile hat im September 2022 eine Mehrheit von 62 Prozent gegen die neue Verfassung gestimmt, die ein demokratisch gewählter Verfassungskonvent ausgearbeitet hatte. Sie sollte eine der fortschrittlichsten Verfassungen der Welt werden. Doch es kam anders. Warum stimmte die Mehrheit der chilenischen Bevölkerung gegen diesen Entwurf und wie geht es weiter? Was bedeutet das für die linke Regierung Chiles und was für die sozialen Bewegungen? Was bleibt von dem Prozess, den die Protestbewegung von 2019 angestoßen hat?

 

 


Nachtrag 18.12.2022 zur Neuauflage des Verfassungsprozesses:

Am 12.12.2022 einigten sich die Spitzen der politischen Parteien (von UDI bis PC, außer PR und PdG) und unterschrieben ein neues “Abkommen für Chile“, für einen neuen verfassungsgebenden Prozess. Das Parlament hat das Abkommen noch nicht ratifiziert, dessen Zustimmung gilt aber als sicher. In dem Dokument sind bereits zwölf inhaltliche Grundlagen für eine neue Verfassung, sowie die Organe, die diese ausarbeiten sollen und ein zeitlicher Fahrplan definiert.

Bis Januar 2023 sollen der Senat und die Abgeordnetenkammer jeweils 12 Mitglieder für eine Expertenkommission (Comisión Experta) benennen, die auf Grundlage der bereits definierten inhaltlichen Vorgaben einen Verfassungsvorschlag erarbeiten soll. Im April 2023 soll die Bevölkerung unter Wahlpflicht fünfzig Personen über Parteilisten in einen Verfassungsrat (Consejo Constitucional) wählen: über Parteilisten, parteiunabhängige Listen sind nicht vorgesehen. Der Verfassungsrat wird nicht selbst Artikel verfassen, sondern lediglich den von der Expertenkommission verfassten Vorschlag diskutieren und bestätigen. Ein technisches Komitee mit 14 Jurist:innen wird vom Parlament gewählt und soll den Verfassungsvorschlag auf evtl. Konflikte mit geltenden Normen hin überprüfen. Am 26. November 2023 soll die Bevölkerung in einem Referendum mit Wahlpflicht über Annahme oder Ablehnung des neuen Verfassungsvorschlags abstimmen.

Präsident Gabriel Boric zeigt sich vor der Presse zufrieden, Zwar hätte er sich für ein Verfassungsgremium mit 100 Prozent aus der Bevölkerung zu wählenden Personen eingesetzt, ziehe aber ein unperfektes Abkommen dem Nicht-Zustandekommen eines Abkommens vor. Vertreter:innen von sozialen Bewegungen kritisieren das Abkommen als antidemokratisch, es werde Krisen und Konflikte nicht lösen, die alten Machteliten hätten sich durchgesetzt.


 

Chile Verfassung abgelehnt NeoliberalismusMit freundlicher Genehmigung der Rosa-Luxemburg-Stiftung übernehmen wir diese Podcast-Produktion von Leonel Yañez Uribe und Ute Löhning.

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