
Foto: Mayimbú via wikimedia
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(Lima, 15. Oktober 2025, prensa latina/poonal).- Der Ruf „Que se vayan todos!“ („Alle sollen gehen!“) ertönte vergangene Woche in der Hauptstadt und in mindestens zehn Küsten-, Anden- und Amazonasstädten Perus. Landesweit fanden Proteste unter anderem in den Andenstädten Arequipa, Cusco, Ayacucho, Juliaca, Huancayo, Abancay, Huancavelica und Cajamarca statt. Auch in den Küstenstädten Trujillo, Piura und Chiclayo sowie in der Hauptstadt des Amazonasgebiets, Iquitos, gab es Demonstrationen mit derselben regierungsfeindlichen Botschaft. Das Motto des Protesttags gegen die Regierung und das Parlament fasste die Forderung breiter Bevölkerungsschichten zusammen, die den Rücktritt des kürzlich ernannten Übergangspräsidenten José Jerí sowie die Auflösung des Parlaments verlangen. Jeri hatte am 10. Oktober die abgesetzte Präsidentin Dina Boluarte abgelöst.
Menschen aller Altersgruppen protestieren gegen Jeri
Die Demonstrationen verzeichneten eine hohe Beteiligung. Der Unmut der Bevölkerung richtet sich gegen die Fortsetzung des Regierungssystems, das vom konservativen Mehrheitskongress kontrolliert wird. Die Menschen hatten sich nicht von einer Medienkampagne beeinflussen lassen, die den Protesten Ziele und Interessen zuschrieb, die nichts mit denen der neuen Generation Z zu tun hatten. Diese hatte die Demonstrationen initiiert. Auch andere Organisationen wie die Gewerkschaft CGTP und der Block der Universitätsstudierenden riefen – der Medienkampagne zum Trotz – zusammen mit sozialen Organisationen zu der Demonstration auf. An der Mobilisierung nahmen vor allem junge Menschen teil, aber auch ältere Menschen waren mit peruanischen Flaggen und Plakaten gegen Jerí und den Kongress stark vertreten und versammelten sich vor Einbruch der Dunkelheit aus verschiedenen Teilen der Stadt auf der Plaza San Martín im Stadtzentrum. Als sie drei Blocks weiter die Allee erreichten, an der sich das Parlamentsgebäude befindet, näherte sich ein hoher Beamter der Nationalpolizei der Spitze des Zuges, grüßte und sagte, dass sie angesichts des friedlichen Verlaufs bis vor den Parlamentspalast weitergehen dürften – ein eigentlich für Proteste gesperrter Bereich. Plötzlich versuchte ein Demonstrant, die mobilen Absperrungen, die den Zugang zum Parlament versperrten, mit Gewalt niederzureißen, und ein anderer, vermummter Demonstrant zündete ein Plakat mit der Aufschrift „Verfassung von 1993” (neoliberal) an. Das kleine Feuer nahm die Polizei zum Anlass, die Demonstration mit Tränengas auseinanderzutreiben. Eine kleinere Gruppe griff die Polizei weiterhin mit Steinwürfen an, wodurch mehrere Polizisten verletzt wurden.
Demonstrant offenbar von Zivilpolizist erschossen
Ein Demonstrant wurde laut Zeugenaussagen von einem mutmaßlichen Polizisten in Zivil an einem Ort getötet, der nichts mit den Unruhen am Protesttag zu tun hatte. Die Regierung wies zunächst jede Verantwortung zurück. Laut übereinstimmenden Zeugenaussagen näherte sich gegen Mitternacht ein Motorradfahrer den Jugendlichen, die sich an diesem Ort aufhielten. Diese beschuldigten ihn, ein „terna”-Agent (verdeckt arbeitender Polizist) zu sein, woraufhin er offenbar nervös wurde und drei Schüsse abgab. Eine Kugel traf einen der jungen Männer in die Brust. Das Opfer, Eduardo Ruiz Sáenz, ein etwa 30-jähriger Hip-Hop-Sänger, wurde in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht, war jedoch bei seiner Ankunft bereits tot, wie der Stellvertreter des Ombudsmanns, Fernando Lozada, bestätigte. Innenminister Vicente Tiburcio forderte eine sofortige Untersuchung und bestritt, dass die Nationalpolizei den Tod verursacht habe. Seine Männer seien nicht in dem Gebiet des Mordes im Einsatz gewesen. Außerdem seien bei dem massiven Einsatz rund um die Demonstration keine verdeckten Polizisten im Einsatz gewesen. Er sagte auch, dass die Staatsanwaltschaft sofort eine Untersuchung eingeleitet habe und erklärte, dass die Polizei nicht auf die Straße gehe, um zu töten, und dass sie bei den Unruhen mit Steinen und pyrotechnischen Gegenständen angegriffen worden sei. Der stellvertretende Ombudsmann berichtete von 24 verletzte Zivilist*innen, darunter drei Schwerverletzte und drei Minderjährige, sowie 71 verletzte Polizisten. Präsident Jeri twitterte sein Bedauern über den Tod des jungen Mannes. Inzwischen hat die Polizei bestätigt, dass ein in Zivil gekleideter Polizist Eduardo Ruíz Sáenz getötet hat. Die Kongressabgeordnete Ruth Luque erklärte, dass der Todesfall ein Beweis dafür sei, dass sich die vor weniger als einer Woche angetretene Regierung von Jerí „in nichts von der von Dina Boluarte unterscheidet, dass sie beschlossen hat zu töten und glaubt, dass auf diese Weise die Probleme des Landes gelöst werden können”.
Seit heute gilt nun der Ausnahmezustand in der Hauptstadt Lima sowie der angrenzenden Provinz Callao. Er soll zunächst für 30 Tage gelten und bedeutet unter anderem die Beschränkung der Versammlungsfreiheit; außerdem kann nun das Militär zusammen mit der Polizei auf den Straßen eingesetzt werden.
Proteste der Opposition eskalieren – Ausnahmezustand verhängt von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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