Polizei attackiert LSBTQ+s

Homosexuelle Menschenrechte
Foto: Charles Hutchins via flickr
CC BY 2.0 Deed

(Mexiko-Stadt, 6. Dezember 2024, agencia presentes).- In kurzer Folge haben gleich zwei homosexuelle Paare körperliche und verbale Angriffe durch die örtliche Polizei gemeldet: Francisco Valdivieso und Brent Mikos wurden im südlichen Bundesstaat Oaxaca von Polizeibeamten geschlagen und in Gewahrsam genommen. In Monterrey im Nordosten des Landes erlitten Karen Lucio und Andrea Gutiérrez bei einer Alkoholkontrolle körperliche Angriffe. Diese beiden Übergriffe sind keine Einzelfälle. Laut der jüngsten nationalen Erhebung zur Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität wurden 2018 30,8 Prozent der Befragten von der Polizei mit Willkür und Diskriminierung behandelt. Am häufigsten wurden Vernehmungen ohne ersichtlichen Grund durchgeführt. Die Plattform Visible, die Meldungen über Gewalt und Diskriminierung gegen LSBTQ+ Menschen in Mexiko sammelt, hat bisher 105 Übergriffe der Polizei auf LSBTQ-Personen in Mexiko registriert. Willkürliche Festnahmen sind n+och häufiger als verbale oder körperliche Angriffe.

Willkürliche Festnahmen und homophobe Übergriffe in Oaxaca

Menschenrechtsaktivist Francisco Valdivieso und Brent Mikos, ein pensionierter kanadischen Lehrer, wurden zehn Stunden lang in einem Kommissariat in Santa María Coyotepec 13 Kilometer von ihrem Verhaftungsort entfernt festgehalten. Francisco hatte einen afro-venezolanischen Migranten verteidigt, der in der Hauptstadt des Bundesstaats von der Polizei bedroht worden war, weil er einen Joint dabeihatte. Francisco klärte die Beamten auf, dass der Oberste Gerichtshof seit Mai den Besitz von Marihuana für den persönlichen Gebrauch erlaubt. „Ich habe der Polizei gesagt, dass sie ihn nicht mitnehmen können, das sei Machtmissbrauch und Rassismus, und es sei nicht in Ordnung, einen Mann mit Migrationshintergrund so einzuschüchtern. Sie sagten mir, dass ich ihre Arbeit behindere und drohten mir, mich in Gewahrsam zu nehmen, wenn ich nicht aufhöre und verschwinde. Wir haben Fotos von den Einsatzfahrzeugen gemacht und sind gegangen. Später wurde ich von Polizisten überwältigt, gekratzt und geschubst, und Mikos wurde in den Polizeiwagen gedrängt und bekam einen Tritt gegen die Schulter“, berichtet Francisco Valdivieso gegenüber Presentes. „Ich glaube, dass es hier eigentlich um meine Geschlechtsidentität ging. Ich bin genderqueer, und meine Stimme nicht sehr männlich ist, ich denke, das war der eigentliche Grund, warum sie mich so behandelt haben.“ Francisco und Mikos wurden fotografiert, die Polizei nahm ihre Personalien auf, und während des zehnstündigen Gewahrsams durften sie mit niemandem telefonieren. Ein Gerichtsmediziner bestätigte, dass Francisco Prellungen und Hautabschürfungen erlitt. Mikos, der Kanadier ist, wurde der Zugang zu einem englischsprachigen Richter verwehrt, auch der Anrufe bei seiner Botschaft wurde ihm verweigert. Beide erhielten eine Anzeige wegen „Ungehorsam und Widerstand gegen die Staatsgewalt“.

Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der Diskriminierung

„Zum Glück gab es Rückhalt aus der Bewegung. Ein Anwalt der Menschenrechtsinitiative Oaxaca (Defensoría de los Derechos Humanos del Pueblo de Oaxaca) sorgte dafür, dass wir wieder rauskamen. Unsere Rechte haben sie uns vorgelesen, aber sie haben uns nicht erklärt, worin genau unser ‚Widerstands gegen die Staatsgewalt’ bestanden haben soll. Ich denke, wir wurden dafür bestraft, dass wir die Polizei kritisiert haben“, sagt Francisco Valdivieso, der seit 23 Jahren als Menschenrechtsaktivist tätig ist. Francisco und Mikos wurden nach 14 Stunden freigelassen, aber die Justizbehörden stellten ihnen keine Bescheinigung über ihre Entlassung aus. „Hier liegt ein Verstoß gegen ein rechtmäßiges Verfahren und gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und sowie die Kriminalisierung des 19-jährigen afro-venezolanischen Migranten vor. Unser Rechtsanspruch, den Grund für unsere Verhaftung zu erfahren, wurde verletzt. Sie haben ewig gebraucht, bis sie uns unsere Rechte vorgelesen haben, wir wurden nicht der zuständigen Behörde vorgeführt, es wurde übermäßige Gewalt angewendet, sie haben versucht, uns einzuschüchtern und uns erst nach mehreren Stunden wieder freigelassen.“ Francisco und Mikos reichten bei der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Diskriminierung (Fiscalía Especializada de Investigaciones en Delitos de Trascendencia Social) eine Beschwerde wegen Amtsmissbrauchs, Diskriminierung, rechtswidriger Freiheitsberaubung und übermäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei von Oaxaca ein. Eine weitere Beschwerde ging zum Büro des Menschenrechtsbeauftragten. Die Staatsanwaltschaft hat dazu keine Stellung bezogen. In einem Telefongespräch mit Presentes war die Justizbehörde nicht in der Lage, eine Erklärung darüber abzugeben, ob es eine laufende Untersuchung gibt und welche Maßnahmen gegen den Machtmissbrauch der Polizist*innen und Verwaltungsangestellten ergriffen werden.

Monterrey: Lesbisches Paar von Verkehrspolizist*innen verprügelt

Am 18. November um ein Uhr morgens gerieten Karen Lucio und Andrea Gutierrez in eine Verkehrskontrolle. Es wurde ein erhöhter Alkoholgehalt der Fahrerin festgestellt. Wie das Paar später in einem Instagram-Live-Video berichtete, verhielten sie sich kooperativ. Die Verkehrspolizei erklärte, man werde Andrea für einen vollständigen Bericht in Gewahrsam nehmen. „Daraufhin versuchten wir, Familienmitglieder und die Polizei zu kontaktieren. Wir hatten nicht vor abzuhauen, aber sie bestanden darauf, das sich Andrea in den Polizeivan setzt. Ich sagte: ‚Hey, zieht sie nicht so!‘, und als ich meinen Arm ausstreckte, riss mich eine Polizistin an den Haaren“, erzählt Karen Lucio. „Andrea lag mittlerweile gefesselt auf dem Boden des Wagens. Ich begann zu filmen, darauf warf mich ein Polizist zu Boden, und sie schlugen zu sechst auf mich ein. Auf den Aufnahmen kann man sehen, wie eine Beamtin mir ins Gesicht schlägt. Zu keinem Zeitpunkt haben wir die Schläge erwidert“, ergänzt Lucio, die einen Nasenbein-Anbruch erlitt. Das Paar gab an, dass ihnen ihre Handys weggenommen wurden, dass ihre Gesichtserkennung benutzt wurde, um auf ihre Daten zuzugreifen, und dass sie gezwungen wurden, die Videos zu löschen, die sie von dem Überfall aufgenommen hatten. Außerdem wurden sie bedroht und mit Handschellen gefesselt. „Sie sagten, wenn ich die Videos nicht lösche, würde ich für weitere Stunden ohne Kaution festgehalten“, so Andrea. Die Polizei sprach Karen die ganze Zeit mit männlichem Pronomen an. Als Andrea sagte, dass Lucio eine Frau ist, reagierten sie mit blöden Sprüchen. Für beide steht fest, dass Lucios Genderidentität der eigentliche Grund für das brutale Vorgehen der Polizei war.

Bürgermeister der Stadt Monterrey entschuldigt sich und ordnet eine offizielle Untersuchung an

Bürgermeister Luis Donaldo Colosio Riojas hat sich über seine sozialen Netzwerke bei Karen und Andrea entschuldigt und die Suspendierung der beteiligten Polizeibeamt*innen angeordnet. Da keine formelle Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde, leitete der Stadtrat von Monterrey eine Untersuchung von Amts wegen durch die Comisión de Honor y Justicia (Kommission für Ehre und Gerechtigkeit) des Innenministeriums ein, die zur endgültigen Entlassung der Verkehrspolizist*innen führen könnte. „Was wir erlebt haben, war traumatisch, und wir leiden jetzt noch unter akuten Traumafolgestörungen. Wir wollen unseren Frieden wiederfinden“, erklärt Lucio, und Gutierrez ergänzt: „Wir wollen Gerechtigkeit. Aber wir haben auch Angst und wollen nicht weiter im Rampenlicht stehen, denn im Moment ist es für uns ziemlich gefährlich, auf die Straße zu gehen.“

 

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