(Rio de Janeiro, 9. Oktober, taz).- Jair Bolsonaro steht kurz vor seinem großen Ziel. Als klarer Favorit geht er in die Stichwahl um die Präsidentschaft Brasiliens. Mit großen Vorsprung und 46 Prozent der Stimmen gewann er am Sonntag den ersten Durchgang. Im ohnehin tief gespaltenen Land bringt er die Gemüter noch mehr gegeneinander auf: Für seine Anhänger ist er der Hoffnungsträger, der angesichts von Wirtschaftskrise und Korruptionsskandalen mit harter Hand aufräumen wird. Seine Gegner werfen dem Rechtsextremisten vor, mit seinem Faible für Waffen und der Diffamierung von Andersdenkenden ein Klima der Gewalt zu schaffen.
Bolsonaros Markenzeichen sind markigen Sprüche und Tabubrüche. Er lobt die Militärdiktatur (1964-1985), plädiert für Folter und Massenerschießungen von Kriminellen, Homosexuellen droht er Prügel an. Während der Abstimmung über die Amtsenthebung der ehemaligen Präsidenten Dilma Rousseff widmete er seine Stimme ihrem Folterer. Seine Hetze hat subtile Überzeugungskraft, Selbstzweifel plagen den 63-jährigen nicht.
Der „Erneuerer“ ist seit 25 Jahren in der Politik und versteht nichts von Wirtschaft
Im Gegensatz zu seinem Image als politischer Erneuerer ist Bolsonaro schon seit über 25 Jahren Bundesabgeordneter. Wie viele seiner Kollegen wechselt auch er ständig die Partei. Seiner sozialliberalen PSL trat er erst dieses Jahr bei, davor war er bereits Mitglied von acht zumeist konservativen Parteien. Mit knapp einer halben Million Stimmen war er 2014 der meist gewählte Abgeordnete von Rio de Janeiro.
Freimütig gibt Bolsonaro zu, nichts von Wirtschaft zu verstehen. Dennoch unterstützen ihn Unternehmer und liberalen Ökonomen enthusiastisch. Sie bauen darauf, dass er seine Ankündigungen wahr macht: Schnelle Privatisierung von Staatsbetrieben, keine Steuererhöhungen, kein Spielraum für Gewerkschaften. Brasiliens riesige Agrarindustrie braucht unter einer Regierung Bolsonaro keinerlei Regulierung von Gentechnik oder Pestizideinsatz zu fürchten. Auch die Landfrage will er auf seine Weise lösen. Er kündigte resolutes Vorgehen gegen Landbesetzer an. Und Indigenen werde er keinen einzigen Hektar Land mehr zuweisen.
„Alle Brasilianer sollen bewaffnet sein, dann gibt es keine Probleme mehr.“
Karriere machte Bolsonaro beim Militär. Er brachte es bis zum Hauptmann und diente als Fallschirmjäger. Schon damals fiel er seinen Vorgesetzten durch aggressives und autoritäres Verhalten gegenüber Kameraden auf. Wegen Ungehorsams kam er Mitte der 80-er Jahre für zwei Wochen in Militärhaft, nachdem er öffentlich höheren Sold einforderte. Heute steht ein Großteil des Militärs und der Polizei hinter ihm.
Gebürtig aus dem Bundesstaat São Paulo, lebt Jair Messias Bolsonaro heute in Rio de Janeiro. Seine Vorfahren stammen aus Italien und Deutschland. Der Katholik war dreimal verheiratet und hat fünf Kinder. Drei seiner Söhne sind ebenfalls in der Politik und errangen bei diesen Wahlen Rekordergebnisse für Parlaments- oder Senatssitze.
Wenn Bolsonaro von seiner Mission spricht, spielt er gerne auf seinen Zweitnamen Messias an. Gott weise ihm den richtigen Weg. Statt eines konkreten politischen Programms plädiert er für die Schaffung einer starken Nation. Moralische Richtschnur sind dabei die traditionellen Familienwerte. Dass ein offenbar verwirrter Attentäter ihn Anfang September mit einem Messerstich verletze, steigerte seine Popularität noch. Seine Losung: Alle Brasilianer sollen bewaffnet sein, dann gebe es keine Probleme mehr.
Jair Bolsonaro: Rechtsextremist greift nach der Macht von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar