(Buenos Aires, 27. Februar 2019, UTT/poonal).- Am Freitag den 15. Februar siegte die Macht Bilder gegenüber jedem Versuch, die Repression der Polizei von Buenos Aires in Worte zu fassen. Bilder von einem Großmütterchen, das Auberginen vom Boden aufklaubte, während bewaffnete Polizisten eine Mauer bildeten, um Petersilie und Co vor dem Verkauf zu „schützen“; von Journalist*innen und landwirtschaftlichen Produzent*innen in Wolken aus Tränengas und von Lieferwagen der Hauptstadtregierung mit kistenweise beschlagnahmtem Gemüse.
Bilder von einem Markt der besonderen Art, dem Feriazo, wo die krisengebeutelte und verarmte Bevölkerung sich zu sehr günstigen Preisen mit frischem Gemüse versorgen kann, das die Produzent*innen ohne Zwischenhandel in die Stadt bringen. Die Feriazos oder auch Verdurazos (verdura = Gemüse, Anm.d.Ü.), die es schon seit 2016 gibt, sollen laut Stadtregierungen nicht mehr stattfinden, weswegen sie die Genehmigungen für 2019 nicht erneuert hat.
BAJEN LAS ARMAS, AQUÍ SOLO HAY PUEBLO… (QUERIENDO COMER)Las imágenes están ahí a la vista. Algunos también la vieron…
Gepostet von Revista Cítrica am Freitag, 15. Februar 2019
Interview mit dem Koordinator der Gewerkschaft der Landarbeiter UTT
Nahuel Levaggi, landesweiter Koordinator der Gewerkschaft der Landarbeiter UTT (Unión de Trabajadores de la Tierra) macht seinen Mate fertig und steht dann für ein Interview zu den Feriazos und dem sozialen Aufruhr vom 15. Februar, der sich dank der Basismedien und den sozialen Netzwerken schnell weiterverbreitet hat, zur Verfügung.
Welche Bilder von der Repression und den Auswirkungen sind dir, einige Tage nach dem letzten Feriazo, im Kopf geblieben?
Es kam zu einem Zusammenstoß, der nicht unbedingt geplant war, zwischen zwei konträren Modellen. Wir wussten, dass es zu Spannungen kommen würde, aber niemals haben wir damit gerechnet. Was wir erlebt haben, war ein Streit um den öffentlichen Raum und darum, welches der beiden Modelle sich durchsetzt. Für uns ist der öffentliche Raum ein sozialer Raum, es ist nicht nur ein Platz. Der letzte Feriazo auf der Plaza Constitución, war ein Wendepunkt für die Gesellschaft, für alle. Es übersteigt uns komplett, was passiert ist, weil wir verstehen, dass es die sehr legitimen Fragen auf den Punkt gebracht hat und dass sie die Barriere der politischen Militanz, der Organisationen und des Protests durchdringen. Das ist der Weg, den wir seit Jahren aufbauen und der darin besteht zu den Massen zu sprechen, zur Gesamtheit der Gesellschaft.
Welche Bilanz zieht ihr als Organisation?
Leider wurden wir durch Repression sichtbarer. Auf den Feriazos treffen die Notwendigkeiten der Produzent*innen und die der Konsument*innen zusammen, also der Bevölkerung die Hunger hat. Und diese Einheit ist unfehlbar. Ich kenne nichts vergleichbares. Hier gibt es nur einen Kampf, mein Problem und deines, und wir tun uns zusammen und lösen es gemeinsam hier auf dem Platz, sichtbar für alle. Ich glaube das ist es, was die Regierung stört. Leider haben wir gelernt, dass wir uns gegenüber der staatlichen Gewalt besser organisieren müssen. Wir waren nicht auf so eine Repression vorbereitet, wir haben nicht damit gerechnet, dass so etwas passieren würde. Das Gute ist, dass wir gelernt haben, dass man vertrauen muss und solche Instanzen aufbauen muss, mit denen sich die Bevölkerung identifizieren kann.
Wie haben die öffentlichen Aktionen der Feriazos angefangen?
Im April 2016 haben wir den ersten Streik durchgeführt, zwei Tage haben wir kein Gemüse geerntet. Das war wichtig, denn die UTT ist von 400 Genoss*innen auf tausende angestiegen. Der Streik war innerhalb des Sektors bekannt, aber er ist nicht durchgedrungen. Später, als die Mittel sich verschärften und ein weiterer Streik diskutiert wurde, haben wir Nein gesagt. Denn wenn wir streiken, wird das Gemüse teurer, weil es weniger gibt, also kann nur der Reiche, nicht aber der Arme kaufen. Wir müssen nicht unterversorgen, wir müssen versorgen und deswegen haben wir den ersten Verdurazo im September 2016 gemacht und der ist explodiert. Wir gingen hin und verschenkten Gemüse an die Bevölkerung. So haben wir an Konsens und Rückhalt gewonnen. Wir wissen, dass man kreativ sein muss und von den traditionellen Protestformen Abstand nehmen muss, deswegen sind die Feriazos mit den sehr günstigen Preisen entstanden. Und auf dem Markt in Constitución haben wir die soziale Funktion der Lebensmittelproduzent*innen erkannt, dass wir eine fundamentale Rolle in der Gesellschaft haben und das gibt uns eine enorme Macht, die Macht des Essens. Und die haben die kleinen Produzent*innen und nicht die großen landwirtschaftlichen Unternehmerverbände. Die teilen nur das Soja unter sich auf, und das interessiert niemanden (der Hunger hat, Anm.d.Ü.). Und diese Macht müssen wir für eine echte Transformation nutzen, nicht für Wahlspekulationen.
Wie geht es in Zukunft weiter?
Am 27. Februar gibt es landesweit Feriazos in verschiedenen Provinzen und auch in der Hauptstadt auf der Plaza de Mayo. Wir möchten eine große städtische Bewegung lostreten und nutzen, dass Millionen die Bilder vom letzten Feriazo gesehen haben. Und wir wünschen uns, dass sich das in einer großen Partizipation der Leute -nicht der Organisationen- ausdrückt. Ohne Bühnen, aber mit Tausenden vor Ort. Wir müssen erreichen, dass die stille Masse, die sich nur auf facebook äußert, sich aufgefordert fühlt zu sagen `da muss ich mit dabei sein, am 27. Februar gehen wir auf die Straße‘. Wir sorgen für Aktionen in 16 Provinzen und werden die Plaza de Mayo füllen, aber der Erfolg wird darin bestehen, dass es uns dieses Mal nicht übersteigt.
Worum geht es bei dem Forum, dass ihr für April plant?
Wir laden zu einem Forum zum Aufbau eines Populären Landwirtschaftsprogramm, denn wir sehen unsere Aufgabe heute nicht darin über Kandidat*inenn zu diskutieren, sondern über Weisungen, Programme und öffentliche Politik. Wir machen einen Vorschlag und wenn jemand kommt und ihn aufgreift, gut. Wir verteidigen ihn auf der Straße. Das stärkt die Macht der Bevölkerung deutlich nachhaltiger, als eine Kampagne für eine*n Kandidat*in. Im April werden wir dieses Forum machen, zwei Tage lang in Ferro und es wir damit enden, dass die Kandidat*innen kommen, die wollen, um ihnen zu sagen: „Das ist das Programm und das ist die Bevölkerung, die es verteidigen wird.“ Jetzt ist der Moment der Stärke gekommen und diese Macht, die wir aufgebaut haben, wollen wir nicht nur innerhalb des Sektors einsetzen, sondern wir wollen weitergehen. Wir haben uns nie öffentlich zu Themen geäußert, die über unseren Bereich hinausgehen. Vor einiger Zeit haben wir angefangen über die Agroökologie zu sprechen und über die Probleme, die das aktuelle Landwirtschaftsmodell mit sich bringt. Aber bei dem letzten Feriazo hat sich die Stimme der Bevölkerung erhoben, der es momentan schlecht geht und die Hunger hat. Es ist doch so: Gegen den Hunger – den Schlagstock oder den Salat. Das entscheidest du.
Gegen den Hunger – Schlagstock oder Salat? von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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