(Mexiko-Stadt, 2. April 2018, npl).- Er hat es wieder getan. Der katholische Bischof Salvador Rangel Mendoza traf sich am Karfreitag (30.3.) mit einem „hohen Drogenboss“ und sprach Ostern offen darüber. Rangel Mendoza steht dem Bistum Chilpancingo-Chilapa im Bundesstaat Guerrero vor. Es ist eine der gewalttätigsten Diözesen in ganz Mexiko. Verschiedene Drogenkartelle kämpfen dort um die Vormachtstellung und Transportrouten. Viele arme Gemeinden leben vom Schlafmohn-Anbau. Mehrfach hat der Bischof in den vergangenen zwei Jahren direkte Gespräche mit Führungspersonen verschiedener Kartelle gesucht – um noch mehr Gewalt zu verhindern, Priester zu schützen und „Frieden für Mexiko zu erreichen“, wie er sagt. Der Erfolg war bisher mäßig. Dennoch trägt sein nicht unumstrittenes Vorgehen zu einer wichtigen Debatte bei.
Konkreter Anlass des Karfreitagstreffens war die Einladung in das Hochlanddorf Pueblo Viejo im Landkreis Heliodoro Castillo. Dort hatte ein Drogenkartell offenbar als Repressalie gegen eine rivalisierende Gruppe die Bewohner*innen vor zwei Monaten von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten. Bischof Rangel erreichte, dass diese Maßnahme rückgängig gemacht wurde. Nach eigenen Worten dankte er dem Drogenboss dafür und brachte ein weiteres Anliegen vor: Die Kartelle sollten die Ermordung von Kandidat*innen für Wahlämter im Bundesstaat einstellen. Im Rahmen der für den 1. Juli angesetzten allgemeinen Wahlen, in denen es auch um das mexikanische Präsidentenamt geht, sind in Guerrero bisher quer durch die Parteienlandschaft zwölf Kandidat*innen ermordet worden. Die von Rangel wiedergegebene Antwort des Kartellvertreters mutet durchaus seltsam an und gibt nicht notwendigerweise die wahren Motive an: Die Morde würden eingestellt, wenn die Politiker*innen keine Stimmen mehr kaufen und ihre Wahlversprechen erfüllen würden.
Erst vor knapp zwei Monaten hatte Bischof Rangel einen ähnlichen „Dialogvorstoß“ unternommen. Damals waren zwei Priester seiner Diözese ermordet worden. Die Staatsanwaltschaft von Guerrero rückte beide in die Nähe des organisierten Verbrechens. Sie lancierte ein Foto, in dem einer der beiden Ermordeten zusammen mit bewaffneten Männern zu sehen war. Bischof Rangel verteidigte die Priester. Er erklärte es für unmöglich, in den Landgemeinden ohne jeglichen Kontakt mit den Kartellen arbeiten zu können. Er äußerte zudem mehrfach Verständnis für arme Landgemeinden, die in Ermangelung von Alternativen und Einkommensmöglichkeiten sowie oft unter Drohungen Schlafmohn für die Drogenhändler anbauen.
21 Priester ermordet
Die katholische Bischofskonferenz stellte sich damals hinter den Bischof der Diözese Chilpancingo-Chilapa und seine Gesprächsversuche. Denn sie sieht kaum Optionen. Unter der Regierungszeit von Präsident Enrique Peña Nieto sind bereits 21 katholische Priester ermordet worden. Unter Vorgänger Felipe Calderón waren es 17. Jeweils deutlich mehr als unter den vorherigen Regierungen. Sowohl Amtsträger der katholischen Kirchen als auch der verschiedenen evangelischen Kirchenströmungen im Land sind verstärkt von Raub, Entführungen und Schutzgelderpressungen betroffen, wie die Tageszeitung El Universal Ende März in einem kleinen Dossier dokumentierte.
Im Februar sprach Rangel von einer Diskreditierungskampagne gegen ihn und einem „rauhen Gespräch“ mit Guerreros Gouverneur Héctor Astudillo. Auch diesmal wären scharfe Reaktionen keine Überraschung. Die regierende PRI besteht trotz einer klar gescheiterten Strategie weitgehend auf dem rein militärischen Vorgehen gegen die Drogenkartelle. Gleichzeitig werden immer wieder politische Amtsträger bis hin zu Gouverneuren und auch Militärangehörige in die Nähe verschiedener Kartelle gebracht. Der bisher in Umfragen führende oppositionelle Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López Obrador hat ebenfalls einen – im Detail sicherlich unausgereiften – Gesprächsvorschlag mit den Kartellen in die Diskussion geworfen. Vonseiten der Regierung gab es darauf wütende Reaktionen und den Vorwurf, López Obrador beabsichtige eine Generalamnestie für die „Narcos“. Rangel sagte im Januar dem Wochenmagazin proceso dazu: “Die Unsicherheit und die Gewalt sind Mexikos Problem Nummer Eins. Darum müssen wir unsererseits alles dazu tun, den Frieden zu erreichen. Wenn López Obrador nun eine Amnestie dafür vorschlägt, dann bin ich mit ihm einverstanden.”
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