
Foto: Palacio do Planalto via flickr
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(Rio de Janeiro, 26. März 2025, npla).- Zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens wird ein ehemaliger Präsident vor dem Obersten Gerichtshof wegen versuchten Staatsstreichs angeklagt. Neben ihm stehen sieben weitere Mitglieder seiner Regierung vor Gericht, darunter drei Generäle der brasilianischen Armee. Sie sollen zu dem gehören, was der Generalstaatsanwalt als „Hauptkern“ einer Gruppe von Anführern bezeichnete, die planten, den Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva an der Übernahme des Präsidentenamts zu hindern. Sie alle streiten die Vorwürfe ab. Das Oberste Gerichts ist jedoch der Auffassung, dass der Generalstaatsanwalt genügend Beweise vorgelegt hat, um ein Strafverfahren einzuleiten. Insgesamt wurden nach den Ermittlungen der Bundespolizei 34 Personen von der Generalstaatsanwaltschaft angeklagt. Sie wurden in fünf Gruppen eingeteilt, deren Fälle nach und nach verhandelt werden sollen.
Trotz schwerer Vorwürfe auf freiem Fuß
Die Annahme der Anklageschrift durch den Obersten Gerichtshof bedeutet nicht automatisch, dass die Angeklagten verhaftet werden. Nach brasilianischem Recht kann eine Verhaftung nur erfolgen, wenn Angeklagte Ermittlungen behindern, Druck auf Zeugen ausüben oder wenn konkrete Fluchtgefahr besteht. Der Angeklagte General Braga Netto befindet sich bereits seit Dezember letzten Jahres in Haft, nachdem die Bundespolizei ihn gewarnt hatte, dass er versuche, die Ermittlungen zu behindern. Der Anklageschrift zufolge war Bolsonaro der Anführer der Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hatte, seine Machtposition auch nach der Wahlniederlage zu erhalten. In der Anklageschrift heißt es: „Die kriminelle Vereinigung bestand mindestens seit dem 29. Juni 2021 und operierte bis zum 8. Januar 2023 unter Einsatz von Waffen (Art. 2 des Gesetzes Nr. 12.850/2013). Die Gruppe setzte Gewalt und schwere Drohungen ein, um die Staatsgewalt in ihrer Ausübung zu behindern (Art. 359-L des Strafgesetzbuchs) und die rechtmäßig gewählte Regierung zu stürzen (Art. 359-M des Strafgesetzbuchs). Die Gruppe trug außerdem durch moralische und materielle Hilfe zur Zerstörung, Vernichtung und Beeinträchtigung von Vermögenswerten der Union bei, indem sie am 8. Januar 2023 in der Praça dos Três Poderes in Brasília einen Anschlag auf den Sitz des Nationalkongresses verübte und brennbare Substanzen einsetzte, wodurch der Union erheblicher Schaden zugefügt wurde.“
Öffentliches Verfahren
Ein Großteil der 272-seitigen Klageschrift ist öffentlich und wurde von den brasilianischen Medien publik gemacht. Darüber hinaus gibt es mehrere Dokumente, Protokolle, Mitschriften geheimer Treffen von Informanten und Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken, die laut der Anklageschrift dazu benutzt wurden, um Militärs, die sich dem Staatsstreich widersetzten, unter Druck zu setzen. Die sogenannten „Verbrechen gegen die Demokratie“, derer die Gruppe beschuldigt wird, wurden während der Regierung Bolsonaro in das brasilianische Strafgesetzbuch aufgenommen. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Gruppen und Bewegungen, die das Vertrauen der Gesellschaft in die demokratischen Institutionen untergraben, mit harten Strafen rechnen müssen. In der öffentlichen Gerichtsverhandlung, die von den Medien übertragen wurde, präsentierte Richter Alexandre Moraes ein Video mit Bildern der Taten vom 8. Januar 2022. Die Aufzeichnungen enthielten auch Bilder der Lager, die Bolsonaro-Anhängern vor dem Armeehauptquartier errichtet hatten, und dokumentierten eine Bombendrohung, die einer der Anhänger Ende 2022 am Flughafen Brasília ausgesprochen hatte.
Bolsonaro sieht sich als Zielscheibe einer Verfolgung
Die Richter des Obersten Gerichtshofs stimmten für die Anklage und erinnerten an die Schrecken der so genannten „Bleiernen Jahre“, die Zeit der Militärdiktatur von 1964 bis 1985. Lediglich Richter Luiz Fux kritisierte die Urteile, die wegen der Taten vom 8. Januar 2023 verhängt worden waren, und sprach sich dafür aus, diese zu überprüfen. Fux äußerte sich besorgt über die Einstufung der von der Oberstaatsanwaltschaft definierten Straftaten sowie über das Strafmaß im Falle einer Verurteilung. Es wird erwartet, dass Fuxs Stellungnahmen von der Verteidigung verwendet werden. Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Gerichtsverhandlung bezeichnete Bolsonaro sich in einer Erklärung an die Medien als „Zielscheibe der größten politisch-juristischen Verfolgung in der Geschichte Brasiliens, die durch uneingestandene Wünsche, Eitelkeiten und klare politische Interessen motiviert ist, um mich an der Teilnahme und dem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2026 zu hindern“.
Es wird erwartet, dass die Richter des Obersten Gerichtshofs noch vor den Präsidentschaftswahlen, die im Oktober 2026 stattfinden, über den Fall entscheiden.
Anklage gegen Bolsonaro und sieben Verbündete von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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