Taibo II diskreditiert literarische Leistungen von Frauen

(Mexiko-Stadt, 28. Oktober 2025, cimacnoticias/lacostillarota/poonal).- Paco Ignacio Taibo II, Direktor des Fondo de Cultura Económico, hat bei einer Pressekonferenz die kostenlose Verteilung von Millionen von Büchern in 14 lateinamerikanischen Ländern angekündigt. Dass von den 27 ausgewählten Autor*innen jedoch nur sieben Frauen vertreten sind, nämlich Nona Fernández, Piedad Bonnett, Alaíde Foppa, Guadalupe Dueñas, Adela Fernández, Blanca Varela und Elena Poniatowska mit einem Vorwort, kommentierte der linke Autor mit den Worten: „Wenn es hier um Quote gehen soll: Ein schrecklich schlechter Gedichtband, der von einer Frau geschrieben wurde, verdient es nicht, in eine öffentliche Buchsammlung mitten in Guanajuato geschickt zu werden, nur weil ihn eine Frau geschrieben hat. Warum sollten wir die Leute mit einem solchen Gedichtband bestrafen?“

Taibo betreibt bewusste Ausgrenzung

Mexiko hat eine Präsidentin. Richtig, eine Frau. Eine, die für Gleichberechtigung einsteht und damit auch indigene Frauen meint, eine Präsidentin, die das Gedenken an unsere Unabhängigkeitskämpferinnen hochhält und immer wieder betont, dass Geschichte etwas wiedergutzumachen hat an Frauen, die verschwiegen und vergessen wurden. Taibo II wagt es dennoch, öffentlich und vor einem riesigen Publikum solche Dinge zu sagen, während diese Präsidentin mit ihm auf einer Bühne steht. Das ist pure Provokation.

Nach Angaben der Nationalen Kammer der mexikanischen Verlagsindustrie (Canaiem) stammte nur ein Fünftel aller 2019 in Mexiko veröffentlichten Bücher von Frauen. Diese Kluft ergibt sich aus den Hindernissen, denen Frauen beim Schreiben begegnen, wie unbezahlte Hausarbeit und prekäre Lebensverhältnisse und vieles mehr. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, einen Verlag zu finden, der sich für weibliche Literatur engagiert, denn wie in jedem anderen Bereich herrscht auch hier Ungleichheit. Und was ist mit unserer eigenen Voreingenommenheit: Von wem sind die Bücher, die wir lesen? Worüber lesen wir? Was entgeht uns? Wie die US-amerikanische Philosophin Nancy Fraser sagt: „Anerkennung ist das Grundprinzip feministischer Forderungen.“ Im ganzen Land organisieren sich Frauen seit Jahrhunderten, um für weibliche Anerkennung, Teilhabe und die Umverteilung der Macht zu kämpfen. Natürlich wurden Fortschritte erzielt. In der Politik wurde mit Hilfe von Geschlechterquoten die Überrepräsentation von Männern eingedämmt und teils sogar Parität erreicht. Doch offensichtlich kann Parität nicht verhindern, dass solche Dinge passieren.

Mexiko, Argentinien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Spanien, Peru – überall, wo der Fondo de Cultura Económica vertreten ist, sollen also frauenfeindliche Präferenzen und patriarchale Voreingenommenheit das Leseangebot bestimmen und sich an der Weltsicht von Männern ausrichten, die den historischen Moment, in dem sie leben, nicht zu verstehen vermögen und deren Voreingenommenheit uns daran hindert, die Welt durch die Hälfte der Menschheit kennenzulernen: die Frauen. Mit seiner Aussage stützt Taibo II die Ausgrenzung von Frauen aus der Literatur. Das Denken wird in der Literatur ausgedrückt, das Wissen wird durch Sprache vermittelt, Poesie ist vielleicht die schönste Form, die Welt zu vermitteln, und dort will Taibo II uns nicht haben.

Frauenfeindlichkeit hat Tradition

Wie viele Männer haben ihre Machtpositionen, ihre Psychotherapie-Couch, ihr Klassenzimmer, ihren Roman und ihre philosophischen Diskurse genutzt, um Frauen zu verunglimpfen? Wie viele haben die Leistungen von Frauen ignoriert und verschwiegen? Wie viele haben die Intellektualität von Frauen geleugnet, sie als langweilig und nutzlos abgetan, nur dazu da, Kinder zu gebären, Männern zu dienen, sich lange Haare wachsen zu lassen und mit Männern zu kokettieren? Wie viele Frauen haben männliche Pseudonyme verwendet, um ihre Romane und intellektuellen Werke veröffentlichen zu können? Wie Simone de Beauvoir sagt, wir werden nicht als Frauen geboren, wir werden dazu gemacht, von einem patriarchalischen System konstruiert. Der große Aristoteles bezeichnete Frauen als „leere Gefäße des schöpferischen Samens”. Molière fand, der einzige, der zu Hause schreiben dürfe, sei der Ehemann. Mary Wollstonecraft bestand darauf, dass Mädchen und Jungen das gleiche Recht auf Bildung hätten. Rousseau entgegnete, es seien die Frauen, die nur nähen lernen wollten, aber an Lesen und Schreiben nicht interessiert seien. Freud behauptete, die „psychosexuelle Entwicklung der Frau“ sei durch ihren fehlenden Penis geprägt; und Einstein meinte, die Evolution habe die Frauen an den ihnen zustehenden Platz verwiesen. Frauenfeindlichkeit, wohin man blickt.

Der Feminismus kämpft darum, diese absurden, unethischen, abseitigen, zutiefst diskriminierenden und reaktionären Benachteiligungen zu dekonstruieren. Die Ähnlichkeit zwischen diesen Herren von einst und Taibo II, der die öffentlichen Büchersäle nicht mit schrecklichen Gedichtbänden von Frauen bestrafen will, ist offensichtlich. Taibo II war es, der entschied, dass in einem mit öffentlichen Mitteln finanzierten Programm Ausgabe mit 27 Titeln nur sieben Frauen vertreten sein sollten, weil es aus seiner patriarchalen Sicht keine Dichterinnen gibt, die in dieser Auflage von mehr als zwei Millionen Büchern vertreten sein sollten.

Wie sollten Frauen auf so eine Provokation reagieren?

Wie Rosario Castellanos schrieb…

„Auf, zu singen in den Innenhöfen

 das Haar offen, mit den anderen Frauen

Hymnen der Dankbarkeit und Lobgesänge.“

Aus Protest gegen Taibos Auftritt kamen Schriftstellerinnen, Dichterinnen, Künstlerinnen und Initiaiven zu einer poetischen Versammlung zusammen, um ein paar „schreckliche Gedichte” für Taibo zu lesen, denn wie die guatemaltekische Schriftstellerin Gisela López sagt:

„Es ist notwendig, den Bann zu brechen.

Den Bann, der Frauen aus den Geschichtsbüchern,

aus den Machtbereichen, aus den Anthologien auslöscht…“

Der Forderung, Taibo II den Vorsitz Fondo de Cultura Económico zu entziehen, will Präsidentin Sheinbaum nicht nachkommen. Taibo sei ein „großartiger Weggefährte“, so die Präsidentin. Fragt sich nur, ob wir den gleichen Weg haben.

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