Paolo Freire wird 100: Keine Würdigung der Regierung

(Montevideo, 19. September 2021, la diaria).- Am 19. September vor hundert Jahren wurde der Pädagoge und Philosoph Paulo Freire in Brasilien geboren. Er gilt als einer der bekanntesten brasilianischen Intellektuellen, der in der gesamten Welt wegen seiner Forschungen im Bereich der Pädagogik respektiert wird. In Brasilien, als auch in vielen anderen Teilen der Welt, wurde dem Verfasser der „Pädagogik der Unterdrückten“ (Pedagogia do Oprimido) – seinem wohl bekanntesten Buch – gedacht.

Freire wurde 1921 in Recife geboren und verstarb 1997 in São Paulo. Selbst Google gedachte seinem Geburtstag mit einer Animation auf der Startseite. Eduardo Bolsonaro, Parlamentsabgeordneter und Sohn des Präsidenten, reagierte darauf per Twitter, indem er dem amerikanischen Unternehmen „Ideologie“ vorwarf. „Wundert euch nicht, wenn die nächste Hommage von Google das Gesicht von Expräsident Lula zeigt“, fügte er hinzu. Präsident Bolsonaro selbst, als auch der offizielle Staatsapparat, thematisierten Freires Geburtstag nicht.

Espräsident Lula würdigt Freires Engagement

Der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hingegen gedachte dem Geburtstag mit einem veröffentlichten Video in seinen sozialen Netzwerken, wo er den Kampf des Pädagogen für eine Bildung für die Bevölkerung lobte. „Den 100. Geburtstag von Paulo Freire zu feiern bedeutet, sich an die wahre Geschichte eines großen Pädagogen zu erinnern, der vom Militärregime verfolgt wurde und selbst heute noch von vielen Menschen, die der Bildung keinen Respekt entgegenbringen, nicht akzeptiert wird“, sagte Lula, der ebenso wie Freire im Bundesstaat Pernambuco geboren wurde.

An die Unterstützer*innen von Bolsonaro gerichtet sagte der Vorsitzende der Arbeiterpartei PT: „Jedes Mal, wenn jemand über Paulo Freire lügt, haben wir die Pflicht zu sagen, wer es war“.

Einstweilige Verfügung gegen Regierung

Die Menschenrechtsorganisation Movimiento Nacional de Derechos Humanos, hat zudem Anzeige bei dem Bundesgericht in Río de Janeiro erstattet, um zu verhindern, dass die brasilianische Regierung „disqualifizierende Maßnahmen“ am Geburtstag Freires durchführt. Die Richterin Geraldine Vital akzeptierte das Gesuch und veranlasste eine einstweilige Verfügung, die es der Regierung untersagt, „jegliche institutionelle Maßnahme durchzuführen, die die Würde von Professor Paulo Freire untergräbt“.

Die Onlinezeitung Brasil de Fato erinnerte daran, dass Bolsonaro während der Wahlkampagne 2018 in seinem Regierungsprogramm vorgeschlagen hatte, „die Ideologie von Paulo Freire“ aus dem Bildungswesen zu streichen. Auch während eines Wahlkampftreffens mit Geschäftsleuten aus dem Bundesstaat Espírito Santo sagte der rechtsextreme Ex-Hauptmann, man müsse „mit einem Flammenwerfer in das Bildungsministerium eindringen, um Paulo Freire da rauszuholen“.

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