(Montevideo, 9. April 2019, la diaria).- Was seit mehreren Wochen als offenes Geheimnis galt, wurde schließlich bestätigt: Der Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, ordnete die Absetzung von Bildungsminister Ricardo Vélez an – einem seit 1997 in Brasilien eingebürgerten Kolumbianer. An seine Stelle tritt Abraham Weintraub, Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor, der die Regierung vor ihrem Amtsantritt auf dem Gebiet der Reform der sozialen Sicherheit beraten hat.
Weintraub – der außerdem über eine umfangreiche Laufbahn auf dem Gebiet der Kapitalmärkte verfügt – übernimmt das Ministerium mit der Aufgabe, ein festgefahrene Behörde wieder in Gang zu bringen. Schuld daran ist die ineffiziente Führung von Vélez, die von verschiedenen Seiten in der Kritik stand. Seit seinem Amtsantritt hatte der Ex-Bildungsminister vermehrt unglückliche Entscheidungen getroffen und ebensolche Erklärungen abgegeben. In den weniger als 100 Tagen, die er an der Spitze des Ministeriums stand, entließ er 92 hohe Beamt*innen – eine Maßnahme, die die Behörde zum Erliegen brachte.
Vélez hatte jede Unterstützung verspielt
Vélez war auf Vorschlag von Olavo de Carvalho ernannt worden , einem ideologischen Vorbild Bolsonaros, der großen Einfluss auf dessen politische Haltung hat, was jedoch im militärischen Umfeld zu großem Widerstand führt. Schließlich jedoch entzog Olavo selbst dem Ex-Bildungsminister seine Unterstützung mit der Argument, dieser mache seine Sache nicht gut. Am Wochenende des 6. und 7. April 2019 veröffentlichte er auf Twitter: „Ich werde nichts gegen ihn unternehmen, aber ich werde es nicht bedauern, wenn man ihn aus dem Ministerium wirft“.
Jenseits dieser Diskussionen innerhalb der Regierung zwischen Angehörigen des Militärs und rechtsgerichteten Bürger*innen informierte die Tageszeitung Folha de São Paulo darüber, dass amtierende und sich im Ruhestand befindende Generäle im Umfeld des Präsidenten die Ernennung einer Person mit technischem Hintergrund verteidigten, auch wenn dieser zwar auf wirtschaftlichem und akademischem Gebiet anerkannt, aber ein Unbekannter in der Politik sei. Der neue Minister ist jedoch ebenfalls ein Anhänger von Olavo, was Analytiker*innen als eine erneute Niederlage des Militärs ansehen, welches für dieses Amt jemanden bevorzugt hätte, der ihnen nahe steht.
Rock’n’Roll und Antikommunismus
Was Olavo anbetrifft, so äußerte sich Weintraub, dass dieser „sehr gute Ideen hat“, er aber „das von ihm Gesagte nicht wortgetreu“ befolgen werde. Er fügte hinzu: „Nur weil mir die klassische Musik gefällt, höre ich nicht auf, ab und zu Rock’n Roll zu hören.“ Diese Erklärungen gab Weintraub bei einem Treffen von Vertreter*innen der Rechten aus verschiedenen Bereichen im Dezember 2018 in der Stadt Foz do Iguaçu ab.
Dort hatte Weintraub bekräftigt, dass man „Olavos Ideen annehmen muss, um den ‚kulturellen Marxismus‘ zu besiegen“. Während dieses Treffens verteidigte der jetzige Bildungsminister „die Beseitigung des Kommunismus“ in seinem Land und bekräftigte, dass es notwendig sei, der Bedrohung durch islamische Terrorangriffe zu verhindern, damit Brasilien „zu einem der friedlichsten Länder der Welt“ werde.
Am 8. April 2019 sagte Weintraub nach seiner Ernennung in einem kurzen Auftritt vor Journalist*innen: „Ich bin ein absoluter Techniker. Meine Aufgabe ist es, auf sachliche, ruhige und effiziente Art und Weise umzusetzen, was im Regierungsprogramm steht, um so für das Wohlbefinden der Bürger*innen zu sorgen. Denn das Ziel des Staates ist es, den Bürger*innen zu dienen“.
Umfragewerte von Bolsonaro im Sinkflug
Der Wechsel im Kabinett Bolsonaros findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem dessen Popularität sich in freiem Fall befindet. Einer Umfrage des Instituts Datafolha zufolge haben 30 Prozent der Brasilianer*innen ein „schlechtes oder sehr schlechtes“ Bild des Staatschefs und 33 Prozent ein „normales“. Die von Folha de São Paulo veröffentlichte Umfrage zeigt Bolsonaro als zu Beginn seiner Amtsführung unbeliebtesten Präsidenten seit der Wiedereinrichtung der Demokratie in 1985. Andere, kürzlich durchgeführte Umfragen der Meinungsforschungsinstitute Ibope und XP bescheinigen ebenfalls einen drastischen Abfall der Popularität in der dreimonatigen Amtszeit.
Bolsonario reagierte mit Ironie auf die Umfrage von Datafolha. „Datafolha? Ich werde keine Zeit damit verschwenden, eine Umfrage von Datafolha zu kommentieren, die seinerzeit auch voraussagten, dass ich die Stichwahl von 2018 verlieren würde“, sagte er.
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