(Mexiko-Stadt, 20. Juni 2019, cimacnoticias).- Mexiko geht mit neuen restriktiven Maßnahmen gegen Migrant*innen aus Mittelamerika vor. Das Innenministerium hat die Busunternehmen des Landes in einem Brief darauf hingewiesen, dass diese vor der Reise die Papiere ihrer Passagiere prüfen müssten. Dazu seien sie durch das Migrationsgesetz verpflichtet. Der Brief wurde zwar schon im April verschickt, der Druck auf die Firmen aber seit Anfang Juni erhöht. Am 7. Juni hat Mexiko in den USA eine „Migrationsvereinbarung“ unterzeichnet, um von US-Präsident Trump angekündigte Strafzölle abzuwehren.
Mehrere Unternehmen, wie ADO, Flecha Amarilla und EPN kündigten diese Woche an, der Anweisung künftig Folge zu leisten. Doch die Maßnahme ist nach Angaben des Instituts für Frauen in der Migration (Imumi) verfassungswidrig. Nach dem Gesetz habe jede Person in Mexiko das Recht, sich im ganzen Land zu bewegen, ohne einen Reisepass zu benötigen, erklärte die Politik-Koordinatorin des Imumi, Berenice Valdez Rivera im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Cimacnoticias.
Zudem würde die Maßnahme deutlich mehr Mexikaner*innen als Migrant*innen treffen. Denn obwohl bereits seit 1996 Pläne bestehen, einen Personalausweis einzuführen, gibt es dieses Dokument bisher nicht. Die meisten Mexikaner*innen weisen sich mit ihrem Wahlausweis aus. Doch nach Angaben des Nationalen Wahlinstituts haben nur 89 von rund 120 Millionen Einwohner*innen diesen Ausweis. Und über einen Reisepass verfügen dem Statistikinstitut Inegi zufolge nur zehn Prozent der Bevölkerung.
Auch Tagelöhner und Minderjährige betroffen
Am meisten betroffen werden von der Maßnahme laut Valdez ohnehin schon benachteiligte Gruppen wie Tagelöhner oder Minderjährige. „Diese Maßnahme steht dem Diskurs von Präsident Andrés Manuel López Obrador, er werde eine Politik für die Armen machen, diametral entgegen. Sie trifft die Ärmsten, Migrant*innen und die indigene Bevölkerung.“
Gerade für Frauen auf der Flucht und ohne Papiere wird die Reise riskanter, wenn sie sich in der Zukunft private Mitfahrgelegenheiten suchen müssen. „Frauen reisen im Allgemeinen auf dem Landweg“, so Valdez, „weil sie der Ansicht sind, dass dies weniger Risiken birgt. Aber in Mexiko gibt es immer noch so viel Korruption und so viele Gruppen der organisierten Kriminalität, dass sie leider mehr Menschenrechtsverletzungen und Gewalt ausgeliefert sein werden.“
Höhere Risiken für Frauen
Die Imumi-Expertin kritisiert, dass die Handlungen der Regierung dem Diskurs von Andrés Manuel López Obrador und seiner Minister*innen entgegenstehen. In einem Brief an Trump berief sich AMLO auf humanitäre Werte. „Die Menschen verlassen ihr Land nicht aus Lust und Laune, sondern aus Notwendigkeit. Wie kann es sein, dass das Land der Brüderlichkeit mit Migranten sich von einem Tag auf den anderen in eine Festung verwandelt, in der Menschen, die fest entschlossen sind, der Not zu entkommen, stigmatisiert, eingesperrt und abgeschoben werden?“ fragte er.
Als Anfang des Jahres erneut mehrere Karawanen von Migrant*innen aus Honduras, El Salvador und Guatemala nach Mexiko unterwegs waren, kündigten Innenministerin Sánchez Cordero und ihr Staatssekretär die Ausgabe von „humanitären Visa“ für die Menschen an, die Mexiko auf dem Weg in die USA durchqueren wollten. „Doch diese Politik dauerte gerade einmal einen Monat“, so Valdez. Imumi hat beobachtet, dass schon seit Februar die Daumenschrauben wieder angezogen werden, also lange vor Trumps Drohung . So wird beispielsweise die Ausgabe der Visa deutlich in die Länge gezogen.
Menschenrechtler verhaftet
Am 5. Juni wurden die bekannten Menschenrechtsverteidiger Irineo Mujíca und Cristóbal Sánchez, die sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzen, verhaftet – aufgrund von Vorwürfen, für die die Staatsanwaltswaltschaft nach Angaben der Organisation Propuesta Cívica bisher keine Beweise erbracht hat. Kurz nach der „Migrationsvereinbarung“ schickte AMLO schliesslich 6.000 Soldat*innen an die mexikanische Südgrenze.
Doch ob all diese Maßnahmen Donald Trump beruhigen werden, bezweifelt Berenice Valdez. „Die Vereinbarung läuft für 90 Tage. Und niemand weiß, welche Indikatoren Trump dann heranziehen wird, um festzustellen, ob der Strom der Geflüchteten tatsächlich gestoppt wurde.“ Die Expertin befürchtet, dass die USA dann versuchen werden, weitere Maßnahmen zu erzwingen. Die Absicht, Guatemala zum sicheren Drittstaat zu erklären, sei ein eindeutiger Versuch, die Asylsuchenden nach Mexiko umzulenken. Dabei gibt es jetzt schon eine Vereinbarung zwischen den Nachbarstaaten, nach der neue Asylsuchende ihren Prozess auf mexikanischem Territorium abwarten müssen- das kann Jahre dauern.
„Bevor wir zu einem gigantischen Wartesaal der USA werden“, meint Valdez, sei es Zeit, dass Mexiko am Verhandlungstisch endlich „Nein“ sage.
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