Lesbische Erotik in einem Musikvideo löst kontroverse Diskussionen aus

(Lima, 30. August 2012, semlac).- In einem Videoclip der kubanischen Band Buena Fe wird eine Romanze zwischen zwei Frauen dargestellt. Das Musikvideo zu ihrem Stück „Ser de sol” hat die Debatte über Homosexualität, die audiovisuelle Darstellung sexueller Vielfalt und die Zensurpraxis kubanischer Fernsehanstalten wieder aufleben lassen.

Im Internet wurde die Diskussion durch einen Beitrag des Bandleaders Israel Rojas angefacht. „Es könnte sein, dass die Geschichte, die in diesem Videoclip erzählt wird, in einigen immer noch sehr konservativen Teilen unserer Gesellschaft auf Missfallen stößt, obwohl die Toleranz gegenüber den verschiedenen sexuellen Identitäten eigentlich täglich wächst“, heißt es da. „Bei der Gestaltung des Videos wurde viel Wert auf Ästhetik gelegt, und so gelingt es, in schönen Bildern eine Geschichte zu erzählen, die jedem uns passieren könnte, und zwar überall auf der Welt“, so Rojas weiter.

Breite Unterstützung für Video

Im Anschluss an diese Erklärung unterstützten verschiedene Websites, Aktivist*innen und Nutzer*innen sozialer Netzwerke die Proteste gegen den Boykott des Videos durch das Fernsehen und die Presse. Auf der Facebook-Seite von Buena Fe wurden über einhundert Kommentare gepostet. Die Mehrzahl spricht sich für das Video aus, in einigen Beiträgen kommen jedoch auch Vorbehalte gegenüber Homosexualität zum Ausdruck.

„Ich habe den Videoclip einfach als künstlerischen Beitrag zu einem sehr umstrittenen Thema betrachtet, über das man geteilter Meinung sein kann. Ich selber bin nicht homosexuell, aber das bedeutet nicht, dass ich das Video nicht als eine gelungene künstlerische Darstellung wertschätzen kann, die wie immer gut und im wahrsten Sinne des Wortes “de Buena Fe”, nach bestem Wissen und Gewissen gemacht ist“, lautet einer der Kommentare.

Dennoch konnte der TV-Boykott das breite Interesse an dem von Filmemacher Ian Padrón gedrehten Video zu “Ser de sol” nicht verhindern: Innerhalb kurzer Zeit war das Stück mehr als 5000-mal angeklickt worden. Das TV-Programm Premios Lucas strahlt schließlich den Clip erstmalig aus; in der Rangliste des gleichnamigen Programms, in dem die besten neu veröffentlichten Musikvideos prämiert werden, steuert der Clip gerade auf Platz eins. Auch auf YouTube wurde das Video mittlerweile über 20.000-mal angeklickt. Die Diskussionen beruhigten sich erst, nachdem das Video in dem von Cubavisión ausgestrahlten Nachtprogramm Fuera de Rosca gezeigt wurde. Cubavisión ist einer der beliebtesten Sender des Landes.

Darstellung sexueller Vielfalt

„Ser de sol” ist nicht das erste Musikvideo, das auf einfühlsame Weise das Thema sexuelle Vielfalt aufgreift. In dem Video zum Buena Fe-Stück „Todo el mundo cuenta” tritt eine Transperson auf. Bei dem Clip führte Tupac Pinilla Regie. Schon in der Vergangenheit war sexuelle Vielfalt thematisiert worden, so in dem von Alfredo Ureta gedrehten Video zu dem Stück “Lo que Dios te dio” des Liedermachers Gerardo Alfonso und in dem Video zu “Mamá” von Raúl Paz, bei dem Gretel Echarte die Regie führte. Beide Clips liefen im Fernsehen und nahmen am renommierten Festival Lucas teil. Die Videos der kubanischen Popmusik und des Reggaetón arbeiten mittlerweile sehr häufig mit Körperkontakt und augenzwinkernden Tänzerinnen; die Protagonisten, denen ihre gesteigerte Aufmerksamkeit zuteil wird, sind jedoch in der Regel Männer.

Im Unterschied zu den vergleichsweise gefälligen Darstellungen in den oben genannten Videoclips steht in „Ser de sol” die lesbische Romanze im Mittelpunkt der Handlung, und so, wie die Entwicklung dargestellt wird, könnten man vermuten, dass die beiden Frauen sich füreinander entscheiden und bereit sind, ihre Beziehungen zu ihren Partnern (den Bandmitgliedern) aufzugeben. Der Clip kommt ohne plumpe Zurschaustellung aus, bleibt jedoch in der Überhöhung des erotischen Elements verbunden mit dem festgelegten heteronormativen Blick auf den weiblichen Körper und die lesbische Anziehung.

Während sich zwischen den Protagonistinnen ein Verführungsspiel entspinnt, ist die Kamera darauf bedacht, die Sinnlichkeit der Körper der beiden Darstellerinnen zu erfassen. In dem Bemühen, der Romanze zwischen den beiden Frauen in der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit den Anschein einer tiefen emotionalen Verbindung zu geben, arbeitet der Clip mit kleinen Flashbacks. Trotz der klaren Aufforderung des Clips, auf Verständnis und Verständigung zu setzen und das Leben mit allen seinen Überraschungen zu nehmen, ziehen einige der Zuschauer*innen das Lächeln der beiden betrogenen Männer, die ihre Freundinnen beim Knutschen erwischen, in Zweifel.

Kritik an ‚Quotierung‘ von Homosexualität

In einem seiner Beiträge spricht der Aktivist und Blogger Francisco Rodríguez Cruz alias “Paquito, el de Cuba”, die Darstellung der sexuellen Vielfalt im Fernsehen an und legt damit den Finger in die Wunde. „Das eigentlich Üble ist, wenn sexuelle Vielfalt als Thema in die Programmgestaltung aufgenommen wird, um irgendeine “Quote” zu erfüllen oder eine “thematische Ausgewogenheit” zu erreichen, obwohl die Leiter*innen der Fernsehanstalten ganz klar gegen männliche und weibliche homosexuelle Orientierung eingestellt sind. Viele betrachten Homosexualität als etwas Unschönes und Unnützes, um das man leider nicht herumkommt und es deshalb in der richtigen „Dosis“ präsentieren muss. Aber im Grunde geht es hier weder um Verständnis noch um Akzeptanz.“

Fachleute weisen darauf hin, dass neben dem Dosierung durch der Fernsehanstalten auch noch die Gefahr der Kommerzialisierung homosexueller bzw. Trans-Identitäten bestehe. Ebenso sei zu befürchten, dass sexuelle Vielfalt vor den Karren strategischer Marktinteressen gespannt werde. Dennoch hat sich die Debatte überwiegend auf die Kritik an überholten Denkmustern und ihren Einfluss auf die Programmgestaltung konzentriert.

Als der Lucas-Programmdirektor Orlando Cruzata bei Facebook die Ausstrahlung des Clips im Fernsehen ankündigte, forderte er seine Leser*innen gleichzeitig auf, das Feld nicht zu räumen: „Liebe Freundinnen und Freunde, wir können es uns nicht erlauben, der Gleichgültigkeit unseren Raum zu überlassen, und wir dürfen nicht schweigen angesichts der längst überholten Positionen, die die Zukunft unserer Kinder belasten. Wir dürfen uns nicht geschlagen geben. Nicht, wenn wir an das glauben, wofür wir kämpfen und für das wir eintreten.“

 

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