Exzessives Angebot kaloriendichter Nahrung

Bild:  Seit 2020 müssen auf der Vorderseite verpackter Lebensmittel schwarze Warnsymbole stehen, wenn der Inhalt die empfohlenen Mengen an Kalorien, Zucker, gesättigten Fettsäuren oder Salz überschreitet. Foto: Nancy Mireliz Ortiz Dominguez.

(Mexiko-Stadt, 12. Januar 2024, DGCS-UNAM).- Dass hochverarbeitete Produkte immer öfter angeboten und auch stärker konsumiert werden, ist nur möglich, weil sich die Lebensmittelindustrie mit anderen Wirtschaftszweigen verbandelt. Außerdem herrscht eine hohe Durchlässigkeit und Integration in den Dienstleistungssektor durch die unternehmerische Kontrolle der Lebensmittelversorgung und -verteilung.

In Mexiko beispielsweise stieg der Konsum hochverarbeiteter Produkte von 39,5 Prozent im Jahr 2000 auf 46,6 Prozent in 2020. Das ergibt eine Untersuchung von Agustín Rojas Martínez, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsforschung (IIEc) der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México).

Der Forscher gibt an, dass sich in den letzten 23 Jahren auch die Orte verändert haben, wo Lebensmittel verkauft werden. “Märkte und Supermärkte sind die traditionellen Kanäle für Essen und Trinken und dessen Zahlen haben sich zwischen 2010 und 2020 stark entwickelt. Die Anzahl der Märkte ist um 34 Prozent gesunken, von 1,7 Millionen auf 1,1 Millionen. Gleichzeitig verdoppelten sich Supermärkte von etwa 3.100 auf 6.500.”

Sogenannte Minisupermärkte sind dabei die Läden, die mit einem Anstieg von fast 170 Prozent am meisten gewachsen sind. Fast Food-Restaurants zeigen jedoch eine sehr ähnliche Wachstumsrate. Gab es 2010 noch 387.000 im ganzen Land, so waren es zu Beginn der Pandemie schon 1,3 Millionen; ein Wachstum von 166 Prozent.

Während der Konferenz “Vom Essen zur Gesundheit: Herausforderungen im Lebensmittelbereich mexikanischer Familien” der UNAM unterstrich der Akademiker, der den Forschungseinheiten für Stadt- und Regionalökonomie und für die Ökonomie des Agrar- und Ernährungssektors des IIEc angehört:

Mexiko registriert ein exzessives Angebot und eine erhöhte Nachfrage von Speisen und Getränken mit hoher Kaloriendichte, darunter Fertiggerichte und ungesundes Essen mit hohen Zucker-, Transfett- oder Salzgehalten. Diese trugen wenig Positives zur Ernährung bei. Ihr exzessiver Konsum wird außerdem mit Epidemien wie Übergewicht und chronischen, vererbbaren Krankheiten in Verbindung gebracht.

Daher soll der mexikanische Staat die Ernährungsautarkie bei strategischen Gütern wiederherstellen. Dazu gehörten die lokale und regionale Produktion und der vereinfachte Zugang auf nationalem Level.

Des Weiteren fordert Agustín Rojas Martínez eine klare Strategie, wie industriell verarbeitete Lebensmittel reglementiert werden können, um mit gesundem und nahrhaften Speisen gegen die hohe Übergewichtsrate und andere Krankheiten vorzugehen.

Konsum und Verantwortung

Im Saal „Miguel Ángel Herrera Andrade“ des Wissenschaftshauses der Generaldirektion für die Verbreitung der Wissenschaft vertrat Rojas Martínez die Ansicht, dass nicht Verbraucher*innen für diese Situation verantwortlich gemacht werden sollten. Stattdessen seien es Verarbeitungsunternehmen, die die Einkaufsräume kontrollieren oder „einkreisen“. Ein Beweis dafür sei die Vervielfachung der Convenience Stores.

Der Mensch wurde darauf konditioniert, sie zu konsumieren, so Rojas Martínez. Und sie machten aufgrund ihrer Bestandteile sogar süchtig. Eine mögliche Strategie zur Bekämpfung er ungesunden Ernährung sei es, zu lernen, Gerichte wieder selbst zu kochen. Fehlendes Wissen oder Zeit seien keine Argumente gegen eine angemessene Ernährung.

Eine nationale Befragung des Haushaltseinkommens und der -ausgaben des Nationalen Instituts für Statistik und Geographie bestätigt: die Ausgaben für rohe oder minimal verarbeitete Lebensmittel seien zwischen 2000 und 2020 zurückgegangen. Im Gegensatz dazu seien die Durchschnittsausgaben für ungesundes Essen stark gestiegen.

Trotz vieler Bekämpfungsmaßnahmen – der Konsum und die Ausgaben für ungesundes Essen steigt stetig. Im Jahr 2014 betrugen die Einnahmen 16,7 Millionen Pesos, 2021 waren sie mit 25,6 Millionen Pesos nahezu doppelt so hoch. Dabei versucht die mexikanische Regierung mit ihrer Nationalen Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes schon seit 2014, den Kauf zuckerhaltiger Getränke und nicht-essentieller, kalorienreicher Lebensmittel einzudämmen. 2018 kamen außerdem Stempel hinzu, die ungesunde Lebensmittel klar kennzeichnen.

Der Experte warnt: Das Problem des Übergewichts dürfe nicht auf fehlende Bewegung und einen sitzenden Lebensstil reduziert werden. Daneben spielten andere Faktoren eine zentrale Rolle: Kultur, Essensgewohnheiten, Kenntnisse der Ernährung, Zugang zu Lebensmitteln, Kaufkraft, sozialer Einfluss, Verteilung von Speisen innerhalb der Familie, Werbung, Bequemlichkeit, Zeit, Stimmung sowie Gesundheitszustand.

Übergewicht

Rojas Martínez, der 2017 den zweiten Platz des Dr. Ernest Feder-Preises gewann, wiederholte außerdem Schätzungen der World Obesity Federation: Dass in diesem Panorama der süchtig machenden Lebensmittel der Anteil der Menschen mit einer Form des Übergewichts nur steigen kann. Die Organisation schätzt, dass die Krankheit im Jahr 2050 neun von zehn Mexikaner*innen betreffen könnte.

Die Studie der World Obestity Federation rechnete auch aus, dass Übergewicht das mexikanische Gesundheitssystem 2019 rund 26 Milliarden US-Dollar kostete. Das entspricht 2,1 Prozent des BIPs oder 204 US-Dollar pro Kopf. Diese versunkenen Kosten werden sich 2060 auf 159 Milliarden US-Dollar belaufen, so projiziert sie. Das wären dann 4,67 Prozent des nationalen BIPs.

Übersetzung: Patricia Haensel

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