von Markus Plate
(Berlin, 28. Oktober 2014, npl).- Die aktuelle Ebola-Epidemie ist der bislang größte Ausbruch der Krankheit seit seinem ersten Auftreten vor 40 Jahren. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gibt es mittlerweile über 4000 Todesfälle und fast 10.000 Infektionen, vor allem in den westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone. Europa und Nordamerika denken darüber nach, wie sie sich schützen und viel zu spät, wie sie Westafrika helfen können. Die USA haben mittlerweile strenge Quarantänebestimmungen für Verdachtsfälle eingeführt, Nothilfe für die betroffenen Länder kommen dagegen nur spärlich zusammen. Viel mehr scheint der globale Norden nicht zu bieten zu haben. Doch! Ein Impfstoff soll demnächst bereitstehen. Vier Jahrzehnte nach der ersten Epidemie!
Professor Marco Vinicio Boza ist Internist, spezialisiert auf Intensivmedizin und DER Experte für Ebola in Costa Rica. Professor Boza arbeitet im Hospital Calderón Guardia, einem der ältesten öffentlichen Krankenhäuser des Landes und dem Geburtsort des costaricanischen öffentlichen Gesundheitssystems.
Welche Gefahr droht Costa Rica durch Ebola und wie bereitet sich das Land auf mögliche Fälle vor?
Boza: „In Costa Rica und im Rest Zentralamerikas haben wir sehr wenige touristische und Handelsbeziehungen mit Westafrika. Somit ist das Risiko einer Ausbreitung sehr gering. Trotzdem müssen wir gewappnet sein. In Costa Rica haben wir 900 Gesundheitszentren und wir schulen insbesondere die Gesundheitszentren in möglichen Risikoregionen: In Hafenregionen, in der Nähe des Flughafens, in Grenznähe. Damit dem Personal dort das Risiko bewusst ist, damit sie wissen, wie sie Verdachtsfälle erkennen und was in Verdachtsfällen zu tun ist. Dazu haben wir in der Hauptstadtregion spezialisierte Krankenhäuser, wo eine Isolierung und Behandlung von Ebola-Patienten möglich ist. Aber darüber hinaus ist Gesundheit eine Verantwortung aller! Wir alle müssen wissen, was Ebola ist und wohin wir Betroffene schicken können. Dafür hat es hier eine breite Informationskampagne über die Medien, und auch über soziale Netzwerke gegeben.“
Costa Rica hat ein im Vergleich zu den Nachbarländern vorbildliches Gesundheistsystem. Costa-Ricaner*innen sterben an Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen, kaum noch an Infektionskrankheiten. Einen Dengue-Ausbruch im letzten Jahr hat Costa Rica recht gut unter Kontrolle bekommen. Sie sagen, dass Costa Rica auch für Ebola recht gut gerüstet ist. Aber wie sieht es in anderen Ländern der Region aus, wo Gesundheitssystem und Gesundheitsaufklärung viel schwächer sind?
Boza: „In El Salvador zum Beispiel oder in Honduras, die mit Gewalt, großer Armut und einem sehr viel schwächerem Gesundheitssystem zu kämpfen haben, dort wäre ein Ebola Ausbruch ein riesiges Problem. Schauen wir nach Haiti, dort sind die Behörden mittlerweile nicht mal mehr in der Lage, Fälle heimischer Krankheiten wie Malaria, Dengue oder Chikungunya zu erfassen. Ein Ebola Ausbruch in Haiti wäre eine wahre Katastrophe für das Land.“
Also versuchen gerade ärmere Länder und solche mit engeren Beziehungen zu Afrika, den Virus draußen zu halten. Jamaica oder Kolumbien verwehren sogar Menschen, die aus den Ebola-Gebieten kommen, die Einreise. Was ist von solchen Maßnahmen zu halten?
Boza: „Zum Teil mag das etwas helfen, zum Teil dient es sicherlich der Beruhigung der Bevölkerung. Es gibt aber zwei Probleme: erstens ist es sehr schwer, Infektionsfälle an der Grenze zu erkennen. Zweitens: Wenn infizierte Menschen in ein Land Lateinamerikas kommen, dann kommen sie nicht unbedingt mit dem Flugzeug und sie werden nicht unbedingt “legal” oder korrekter formuliert, auf regulärem Wege einreisen. Viele Menschen überqueren Grenzen über den organisierten Menschenhandel oder mit Schleppern. Aus Afrika kommen Menschen vor allem über Brasilien, über Kanäle, die seit Jahrzehnten existieren. Hier liegt das Problem: Wie wollen wir Menschen kontrollieren, die irregulär mit zum Beispiel mit Booten kommen? Diese Menschen interessiert es nicht, ob die Flughäfen geschlossen sind. Sie werden auch so kommen und darunter können infizierte Menschen sein.“
Immerhin, der Norden, die westliche Welt feiert sich dafür, dass mittlerweile ein Impfstoff aus Kananda in den Startlöchern steht. Nur, für die aktuelle Epidemie wird er zu spät kommen. Warum braucht es so lange, im Fall Ebola vierzig geschlagene Jahre, bis die Pharmaindustrie einen Impfstoff an den Start bringt?
Boza: „Die Entwicklung von Impfstoffen wie auch von anderen Medikamente hängen sehr davon ab, ob es ein wirtschaftliches Interesse und einen Markt für sie gibt. Es gibt Krankheiten die sexy sind! Krankheiten, von denen die ganze Welt spricht, zu denen die ganze Welt forschen will, wo die ganze Welt ein Heilmittel will und ein Produkt, dass sich schön verkaufen lässt. Und dann gibt es die Waisenkrankheiten. An die sich keiner erinnert und über die niemand sprechen will, zu denen auch nicht geforscht wird und dahinter steckt in erster Linie ein Wirtschaftsaspekt. Die größten und erfolgreichsten Pharmaunternehmen befinden sich vor allem im Norden. Die Pharmaindustrie ist sehr mächtig, bewegt riesige Summen und ist in erster Linie privatwirtschaftlich organisiert. Krankheiten, die relativ im globalen Süden auftreten, interessieren die Konzerne nicht. Die öffentliche Forschung und Entwicklung ist dagegen weit weniger gut finanziert. Solange sich das nicht ändert, wird sich die Lage nicht verbessern. Solange es keine Gesundheitsinvestitionen in die ärmsten Länder gibt, solange die Reichen der Welt keine Mittel bereitstellen, um Krankheiten zu bekämpfen, die die Armen betreffen, solange wird sich nichts ändern. Wenn sich was ändern soll, müssen wir mehr investieren. Und dafür brauchen wir die Mittel.“
„Ebola ist nicht sexy genug“ – Interview mit dem Arzt und Ebola-Experten Prof. Marco Boza von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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