(San José, 18. April 2008, voces nuestras).- Das „Orquesta del Rio Infinito“ – das „Orchester des ewigen Flusses“ – hat seine erste Reise unternommen. Diese einmalige Formation von über 100 Musiker*innen aus 14 Ländern Lateinamerikas, darunter der bekannte linke Liedermacher León Gieco aus Argentinien, möchte in den kommenden Jahren Flüsse auf dem ganzen Kontinent bereisen und sucht dabei den Austausch mit den Menschen in den Gemeinden, die sie besuchen. Dabei geht es ihnen nicht nur um kulturellen Austausch, sondern auch um umweltpolitische Fragen.
Das erste Kapitel der Reise führte rund 50 der Musiker des vom costaricanischen Pianisten Manuel Obregon ins Leben gerufenen Orchesters auf den Rio San Juán, den umstrittenen Grenzfluss zwischen Costa Rica und Nicaragua. Hauptattraktion war das Konzert auf der großen Bühne, welche auf dem Pier des nicaraguanischen Ortes San Carlos errichtet worden war, wo sich der Rio Frio mit dem Rio San Juán trifft und in den mächtigen Lago Cocibolca („Nicarguasee“) mündet.
Zu Zeiten des Contra-Krieges war San Carlos Trutzburg der Sandinist*innen gegen die Überfälle der reaktionären Kämpfer*innen, welche von costaricanischem Boden aus unternommen wurden. Knapp zwei Bootsstunden entfernt liegt das Archipel Solentiname auf dem Cocibolca, welches Sandinist*innen als Rückzugsgebiet diente und heute Heimat des ehemaligen Kulturministers und Befreiungstheologen Ernesto Cardenal ist.
Begrüßt wurden die Musiker*innen durch Vertreter*innen der Naturschutzkomitees von beiden Seiten der Grenze. Diese verlasen einen gemeinsam erarbeiteten „Brief der Flüsse“, in dem sie von den politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen konsequenten Einsatz für Umwelt- und Gewässerschutz fordern und sich klar gegen jede Form von Rassismus und Menschenrechtsverletzung an den Grenzen wenden. Solche politischen Erklärungen sammeln die Musiker*innen in allen Gemeinden ein, um sie öffentlich bekannt zu machen. Vorgestellt werden sollen sie auch am Rande des Gipfeltreffens der Präsidenten Mittelamerikas im Mai. „Für die Bewohner der Gegenden auf beiden Seiten des Rio San Juán ist die Idee der Grenze irreal. Wir sind aufeinander angewiesen und arbeiten deshalb seit zwei Jahrzehnten gemeinsam für den Naturschutz“, sagte Javier Arana. Der Fischer ist Sprecher der Umweltschutzgruppe „El Gaspar“, die zum Programm „Allianzen“ der International Union for Conservation of Nature (Weltnaturschutzunion, IUCN) gehört. In Nicaragua rechnet Arana fest mit der Unterstützung der Regierung von Daniel Ortega: „Da bewegen sich Dinge, Daniel nimmt uns ernst“. Kürzlich wurde er als bekannter Umweltschützer zum Repräsentanten des Fischereiministeriums berufen.
Der Besuch der Musiker ist für Olman Varela von der IUCN eine einmalige Gelegenheit für die AnwohnerInnen: „Abgesehen von der reichen kulturellen Erfahrung bietet die Zusammenkunft die Möglichkeit, dass die Menschen von hier ihre Erfahrungen, Sorgen und Vorschläge einer Öffentlichkeit vorstellen können, die sie sonst nicht erreichen.“
Hinter dem Orchester steht die Idee, die kulturellen Wurzeln der Musik Lateinamerikas wieder zu entdecken, erklärt die argentinische Sängerin Belén Ilé: „Die indigenen Traditionen werden als Herkunft unserer Identität in vielen Ländern abgelehnt. In Argentinien fühlt man sich sehr europäisch, die alten Traditionen zu erforschen und aufleben zu lassen, haben wir uns zur Aufgabe gemacht.“
Im kommenden Jahr wird das Orchester den Amazonas bereisen und in 2010 den Mississippi. Mehr Infos unter: www.rioinfinito.org
von Torge Löding
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