von Juan Schilling, Concepción
(Concepción, 15. September 2011, medio a medio).- Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, doch in der Ansprache, die Präsident Piñera nach dem 11. September machte, änderte er nicht nur den Ton ‒ das heißt, er versuchte aufgebracht zu klingen und wir müssen konstatieren, dass ihm das nicht gelang. Er veränderte auch die Wortwahl. Und das hat mich mehr beunruhigt, als der Inhalt seiner Ansprache, der sich darauf beschränkte, einem Gesetzesprojekt einen Eilcharakter zuzubilligen, das Strafen für jene Demonstrant*innen erhöhen würde, die Polizisten schlagen ‒ obgleich auch das besorgniserregend ist.
Bisher nur Drohungen
Der wesentliche Wandel bestand in einer Veränderung der Sprache. Mit Wucht fielen die Worte “Schlacht, „Kampf“, GewalttäterInnen“, „Vermummte“, „skrupellos“, „bestrafen“ und markige Sprüche wie „es wird keine Gnade geben“. Ich vernahm, wie die Sprache, die wir schon seit Anfang des Jahres, seit den massiven Demonstrationen der „Pinguine“ hören, eine Wendung mehr in Richtung Aggression und Arroganz genommen hat.
Man verfiel darauf, das Gesetz zur inneren Sicherheit wieder anzuwenden, das die Inhaftierung der Anführer*innen der Bewegung erlaubt hätte. Doch die Kraft der sozialen Mobilmachung war so enorm, dass es nur bei der Drohung blieb. Jetzt wollen sie das Gesetz verschärfen, um diejenigen, die sich einer Polizei entgegenstellen, die unerbittlich Demonstrant*innen niederhält und angreift, noch härtere Strafen aufbrummen zu können.
Sprachliche Stellschrauben
Ryszard Kapuscinky, einer der großen Reporter des 20. Jahrhunderts, der viel über Kriege, Revolutionen und Militärputsche wusste, sagt: „Der Krieg beginnt nie mit dem ersten Schuss. Er beginnt mit dem Wandel der Sprache. Der Zweite Weltkrieg begann nicht mit dem Angriff auf Polen, sondern mit einem Wechsel in der Sprache. Dasselbe geschah auf dem Balkan.“
Also wird bei uns die erste Schlacht schon längst geschlagen – es ist die Schlacht der Kommunikationsmedien. Seien wir wachsam, denn wenn an den Stellschrauben weiter gedreht wird, könnten neue Worte wie „Feinde“, „fertigmachen“, „vernichten“ und der ganze Wortschatz von Pinochet auftauchen. Das, was dann folgt, haben einige von uns bereits erlebt.
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