Ohne Handschellen und (fast) ohne Fotos: Eduardo Cunha verhaftet

(Montevideo, 20. Oktober 2016, la diaria-poonal).- Eduardo Cunha, der frühere und inzwischen seines Amtes enthobene Präsident der Abgeordnetenkammer, wurde am vergangenen 19. Oktober 2016 in Brasilien festgenommen. Der Richter der Stadt Curitiba, Sérgio Moro, hatte Untersuchungshaft angeordnet. Diese war von der Generalstaatsanwaltschaft beantragt worden, die mit der Untersuchung des Korruptionsskandals um den Ölkonzern Petrobras beauftragt ist. Die Staatsanwaltschaft begründete ihren Antrag damit, dass die Freiheit Cunhas ein „Risiko für die Ermittlungen in diesem Prozess“ darstelle und dass „Fluchtgefahr besteht, angesichts des Schwarzgeldes im Ausland sowie der doppelten Staatsbürgerschaft“ des ehemaligen Abgeordneten, der sowohl über die brasilianische als auch die italienische Staatsbürgerschaft verfügt.

Bestechung und ausländische Konten

Cunha wird vorgeworfen, versucht zu haben, die Ermittlungen im Korruptionsfall um das Unternehmen Petrobras zu behindern. Sein Abgeordnetenmandat wurde ihm entzogen, weil er verheimlicht hatte, ein Konto in der Schweiz zu besitzen. Als Richter Moro dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgab begründete er dies damit, dass die Amtsenthebung Cunhas als Parlamentspräsident diesen nicht zwingend davon abhalten müsse, die Untersuchungen durch Dritte zu behindern. Er fügte hinzu, dass man noch nicht wisse, wie viele Konten Cunha im Ausland besitze, da dies ebenfalls noch Gegenstand der Untersuchung sei. Das Verfahren gegen Cunha wurde vom Obersten Gerichtshof eingeleitet, als dieser als Parlamentspräsident noch Immunität besaß. Nach der Amtsenthebung wurde der Fall an Richter Moro übergeben.

Gegenstand der Ermittlungen ist, ob Cunha sich im Rahmen des Korruptionsskandals um Petrobras strafbar gemacht hat. Er ist angeklagt, zwei Mal ein Bestechungsgeld von jeweils 1,5 Millionen US-Dollar erhalten zu haben, dass zwei verschiedene Unternehmen gezahlt hatten. Diese Firmen soll er mit seinen politischen Handlungen begünstigt haben. Es besteht der Verdacht, dass sich ein Teil dieser Zahlungen auf den Schweizer Konten Cunhas befindet und der andere Teil dazu verwendet wurde, Bestechungsgelder an andere Mittelsmänner oder Mitglieder des Abgeordnetenhauses zu zahlen. In diesem Zusammenhang ist er wegen Korruption, Geldwäsche und Kapitalflucht angeklagt. Letzteres ist in Brasilien ein Straftatbestand, wenn Devisen ins Ausland transferiert werden, ohne darüber zuvor die Zentralbank informiert zu haben. Cunha ist noch wegen weiterer Delikte angeklagt, die derzeit untersucht werden. In der Mehrzahl handelt es sich um vermeintliche Versuche, die Nachforschungen der Justiz in Bezug auf seine Person zu behindern sowie um die Annahme von weiteren Bestechungsgeldern.

Staatsanwaltschaft: Keine Handschellen und keine Fotos von der Verhaftung

In einer von ihm unterschriebenen, aber von seinen Anwälten versandten Mitteilung erklärte Cunha am 19. Oktober 2016, dass die gegen ihn verhängte Untersuchungshaft „absurd“ sei und jeder Grundlage entbehre. Die Nachricht seiner Verhaftung rief in den beiden Kammern des Parlamentes unterschiedliche Reaktionen hervor. Im Senat begrüßte Lindbergh Farias von der Arbeiterpartei PT (Partido de los Trabajadores) die Verhaftung und erklärte, er hoffe, dass Cunha mit der Justiz zusammenarbeite und seine Komplizen verrate. „Wenn er das tut, dann hat die illegale Regierung von Michael Temer nicht einen Tag länger Bestand“, sagte er. Außerdem kritisierte er die Medienberichterstattung: „Bei der Verhaftung von Cunha gab es nicht diesen von der Presse veranstalteten Zirkus [den es gab, wenn die Verhafteten der PT angehörten].“ Wie die Tageszeitung O Globo berichtete, ordnete Moro an, dass man Cunha keine Handschellen anlege und es verboten sei, ihn bei der Verhaftung zu fotografieren.

Die Aufforderung, Cunha möge die Namen weiterer Personen preisgeben, war häufiger zu hören und kam auch aus der Abgeordnetenkammer. Dort führte die Nachricht von der Verhaftung Cunhas dazu, dass verschiedene Abgeordnete das Gebäude verließen, so dass die Sitzung nicht mehr beschlussfähig war. Die Möglichkeit, dass Cunha – wie in der Vergangenheit von ihm angedroht – zu einer Einigung mit der Justiz gelangen könnte und als Kronzeuge Informationen weitergibt, um im Gegenzug eine Strafminderung zu erhalten, wird von der Regierung gefürchtet, da es im direkten Umfeld des Politikers verschiedene Berührungspunkte mit dem aktuellen Präsidenten Michal Temer gibt. Beide gehören der Partei der Demokratischen Bewegung Brasiliens PMDB (Partido del Movimiento Democrático Brasileño) an.

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