Offener Brief an uruguayischen Botschafter in Berlin

In Uruguay stehen Menschen vor Gericht, die gegen Straflosigkeit protestiert haben.

Die Sorge um diese Kriminalisierung von Protest brachte einige Menschen aus Uruguay, Deutschland und anderen Ländern dazu, folgenden Brief zu schreiben und ihn am 18.12.2013 dem uruguayischen Botschafter in Berlin zu überreichen.

Dieser zeigte sich interessiert und offen für ein Gespräch und sagte eine Antwort zu.

 

Wir dokumentieren im Folgenden den offenen Brief und warten gespannt auf eine Reaktion.

„Sehr geehrter Herr Botschafter von Uruguay,

wir möchten Ihnen unsere Besorgnis über die Entwicklung in Uruguay ausdrücken.
Wir sind Menschen, die in Uruguay geboren wurden, Menschen, die viele Jahre in Uruguay gelebt oder Uruguay besucht haben, und alle lernten dieses kleine Land lieben.
Wir fühlen uns deshalb diesem Land und seinen Menschen besonders nahe.
Um so sehr bekümmert uns, welchen Weg die jetzige Regierung eingeschlagen hat, und welche Schritte darin von verschiedenen Institutionen unternommen werden.

Zu allererst möchten wir protestieren gegen die aktuelle Kriminalisierung von Protest.
Wer hätte das vor vier Jahren gedacht, dass unter der Regierung von Ex-Guerilleros der Tupamaros und selbst langjährigen Ex-Gefangenen, zum Beispiel Staatspräsident Mujica, Verteidigungsminister Huidobro und Innenminister Bonomi andere Ex-Gefangene der Diktatur nach Protesten gegen die Straflosigkeit kriminalisiert werden?
Dabei ging es um friedliche Proteste gegen die Absetzung der Richterin Mota, die sich vor allem um die juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen während der Diktatur eingesetzt hatte. Die Richterin wurde vom Obersten Gerichtshof Uruguays dieser Funktion enthoben, genau dieser Oberste Gerichtshof hatte zur selben Zeit entschieden, dass die Straflosigkeit in Uruguay fortbestehen soll, indem es ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur verbesserten Strafverfolgung bei Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur als nicht verfassungskonform abgelehnte.
Sogar das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen hat diese Entscheidung kritisiert und sich über die fortdauernde Straflosigkeit von Verbrechen aus der Zeit der Militärdiktatur in Uruguay besorgt gezeigt. Der Jurist Fabian Salvioli erklärte als Mitglied des UN-Menschenrechtskomitees, dass „dieses Urteil den Verpflichtungen Uruguays zu Aufklärung, Rechtsprechung und auch Verurteilung von gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die in der Zeit der Militärdiktatur begangen wurden, widerspricht.“

Soll Straflosigkeit so lange weiter herrschen, bis die Verantwortlichen für die Verbrechen tot sind?
Soll deshalb der Protest dagegen bestraft werden?

Wir möchten auch protestieren gegen das Programm von Innenminister Bonomi gegen den armen Teil der Bevölkerung, die Politik der Razzien, der Kriminalisierung, der Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 14-jährige Jugendliche.
Eine Konsequenz daraus ist die Ermordung des jungen Sergio Lemos in Santa Catalina Mitte November durch Polizeischüsse. Dieser Tod erreichte eine breitere Öffentlichkeit, weil viele Bewohner von Santa Catalina nicht nur arm sondern auch politisch aktiv sind, und sie haben sofort reagiert und diesen Tod nicht einfach hingenommen wie das sonst oft passiert, sondern sie sind auf die Strasse gegangen und haben laut protestiert.
Das alles ist keine neue Politik, wir kennen sie von Sanguinetti, von Lacalle und aus anderen Ländern. Aber wir dachten, dass eine Regierung der Frente Amplio nicht auf Repression als Politik setzt, wir dachten, dass eine „linke“ Regierung vom Grundsatz ausginge, die Ursachen von Ungerechtigkeit und Armut zu bekämpfen und nicht die Konsequenzen. Leider müssen wir feststellen, dass wir uns geirrt haben.

Wir möchten protestieren gegen das Projekt der „mega-minería a cielo abierto“ in Rocha, bei dem eine ganze Region aus Naturschutz- und Erholungsgebieten zerstört werden soll, um Eisen mit extrem naturzerstörenden Methoden aus dem Boden geholt und ins Ausland geschafft werden soll. Dabei geht es nicht nur um die weiterentwickelte Form menschen- und naturverachtender Ausbeutung von Ressourcen, sondern gleichzeitig ist der Bau eines Tiefseehafens dort auch Teil eines militärstrategischen Abkommens mit den USA, in dem Uruguay zum Stützpunkt für nordamerikanische Eingreiftruppen wird. Verteidigungsminister Huidobro meinte dazu, Uruguay müsse sich gegen Piraten schützen. Und Tabaré Vazquez, Präsident der Frente Amplio vor Mujica und voraussichtlich auch sein Nachfolger, hat diese Politik sehr einfach erklärt: Die Welt habe sich geändert in den letzten Jahrzehnten, und heute seien die USA der beste Freund Uruguays in der Welt.
In einer Welt, in der jeden Tag andere Informationen darüber erscheinen, wie die US-Regierungen ihre Vormachtstellung in der Welt zu verteidigen suchen, indem sie Drohnen losschicken zur Hinrichtung von „Zielpersonen“ und Umstehenden in den verschiedensten Ländern der Erde, indem sie Menschen in geheime Gefängnisse stecken und foltern, indem sie ohne Gerichtsurteile Menschen in Guantanamo und anderswo über viele Jahre gefangen halten, indem sie Kriege führen unter Vortäuschung falscher Tatsachen, indem sie Freunde und Nicht-Freunde ausspähen, kontrollieren, unter Druck setzen usw. usf. –
Wie ist es möglich, dass sich eine Regierung mit dieser Geschichte von Kampf um Souveränität und Freiheit so blind macht gegenüber diesem Wissen heute in der Welt und sich so weit abkehrt von ihren eigenen Ursprüngen?

Wir sind sehr besorgt über diese Entwicklung, und wir möchten diese Sorge laut zum Ausdruck bringen.
Wir würden uns wünschen, dass dies in Uruguay gehört würde.
Wir bitten Sie, Herr Botschafter, der uruguayischen Regierung, die Sie hier in Berlin vertreten,
unseren Protest weiter zu leiten.

Berlin, 10.12.2013 Tag der Menschenrechte
Grupo de Amigos de Uruguay

Unterzeichnende:
Alix Arnold, Alvaro Garreaud, Annette Eckert, Antje Vieth, Britt Weyde, Carlos Ramos, Enrique Alemán, FDCL (Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.), Grenzenlos e.V., ILA (Informationsstelle Lateinamerika e.V.), Karen Francia, Luis Drews, Malavidamusic-Agencia Cultural, Margrit Schiller, Matthias Mirschel, Nachrichtenpool Lateinamerika e.V., Nicolas Coitino, Pablo Paciuk, Peter Geertz, Red Ya-Basta-Netz, Rolf Satzer, Tania Salas, Thomas Grünewald, Ute Löhning“

 

versión española:

„Estimado Embajador,

con la presente queremos expresarle nuestra gran preocupación por el curso que está llevando Uruguay.
Somos personas nacidas en el país, otras que vivieron muchos años allí o que simplemente han conocido Uruguay en alguna visita. Lo que nos une es el hecho de haber aprendido a querer la región y de sentir una conexión fuerte con ésta y con su gente. Por esta razón nos preocupa mucho el rumbo que están tomando las políticas del gobierno actual y las acciones que han sido llevadas a cabo por diversas instituciones.

Primero que nada queremos expresar nuestra disconformidad con la criminalización actual de la manifestación como forma de expresión de opiniones. Esta criminalización es a nuestro parecer inaceptable.
Siendo el Presidente de la República José Mujica, el Ministro de Defensa Nacional Eleuterio Fernández Huidobro así como el Ministro del Interior Eduardo Bonomi ex guerrilleros de los Tupamaros – que estuvieron presos durante años – quienes forman parte del gobierno actual: ¿Quién hubiera creído posible hace cuatro años que bajo este gobierno otros ex presos de la dictadura fueran a ser criminalizados por manifestarse contra la impunidad?
Sobre todo tratándose de manifestaciones pacíficas como en el caso de la Marcha contra el desplazamiento del fuero penal de la Jueza Mariana Mota, quién pugnara por la revisión judicial de los delitos contra los derechos humanos cometidos durante la dictadura. La jueza fue removida de su cargo por la Corte Suprema de Justicia del Uruguay. La misma Corte Suprema que a la vez amparó la impunidad en Uruguay, declarando inconstitucional la ley que fuera anteriormente aprobada por el parlamento con el fin de facilitar el procesamiento penal de las violaciones a los derechos humanos durante la dictadura militar.

¿Va a seguir reinando la impunidad hasta que los responsables hayan fallecido y el juzgarlos ya no sea posible? ¿Por eso se penaliza la protesta?

Incluso el comité de Derechos Humanos de las Naciones Unidas criticó esa decisión y se mostró preocupado por la impunidad que parece querer perdurar en el país. Según declaraciones del jurista Fabian Salvioli, miembro del comité, el fallo de la Corte Suprema contradice el compromiso de Uruguay a esclarecer, procesar y condenar las graves violaciones a los derechos humanos cometidas en el tiempo de la dictadura militar.

También queremos manifestar nuestro profundo desacuerdo con el programa sacado adelante por el Ministro del Interior Eduardo Bonomi en contra de los sectores más desfavorecidos de la población. Queremos protestar contra la política de las razias, de la criminalización, contra la baja en la edad de la imputabilidad penal.
Una triste consecuencia de esto fue el asesinato del joven Sergio Lemos a comienzos de noviembre por miembros de la policía. Su muerte se hizo pública porque a pesar de la que la zona de Santa Catalina es de bajos recursos, su gente es políticamente activa. Los vecinos reaccionaron inmediatamente y no toleraron este caso como pasa seguido, ellos salieron a la calle y protestaron.
Todo esto no es una política nueva, se conoce y reconoce de los tiempos en que gobernaban Julio María Sanguinetti o Luís Alberto Lacalle, o de otros países.
Nosotros creíamos que un gobierno del Frente Amplio no apostaría a la represión como política, que un gobierno de izquierda partiría de la base de que lo que hay que combatir son las causas de la inequidad y la pobreza y no sus consecuencias. Lamentablemente hemos tenido que constatar que nos equivocamos.

Queremos protestar contra el Proyecto de „megaminería a cielo abierto“ en Rocha, con el que se destruirá una región entera que incluye reservas naturales y espacios de recreación, para extraer hierro del suelo utilizando métodos devastadores y luego llevarlo al exterior. Problemática no es sólo la forma de explotación de recursos, que menosprecia al ser humano y a la naturaleza, sino también la construcción en este lugar de un puerto de aguas profundas como parte de un acuerdo estratégico militar. En el marco de este acuerdo Uruguay se convertirá en una base para las fuerzas de intervención norteamericanas. El Ministro de Defensa Nacional Fernández Huidobro argumentó al respecto que Uruguay tendría que protegerse de (los) piratas.
El expresidente de la República Tabaré Vazquez, y previsiblemente el próximo ha explicado esta política de una manera muy sencilla: El mundo ha cambiado en las últimas décadas y hoy son los Estados Unidos de América el mejor amigo de Uruguay en el mundo.
En un mundo en el que todos los días salen a la luz nuevas Informaciones de cómo los gobiernos de los EEUU intentan defender su hegemonía: Mandando aviones no tripulados a ejecutar personas blanco y quiénes se encuentren en las cercanías en diversos países del mundo, encarcelando y torturando a seres humanos en lugares secretos, manteniendo a personas recluidas sin resolución judicial durante mucho tiempo en Guantánamo así como en otros lugares, librando guerras simulando hechos, siendo estos equívocos e incorrectos, espiando, controlando y presionando a enemigos así como a aliados…

¿Cómo es posible que un gobierno con tal historia de lucha por soberanía y libertad enceguezca ante estas evidencias y se aparte tanto de sus orígenes?

Estamos preocupados por estos desarrollos y queremos expresar nuestra preocupación en voz alta. Y quisiéramos que también en Uruguay se nos escuchara.
Por estos motivos, Señor Embajador, le pedimos que haga llegar al gobierno de la República Oriental del Uruguay, que usted en Berlin representa, nuestra protesta.

Berlín, 10-12-2013 Día de los Derechos Humanos

Atentamente
Grupo de Amigos de Uruguay

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