Turin bereitet sich auf die Begegnung mit den Zapatist*innen vor

(Turin, 7. Juni 2021, desinformémonos).- Unser Kollektiv wurde 2001 als ein Zusammenschluss von Patient*innen, Angehörigen, Ärzt*innen, Pflegepersonal und Aktivist*innen für psychische Gesundheit in Turin gegründet. Seither veranstalten wir Events, die helfen sollen, Vorurteile gegenüber psychischen Störungen zu überwinden. Im Januar 2008 wurde unser Kulturzentrum Caffè Basaglia ins Leben gerufen. Der Name erinnert an den Aktivisten und Psychiater Franco Basaglia, der 1978 die Schließung der sogenannten Irrenanstalten erreichte und sich für die Eingliederung der Patient*innen in das soziale Leben einsetzte. Unser Kollektiv schloss sich der italienischen Organisation Arci an, die im Bereich der Sozialarbeit tätig ist und landesweit rund eine Million Mitglieder hat. Unser Kulturzentrum hat jährlich bis zu siebentausend Besucher*innen. Wir organisieren Workshops zu den Themen Migration, Gender, Gesundheit, Bildung, Kunst und Wissenschaft. Alle können mitmachen, es gibt keine Gruppenleitung, weil wir versuchen, möglichst horizontal zusammenzuarbeiten. Es ist schön und eine Riesenfreude zu sehen, dass junge Menschen teilnehmen, und sie stellen sogar die Mehrheit. Das ist wichtig in einem Land und einer Stadt, in dem die Geburtenrate extrem niedrig ist und die Überalterung der Bevölkerung weltweit nur noch von Japan übertroffen wird.

Starke linke Tradition

Da Turin die Geburtsstadt des Automobilunternehmens Fiat ist, war die Stadt immer ein Kampfplatz zwischen Arbeiter*innen und Kapitalist*innen. Hier besteht eine starke linke Tradition; bereits in den 1950er Jahren politisierten sich beispielsweise Migrant*innen, die aus dem Süden kamen, um in der Fabrik zu arbeiten. In den 1968er Jahren formierten sich die studentische und die Arbeitskampfbewegung. Als Organisation der außerparlamentarischen Linken bildete sich unter anderem die Gruppe „Lotta Continua“. Trotz der Wirtschaftskrise und der Tatsache, dass Fiat in die Vereinigten Staaten umzog, behielt die Stadt ihre kämpferische Tradition bei und bemüht sich, Verbindungen zwischen allen wichtigen Themen zu schaffen: Zwangsräumungen, Migrant*innen, Ökologie, Arbeit, Wasserversorgung etc. Das Caffè Basaglia ist ein Ort, an dem Vorträge und Veranstaltungen zu diesen Themen organisiert werden, es ist ein Treffpunkt für die Aktivist*innen der verschiedenen Kämpfe.

Kämpfe verbinden und fragend durchs Leben gehen

Die Pandemie traf diejenigen am härtesten, die bereits unter Ausgrenzung litten: Arbeitslose, Menschen, die allein oder in überfüllten Räumen leben, ältere Menschen, Menschen mit Problemen, die von Angstzuständen bis hin zu Psychosen reichen, Familien, in denen geschlechtsspezifische Gewalt herrscht, Jugendliche und Kinder, die nicht mit ihren Freunden zusammen sein können.

Caffè Basaglia wurde von Menschen gegründet, die durch psychische Störungen ausgegrenzt sind. Unsere Absicht ist es, alle Kämpfe der Ausgegrenzten und Unterdrückten im Kontext der Rebellion für die Würde zusammenzuführen: die Kämpfe der Kurd*innen, der Palästinenser*innen und der sozialen Bewegungen Lateinamerikas. Taty Almeida und Vera Vigevani Jarach, Plaza de Mayo-Mütter der ersten Stunde, und die Aktivistin Marisela Escobedo Ortiz, die sich in Ciudad Juárez gegen Ferminizide engagiert, sind Patinnen des Caffè Basaglia. Wir unterstützen auch den Kampf für den Umweltschutz und gegen den Rohstoffabbau. Wir wollen die Menschen von links unten vereinen. Wir kennen den zapatistischen Kampf seit den Anfängen im Jahr 1994. Drei Personen aus dem Kollektiv sind 2003, 2013 und 2014 in die Caracoles gereist. Wir wollen eine Begegnung mit den Zapatist*innen schaffen, als Genoss*innen in freundschaftlichem Rahmen Erfahrungen, Ideen und Lebensstile austauschen und neue Energie tanken, um weiter zu kämpfen und, wie man sagt, “fragend durchs Leben zu gehen”.

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