
(Panama-Stadt, 18. März 2025, dialogue earth).- Zwei Stunden westlich von Panama-Stadt fürchten 12.000 Bewohner*innen um ihre Umsiedlung, da ihr Land durch einen künstlichen See überflutet werden soll. Dieses ehrgeizige Projekt der Regierung soll die Versorgung des Panamakanals sicherstellen, dessen Wasservorräte in den letzten Jahren geschrumpft sind.
„Sagen Sie dem Präsidenten, er soll uns in Ruhe lassen. Wissen Sie, was wir verlieren werden: das Land, die Ernte, das Haus? Wir machen uns Sorgen“, sagt Elizabeth Delgado, eine Bewohnerin von Limón de Chagres, einer Gemeinde an den Ufern des Río Indio, auf die sich das Staudammprojekt konzentriert. Entlang des Flusses sind die Delgados und etwa 500 andere Familien von der Überflutung ihrer Häuser bedroht.
„Der Präsident soll uns in Ruhe lassen“
Der Vorschlag für das Staudammprojekt wurde unterbreitet, um die Wasserkapazität des Kanals zu erhöhen, da anhaltende Dürreperioden den Betrieb der Wasserstraße, über die drei Prozent des Welthandels abgewickelt werden, beeinträchtigt haben.
In den ersten Monaten des Jahres 2024 war die interozeanische Route nur zu 63 Prozent ausgelastet. Es war eines der trockensten Jahre, die das Land je erlebt hat, was den Wasserstand im Kanalsystem auf einen historischen Tiefstand brachte, erklärte Jorge Luis Quijano, ehemaliger Verwalter der Panamakanalbehörde ACP. 2023, dem Jahr, in dem die ungewöhnliche Dürre im Land begann, sah sich die Behörde zum ersten Mal in ihrer Geschichte gezwungen, die tägliche Durchfahrt von der maximalen Kapazität von 37 Schiffen auf 22 zu begrenzen.
Das Panamakanalsystem besteht aus einer Reihe von Wasserstraßen und Schleusen, die es Schiffen ermöglichen, zwischen verschiedenen Wasserständen hinauf- oder hinabgelassen zu werden. Der Kanal verbindet die Karibik- und die Pazifikküste des Landes durch den künstlich angelegten Gatún-See, der durch Aufstauen des Chagres-Flusses entstanden ist, und den ebenfalls künstlich angelegten Alajuela-See. Beide Seen versorgen etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung Panamas mit Wasser, darunter die Städte Panama, Arraiján, La Chorrera und Colón. Das bedeutet, dass jede Veränderung des Wasserstands dieser Seen auch die Wasserversorgung von mehr als der Hälfte der Bevölkerung des Landes beeinträchtigen würde.
Die vor allem durch das Wetterphänomen El Niño verursachte Dürre von 2023-24 führte zu so niedrigen Wasserständen in diesen Seen, dass es eine Herausforderung war, die Bürger*innen mit Wasser zu versorgen, ohne die Durchfahrt von Schiffen einzuschränken, deren Durchfahrt 52 Millionen Gallonen Wasser pro Schiff erfordert, um das Schleusensystem zu passieren.
Auch der Schiffsverkehr hat exponentiell zugenommen: von 6.369 im Jahr 1935, als der Alajuela-See und zuvor der Gatun-See für die Durchfahrt von Schiffen angelegt wurden, auf 14.274 im Jahr 2022, dem Jahr vor der Wasserkrise.
Die Dürre und die Durchfahrtsbeschränkungen haben nicht nur die Einnahmen Panamas beeinträchtigt, sondern auch die Reedereien gezwungen, nach Alternativrouten zu suchen, wie etwa den Suezkanal, was Kosten, Verspätungen und CO2-Emissionen erhöht hat.
Angesichts der unsicheren Prognosen über künftige Dürren und Niederschläge erklärte Ricaurte Vásquez, der derzeitige Verwalter der Wasserstraße, dass das vorgeschlagene Projekt zur Erhöhung der Wasserkapazität des Kanals die Schaffung eines Stausees am Indio-Fluss vorsieht, der eine Fläche von etwa 4.600 Hektar umfassen würde. Der Bau des Staudamms – dem die betroffenen Gemeinden noch nicht zugestimmt haben – soll 2027 beginnen und vier Jahre dauern, gefolgt von zwei Jahren, um den Stausee zu füllen. Die Kosten werden auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzt, von denen 400 Millionen Dollar für Entschädigungen und soziale Projekte aufgewendet werden sollen.
„Wir schätzen, dass etwa zweitausend Bürger*innen direkt von diesen Arbeiten betroffen sein könnten, obwohl im gesamten Gebiet von Río Indio etwa 12.000 Menschen leben“, sagte Vásquez kürzlich.
Eine Gemeinde, die um ihre Zukunft bangt
Am Straßenrand zur Gemeinde Limón de Chagres in der Provinz Colón, zwei Stunden von der panamaischen Hauptstadt entfernt, stehen zahlreiche handgemalte Schilder, die ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen: „Flüsse

ohne Dämme, lebende Dörfer“, „respektiert unser Land“ und ein entschiedenes „Nein zu den Stauseen des Río Indio“.
Die Panamakanalbehörde befindet sich derzeit in der Phase der Vermessung der betroffenen Gebiete und der Konsultation der Bewohner*innen der Gemeinden, die von dem geplanten Projekt betroffen sein werden. Sie hat vor kurzem Mittel für deren Entschädigung, Umsiedlung und Unterstützung bewilligt.
Bereits in diesem Jahr werden die ersten Maßnahmen ergriffen: Da vielen Bewohner*innen offizielle Titel für ihre Grundstücke fehlen, gibt die Regierung an, bei der Formalisierung dieser Dokumente zu helfen, um für das Land der Betroffenen zu zahlen und sie umsiedeln zu können. In diesem frühen Stadium des Dialogs mit den Gemeinden wurde noch kein voraussichtlicher Termin für die Ausschreibung der Bauaufträge bekannt gegeben.
Nach Fertigstellung des geplanten Staudamms würde die Oberfläche des Indio-Flusses vergrößert und ein Damm gebildet, der Gebiete der drei Provinzen entlang des derzeitigen 98 km langen Flusslaufs abdeckt. Das Projekt sieht auch einen Tunnel vor, durch den Wasser in das Becken des Panamakanals geleitet werden soll, in dem sich die Seen Gatun und Alajuela befinden, um die panamaische Bevölkerung mit Wasser zu versorgen und den Betrieb des Kanals zu gewährleisten.
Die ACP legt Wert auf die Erklärung, dass der Bau des Stausees die Wasserversorgung der Bevölkerung und den Betrieb des Kanals für einen Zeitraum von fünfzig Jahren sicherstellen wird, parallel zu einem Dialog mit den Betroffenen und mit der Garantie besserer Lebensbedingungen.
Kanalbehörde verspricht bessere Lebensbedingungen
Doch die Anspannung und der Unmut der Bewohner*innen der zu überschwemmenden Gebiete sind in der Luft zu spüren. Auf einigen Streckenabschnitten unserer Reportagereise musste unser Kanu, in dem wir transportiert wurden, geschoben werden, danach müssten wir etwa dreißig Minuten auf einer schlammigen Straße mit knietiefem Schlamm laufen; das war die einzige Möglichkeit, einige der Gemeinden, wie z. B. Pueblo Nuevo, zu erreichen. Als wir uns mit unserem Equipment auf den Weg machten, wurden wir auf Rufe aufmerksam, die aus einem Haus auf der Spitze eines Hügels kamen.
„Wir wollen nicht, dass sie hier durchgehen“, riefen die empörten Bewohner*innen, während ein junger Indigener auf einem Pferd die unbefestigte Straße hinaufritt, die zu den Häusern auf der Spitze des Hügels führt.
Auf der einen Seite klebte an einem rudimentären Tor aus Holzresten ein handgeschriebener Zettel mit der Aufschrift: „Zutritt für die ACP verboten, Privatbesitz, wir erteilen keine Soziallizenz“. Auf dem Schild befand sich eine Zeichnung, die an eine Pistole erinnerte, neben dem Wort „Gefahr“.
Misstrauen bei den Bewohner*innen
Wir stellten uns als das Journalist*innenteam von Dialogue Earth vor und erklärten, dass wir auf der Suche nach Informationen seien. Daraufhin antwortete der Reiter, dass sich die „Journalist*innen ausverkauft“ hätten und sie, die Bewohner*innen, keinen „Dialog“ wollten. Wir wiesen erneut darauf hin, dass es sich um ein internationales Medium handele und schließlich willigte er in ein Gespräch ein.
„Der Verwalter der ACP, Ricaurte Vásquez, sagte, dass 90 Prozent der Gemeinde mit der Überschwemmung einverstanden seien, was nicht stimmt“, so der Indigene, der sich als Abdiel Sánchez, 28, aus Pueblo Nuevo, vorstellte.
Nachdem die Differenzen überwunden waren, lud die Gemeinde unser Journalist*innenteam ein, sich einer Gruppe anzuschließen, die den Geburtstag eines sechsjährigen Mädchens feierte. Die Feier wurde nur kurzzeitig unterbrochen, um einige Plakate gegen den Stausee anzubringen, was das Bedürfnis verdeutlichte, gehört zu werden.
Artemio Sánchez, 52-jähriger Landwirt und Vorsitzender des örtlichen Ausschusses für soziale Entwicklung, betonte, dass sie keinerlei „Hilfe von der Regierung und noch weniger von den Kanalbehörden erhalten, nicht einmal um eine Schachtel Streichhölzer zu kaufen“.
Auch die Behörden lassen sich nicht blicken, daher kommt jedes Mal, wenn sie eine/n Fremde/n in der Gegend sehen, die Paranoia auf, dass es sich um einen ACP-Beamten handeln könnte, der eine Zählung der Gemeinden durchführt, da die ersten Landtitel dieses Jahr vergeben werden sollen.
„Wir haben Sie angeschrien, weil wir dachten, Sie seien von der ACP, und weil wir nicht damit einverstanden sind, dass Sie ohne Erlaubnis in unserem Gebiet herumlaufen und Fotos von der Schule und den Kirchen machen, obwohl Sie wissen, dass wir damit nicht einverstanden sind“, erklärte Sánchez.
Wir haben Angst, dass sich die Situation wiederholt“

„Wenn das Projekt durchgeführt werden soll, hoffen wir, dass sie uns nicht im Stich lassen“, sagte Nery Sáenz, eine weitere Teilnehmerin der Geburtstagsfeier. Sie erwähnte den Bau des Gatún-Sees, von dem ebenfalls viele Familien betroffen waren. „Nichts wurde anerkannt und sie wurden ihres Landes beraubt. Bis zum heutigen Tag haben sie nichts. Wir haben Angst, dass sich diese Situation bei uns wiederholt“.
Sie blickte nach oben und erinnerte an die Schaffung des künstlichen Gatún-Sees, der für den Betrieb des Kanals 1913 fertiggestellt wurde. Historische Aufzeichnungen zeigen, dass 1912 – als die Zone des Panamakanals von den Vereinigten Staaten in Konzession verwaltet wurde – die erste Vertreibung der Bevölkerung in der Nähe der Wasserstraße stattfand, und zwar aufgrund eines Dekrets des damaligen US-Präsidenten William Taft, das genau für den Bau des Stausees erlassen wurde, der damals der größte künstliche See der Welt war.
Das Buch der Historikerin Marixa Lasso „Erased: The Untold Story of the Panama Canal“ beschreibt, wie die US-Regierung die Vertreibungen damals mit Argumenten der nationalen Sicherheit und militärischen Kriterien rechtfertigte, die auf rassistischen Vorurteilen gegenüber einer überwiegend afropanamaischen Bevölkerung beruhten.
Land und Gemeinschaftsleben
Das geplante Infrastrukturprojekt zur Förderung des globalen Handels bedeutet für Elizabeth Delgado ein Leben in schmerzlicher Ungewissheit. Sie habe Schwierigkeiten, einzuschlafen, sagt sie, seit sie etwa drei Monate vor unserem Besuch im November von dem Vorschlag erfuhr, das Gebiet für einen Stausee zu fluten.
„Wir leben vom Land“, sagt Elizabeth, während sie in der Tür ihres Hauses steht, das aus Holzbrettern gebaut ist, die noch Spuren ihres früheren weißen Anstrichs aufweisen, und in dem sie mit ihren sieben Kindern und ihrem 40-jährigen Mann lebt. In Ermangelung von Arbeitsplätzen beschäftigen sie sich mit der Aussaat und Ernte von landwirtschaftlichen Produkten wie ñampí, Yucca, Chili, Koriander, Zwiebeln sowie mit der Haltung von Hühnern. Seit mehr als 18 Jahren lebt sie in Limón de Chagres.
Der Indio-Fluss ist ihre natürliche Wasserquelle. Da es in der Gegend kein Trinkwasser gibt, schöpfen die Bewohner*innen des Beckens ihr Wasser mit Hilfe der Schwerkraft durch Rohre aus dem Fluss oder aus Bächen, holen es aus Brunnen oder legen lange Strecken mit Eimern und Töpfen voller Wasser zurück. Es gibt auch keinen Strom oder andere grundlegende Dienstleistungen.
Angesichts dieser Situation haben die Kinder Angst, erzählte die Lehrerin Aurelia Castillo, die seit neun Jahren die Schulkinder in Pueblo Nuevo betreut, einer der vom Verschwinden bedrohten Gemeinden. Castillo ergänzt, dass die Sechstklässler*innen anschließend in ein anderes Dorf namens Coquillo gehen, das voraussichtlich ebenfalls vom Stausee betroffen sein wird. Mit einem traurigen Gesichtsausdruck fragt sich die Lehrerin: „Wohin sollen wir mit unseren Kindern zum Lernen gehen?
Umweltauswirkungen und Alternativen
Der Indio-Fluss ist Teil des Mesoamerikanischen Biologischen Korridors, eines wichtigen Ökosystems, das mehrere Gebiete in Mittelamerika, Panama und Südmexiko miteinander verbindet und ein Rückzugsgebiet für Arten wie Affen, Krokodile und verschiedene endemische Pflanzen ist. Dieser ökologische Korridor würde durch den Bau des Stausees stark fragmentiert werden.
Isaías Ramos, Biologe des regierungsunabhängigen Zentrums für Umweltfolgen Panama (CIAM Panamá), weist darauf hin, dass die Auswirkungen auf die Umwelt zwar beträchtlich, die sozialen Folgen aber noch gravierender seien, da viele betroffene Gemeinden nicht ausreichend über das Projekt informiert worden seien. Dies verstößt gegen das Escazú-Abkommen, das lateinamerikanische und karibische Abkommen zur Förderung der Transparenz und des Zugangs zu Informationen in Umweltangelegenheiten, das Panama im Jahr 2020 ratifiziert hat.
Die Kanalbehörde ACP hat ihrerseits Berichte über mehrere Treffen mit den Anwohner*innen des Indio-Flusses veröffentlicht und behauptet, „ständigen Kontakt“ und Anhörungen mit den Gemeinden aufrechtzuerhalten, wobei bis September 2024 mehr als 40 Treffen mit rund zweitausend Anwohner*innen stattgefunden haben sollen.
Und obwohl der Indio-Fluss reichlich Wasser führt, nimmt seine Strömung in einigen Gebieten ab, was den Transport erschwert. Dies hat den nationalen Wasserrat (CONAGUA) dazu veranlasst, eine Alternative zum Indio-Staudamm vorzuschlagen und stattdessen Wasser aus dem Bayano-See, 100 Kilometer östlich von Panama-Stadt, zu leiten.
Der Präsident des CONAGUA, Guillermo Torres, betonte, dass das Projekt am Indio-Fluss nur eine vorübergehende Lösung darstellen würde, angesichts der saisonalen Schwankungen der Niederschläge und der Möglichkeit weiterer Dürreperioden, die die Kapazität des Stausees beeinträchtigen könnten. Er erklärte auch, dass, wäre das Projekt 2006 gebaut worden, man bis 2025 eine andere Quelle benötigt hätte. Die Bayano-Pipeline könne die Wasserversorgung bis zum Jahr 2075 garantieren und sei damit eine langfristig tragfähigere Option.
Die Panamakanalbehörde zieht auch andere Stauseen in Erwägung, beispielsweise am Fluss Coclé del Norte in der Zentralregion des Landes und am Fluss Caño Sucio im Westen.
Im Jahr 2024 wurde durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs ein Gesetz anulliert, das den Bau des Stausees am Río Indio verhindert hatte und dass seit 2006 die Wassernutzung des Kanals auf die Grenzen seines Einzugsgebiets beschränkte. Das Urteil gab der ACP die Kontrolle über die Wasserressourcen außerhalb dieses Einzugsgebiets und eröffnete damit die Möglichkeit, den Stausee des Indio-Flusses zu bauen.
Dennoch sprachen sich die Bewohner*innen von Limón und Pueblo Nuevo, mit denen Dialogue Earth sprach, für die Pipeline von Bayano aus, die ihrer Meinung nach weniger störend für das Ökosystem und ihre Gemeinden wäre. Sie setzen sich für den Erhalt des Río Indio und seiner Umgebung ein und schätzen seine Ruhe und unberührte Natur.
Nach der Genehmigung des Projekts am 21. Februar will die Kanalbehörde nun den Dialog mit den Gemeinden fortsetzen, um deren Zustimmung zu erhalten und strebt an, die Vermessung des Flusses bis Ende April abzuschließen. Die Gespräche werden wahrscheinlich schwierig bleiben, und die Proteste in den Tagen nach der Entscheidung sind ein weiteres Zeichen für den anhaltenden Widerstand der Gemeinden.
Übersetzung: Deborah Schmiedel
Gemeinden wehren sich gegen neuen Staudamm am Panamakanal von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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