Fortschreitende Umweltzerstörung in Nicaragua

von Markus Plate

(Berlin, 14. Juni 2013, npl).- Nicaragua, das Land der Vulkane und Seen, leidet unter der zunehmenden Zerstörung der Wälder und dem Versiegen von Wasserquellen. Offiziellen Zahlen des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft MAGFOR zu Folge verliert Nicaragua jeden Tag 120 Hektar Wald.

 

Betroffen ist das ganze Land, besonders schlimm jedoch ist der Rückang in den Naturschutzgebieten Indio Maiz an der südlichen Atlantikküste und Bosawás im Norden des Landes, an der Grenze zu Honduras. In den ersten vier Monaten dieses Jahres verzeichnete MAGFOR weit über Hundert Wald- und Feldbrände, die allermeisten davon waren menschlichen Urspungs. Etwa 200 Quadratkilometer Vegetation wurden vernichtet.

Auch zweifelhafte Entwicklungsaktivitäten bedrohen ganze Landschaften. Gerade erst hat Nicaraguas Parlament den Bau eines Kanals für riesige Containerschiffe vom Atlantik zum Pazifik beschlossen. Auch wenn die Route noch nicht klar ist, der Kanal wird wohl in jedem Fall durch den Nicaragua-See führen, dem wichtigsten Süßwasserreservoir Zentralamerikas. Der Weg von der Karibik zum Nicaragua-See ist überdies eine der größten noch weitgehend bewaldeten Gegenden des Landes.

Bedrohung durch Brandrodung und Bergbauprojekte

Erschwerend kommt die Bedrohung durch Bergbauprojekte hinzu, vor allem im Zentrum des Landes. Auch wenn die von Bergbauplänen betroffenen Gemeinden das Recht haben, gehört zu werden, würde den Menschen nicht die nötigen Informationen in die Hand gegeben, wie Tania Sosa vom Humboldt Zentrum für Umweltschutz und ländliche Entwicklung in Managua betont: „Wenn ein Konzern eine Bergbaulizenz beim zuständigen Ministerium beantragt, wird der Bevölkerung nicht deutlich, wer die Firma ist und wo sie gearbeitet hat.” Im Falle einer Bürgerbefragung fehle der Bevölkerung dann die nötige Information, um sich eine Meinung zu bilden. Deswegen glaubten viele Menschen den Versprechen der Firmen und der Politik.

Der Müll stellt ein weiteres großes Umweltproblem dar, zum einen wegen der unregelmäßigen Müllabfuhr, zum anderen wegen des fehlenden Bewusstseins bei den Menschen. In der Mehrzahl der Städte gibt es keine geeigneten Orte zum Deponieren oder Behandeln von Abfällen und die Behörden beschränken sich auf das Verbrennen des gesammelten Mülls. Der Rektor der Nationalen Agraruniversität, Telémaco Talavera, fordert einen weitaus integraleren Ansatz: “Das Müllproblem löst man nicht, indem man überall Mülleimer aufstellt oder Müllwagen anschafft. Es muss um Vermeidung und Recycling gehen und das bedingt Aufklärung, die bei den Kindern beginnt und bis in die Hochschulen reicht – nicht nur beim Müll, sondern in allen Belangen des Umweltschutzes und auf allen Ebenen.

Bestand einheimischer Tierarten dezimiert

Umweltverschmutzung, Zersiedelung, Rodungen und Jagd bedrohen den Bestand vieler einheimischer Tierarten, wie der Mazamas, einer Hirschart oder des Jaguars, die in den letzten Jahren stark dezimiert wurden. Raúl Martínez Marín ist Agraringenieur, der sich dem Umweltschutz verschrieben hat. Nicht nur das Klima habe sich geändert, auch die Böden seien erodiert. Mittlerweile sei es schwierig, heimische Bäume zu finden, die älter als 20 Jahre seien: “In den Neunzigern gab es noch Tigerkatzen und Pumas, die Hirsche kamen bis auf hundert Meter an dein Haus. Das gibt es heute fast nicht mehr.”

Die fortschreitende Zerstörung der Umwelt in Nicaragua hat Auswirkungen auf die gesamte zentralamerikanische Region, da der mesoamerikanische Korridor essentiell für den Schutz von Tieren und Pflanzen, aber auch für das regionale Klima ist. Raúl Martínez fordert von der nicaraguanischen Regierung daher erhebliche Anstrengungen in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit: “Wenn wir wirklich den Wald, die Böden und das Wasser schützen wollen, dann muss die Regierung Programme ausarbeiten, die Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen. Aber all das muss einhergehen mit einer strikten Anwendung bestehender Umweltgesetze und mit Maßnahmen zur Wiederaufforstung, vor allem in den von Entwaldung am meisten betroffenen Regionen.”

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