(9. März 2020, contagioradio).- Gespräch mit Mauricio Jaramillo, Mitglied des Nationalrats der FARC-Partei.
In Reaktion auf die Ermordung von mittlerweile 186 FARC-Kämpfer*innen fand am 9. März der erste von der Wahrheitsfindungskommission CEV (Comisión para el esclarecimiento de la verdad) organisierte „Raum des Zuhörens“ statt. Vertreter*innen der Bildungs- und Wiedereingliederungszonen sowie Angehörige der Opfer kamen zusammen. Der ehemalige FARC-Kämpfer Armando Aroca aus Puerto Guzmán (Putumayo), Luz Marina Giraldo, Ehefrau des getöteten Kämpfers und Anführers Alexander Parra, und José Torres, Vater des ehemaligen Kämpfers Dimar Torres, der in Norte de Santander von Militärs getötet worden war, berichteten von ihren Erfahrungen. Ihre Schilderungen verdeutlichen die Probleme, die der Eingliederungsprozess mit sich bringt. Sie illustrieren das Verhältnis der Getöteten zu dem Abkommen und machen deutlich, inwiefern der Tod der Unterzeichner*innen des Friedensvertrags das Verhältnis zwischen den Wiedereingliederungszentren und der Bevölkerung negativ beeinflusst.
„Wir sind davon überzeugt, dass Krieg nicht der richtige Weg ist. Aber heute fühlen wir dieselbe Angst wie damals, als wir noch gekämpft haben. Doch trotz der Angst sind wir hier und erfüllen unseren Teil der Abmachung.“
Luz Marina Giraldo.
Während die FARC-Partei von 186 getöteten Kämpfer*innen ausgeht, ist im neuesten Bericht der UN- Wahrheitskommission in Kolumbien von 173 Getöteten, 14 Vermissten und 29 Anschlägen die Rede. Seit der Unterzeichnung des Vertrags von Havanna war das Jahr 2019 mit 77 Toten gegenüber 65 in 2018 und 31 in 2017 bisher das gewalttätigste Jahr. “Einige Politiker*innen tendieren dazu, die Gewalt auf die leichte Schulter zu nehmen oder der Ermordung von Menschen die Ernstheit abzusprechen. Diesen Fehler dürfen wir auf keinen Fall wiederholen“, so Kommissionsmitglied Saúl Franco. Die „Apathie der Bevölkerung angesichts der Ermordung ehemaliger FARC-Kämpfer“ nannte er beängstigend.
Ex-Kämpfer*innen: „Die Regierung muss politischen Willen zum Frieden zeigen.“
Ein Großteil der Morde sei während der zwei Jahre der Duque-Regierung verübt bzw. von der Kommission vorgelegt worden, so Jaramillo. Das zeige, wie wichtig es sei, jetzt Maßnahmen zu ergreifen. „Was Kolumbien jetzt braucht, ist der Wille zum Frieden. Wir müssen einen anderen Weg finden als den des Krieges, doch alle, die heute hier zusammengekommen sind, haben den Verdacht, dass dieser Wille seitens der Regierung nicht besteht. Wir sind entschlossen weiterzumachen, auch wenn es immer wieder Momente gibt, wo wir das Gefühl haben, das Abkommen wird gar nicht umgesetzt. In den Wiedereingliederungszonen bemühen wir uns sehr darum, die nötigen Mittel zu bekommen“, schildert Jaramillo. Es gehe nicht nur um die ehemaligen Kämpfer*innen. Auch die Bevölkerung in den Ortschaften wünsche sich ein Leben ohne Gewalt.
Der „Raum des Zuhörens“ soll regelmäßig stattfinden und allen Beteiligten aus allen gesellschaftlichen Sektoren die Möglichkeit geben, zu Wort zu kommen und ihren eigenen Beitrag zur Umsetzung des Friedensvertrags zu beschreiben. „Die Kommission ist der Wahrheit verpflichtet, das heißt, es geht um Versöhnung, nicht um Wiederholung. Wir setzen also in der Gegenwart an. Wir müssen eine Zukunft schaffen, die die Würde und das Leben aller Menschen respektiert“, mahnte Kommissionsmitglied Lucía González bei dem Treffen.
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