(Berlin, 23.10.2023, npla).- Was ist Panafrikanismus? Panafrikanismus ist eine politische, philosophische, kulturelle und soziale Bewegung, die sich für den Zusammenschluss, die Verteidigung der Rechte des afrikanischen Volkes und die Vereinigung des afrikanischen Kontinents zu einem einzigen afrikanischen Staat einsetzt. Die Idee der Einheit bezieht sich sowohl auf die Menschen in Afrika als auch auf die Afrikaner*innen in der Diaspora. Die Theorie des Panafrikanismus wurde vor allem von Afrikaner*innen aus der amerikanischen Diaspora entwickelt. Wichtige Impulse brachten Nachfahren von Versklavten wie William Du Bois und Marcus Garvey ein, die in der amerikanischen Diaspora aufgewachsen waren. Ihre Ideen wurden von politischen Aktivist*innen auf dem afrikanischen Mutterkontinent aufgegriffen, darunter Kwame Nkrumah, der zwischen 1960 und 1966 erster Präsident des westafrikanischen Staats Ghana war.
Was hat es mit Rot-Schwarz-Grün auf sich?
Fernando ist ein kubanischer Panafrikanist, Basketballspieler, Hip-Hopper, Künstler und Aktivist der vierten Panafrikanistischen Internationale. Die Identifikation mit der politischen Bedeutung des Schwarzseins liegt bei ihm in der Familie. Fernando erzählt: „Ich glaube, die erste Inspiration kam von meinem Vater. Mein Vater war ein Künstler, ein afrokubanischer Mann, der sehr stolz auf seine Identität als Schwarzer war, und das hat er mir von klein auf vermittelt. Die zweite Anregung kam durch meine Geschwister, die alle älter sind als ich. Einige von meinen Brüdern gingen nach New York, nach Brooklyn, als ich noch klein war, und als sie zurückkamen, hatte die Rasta-Kultur sie ziemlich geprägt. Basketball war meine erste große Liebe, so bin ich zum Hip-Hop gekommen. Wenn ich mir bestimmte Stücke anhörte, wurde ich neugierig und wollte wissen, wovon sie reden und was es mit dem Rot, Schwarz und Grün auf sich hat.“
Entmenschlichung und Revolte
Die Ursprünge des Panafrikanismus liegen in der Zeit der Sklaverei, der Kolonisierung Amerikas und Afrikas durch die Europäer, des transatlantischen Menschenhandels, des Menschenraubs und der abscheulichen Geschäftemacherei mit Schwarzen Menschen. Die ersten Ansätze für die panafrikanische Ideologie und politische Philosophie entstanden an den Küsten Afrikas. In den Sammelstationen für die menschliche Ware. In den Lazaretten, in denen die Gefangenen in Quarantäne gehalten wurden und darauf warteten, auf den berüchtigten Sklavenschiffen abtransportiert zu werden. Sie entstanden genauso auf dem amerikanischen Kontinent, im Widerstand und den heimlichen Verbrüderungen der Gefangenen und ihrer Flucht von den Plantagen in die Berge, weit weg von den Kontrollinstanzen der Sklavenhändler. Diejenigen, die es geschafft hatten zu entkommen, nannten sich selbst Cimarrones und ließen sich in selbstorganisierten Gemeinschaften nieder, die je nach Ort Palenques, Cumbes, Quilombos oder Mambises genannt wurden. Rebellionen Schwarzer Menschen hat es immer gegeben; die Schwarzen Völker haben ihre eigene revolutionäre Tradition. Aufstände und Rebellionen in Abya Yala, in Lateinamerika, sind historisch belegt. In Kolumbien gründete Benko Biohos mit anderen entlaufenen Sklav*innen Palenque de San Basilio, Yangá führte im Hochland bei Veracruz in Mexiko eine Kolonie ehemals versklavter Menschen an, Zumbí und Dandara kamen aus dem Quilombo de Palmares und leisteten antikolonialen Widerstand in Brasilien. Auch in Ecuador, Peru, Venezuela, Surinam und Kuba findet man Spuren von Aufständen und Gegenwehr. In Jamaika in der Karibik kam es bereits um 1700 zu Aufständen von Menschen, die ihrer Versklavung entkommen waren und in den Blue Mountains kämpferische autonome Siedlungen begründeten. In Haiti wurde zwischen 1793 und 1804 die Unabhängigkeit erkämpft. Es war die erste erfolgreiche Schwarze Revolution, und Haiti wurde zur ersten Schwarzen Republik weltweit. All diese Beispiele historischer Triumphe geben den Schwarzen Völkern noch heute Hoffnung und Selbstvertrauen.
Nicht Unterdrückung ist der wichtigste Motor, sondern die Hoffnung
Abuy Nfubea, spanischer Journalist aus Äquatorialguinea und Generalsekretär der Vierten Panafrikanischen Internationale, sagt über die Kämpfe Schwarzer Menschen: „Das Motiv für den Kampf ist nicht die Unterdrückung, sondern die Hoffnung. Wenn man den Menschen ein Minimum an Hoffnung gibt, werden sie kämpfen. Die Theorie des Klassenkampfs besagt, dass sich die Menschen gegen Unterdrückung erheben, und wenn die Unterdrückung groß genug sei, träten die Menschen in Aktion. Und genau das ist nicht wahr. Wäre es wahr, hätten sich Afrika und das Schwarze Volk, hätten wir uns schon längst erhoben. Aber so funktioniert das nicht.“
In den jamaikanischen Blue Mountains, den blauen Bergen, wurde nicht nur der Rastafarianismus geboren, sondern auch einer der bedeutendsten Panafrikanismus-Kämpfer der Welt, Marcus Garvey. Marcus Mosiah Garvey kam am 17. August 1887 in Saint Ann’s Bay, Jamaika, als Sohn einer Hausangestellten und eines gelernten Maurers zur Welt. Sein Vater besaß eine große Büchersammlung. Garvey verfügte über ausreichendes autodidaktisches Talent, um sich das Druckerhandwerk und später auch den Beruf des Journalisten mehr oder weniger selbst beizubringen. Dank seiner beruflichen Fähigkeiten war er in der Lage, das Land zu verlassen und die miserablen Arbeitsbedingungen Schwarzer Menschen in den meisten Teilen des amerikanischen Kontinents kennenzulernen. 1914 gründete Marcus Garvey in Jamaika zusammen mit seiner ersten Frau Amy Ashwood die Universal Negro Improvement Association (UNIA). Die UNIA war eine universelle/panafrikanische Organisation, die für die Verbesserung der Lebensbedingungen Schwarzer Gemeinschaften in allen Bereichen, Wirtschaft, Identität und Kultur, kämpfte. Ihr Motto lautete: „One God, One Aim, One Destiny“ ‑ „Ein Gott, ein Ziel, ein Schicksal“. In nur fünf Jahren wurde die UNIA zur einflussreichsten Schwarzen Organisation der damaligen Zeit. Sie war eine der tragenden Säulen für die Verbreitung von Ideen der Schwarzen Selbstbestimmung, des Selbstwertgefühls und des Schwarzen Stolzes. Aus der UNIA entwickelten sich Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts verschiedene Bewegungen, darunter Black Power, die Black Panther Party, Bürgerrechtsbewegungen und sogar Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika sowie internationale schwarze Solidaritätsbewegungen wie die Free-Mandela-Bewegung in Lateinamerika.
Panafrikanist*innen heute
Iveth stammt ursprünglich aus Izabal im Nordosten Guatemalas. Sie versteht sich als Teil der panafrikanischen Bewegung und spricht über ihre Erfahrungen in der Familie: „Ich bin in einer Schwarzen Familie aufgewachsen. Es gab feste Gewohnheiten, die das Zusammenleben regelten, zum Beispiel, wie wir das Essen teilen. Es war eine sehr enge familiäre Bindung, in dem auch unser gemeinsamer afrikanischer Background eine wichtige Rolle spielte.“
Im Oktober 2006 in Madrid wurde die Panafrikanische Bewegung Vierte Internationale Garveyista Cimarrón Rastafari Womanist als politisches Instrument für die spanischsprachige Schwarze Bevölkerung gegründet. Ihrem Verständnis nach sind alle Schwarzen Menschen Afrikaner*innen, und für alle gilt: Black is Beautiful – eine Aufforderung, die eigene Identität als Schwarze und Afrikaner*innen glücklich und mit Stolz anzunehmen.
Panafrikanist*innen in der spanischsprachigen Welt repräsentieren heute Millionen von Menschen in ganz Afrika, Europa und Nord- und Südamerika und der Karibik. Dana ist Lehrerin und lebt in einem Dorf in der Provinz Rio Negro im argentinischen Patagonien. Warum sie sich der panafrikanischen Bewegung zurechnet? „Zum jetzigen Zeitpunkt ist das für mich die einzige politisch sinnvolle Position. Und ich bin froh, dass es diesen Ansatz gibt. Ich kenne mich ganz gut aus mit den politischen Bewegungen, die in diesem Land zur Auswahl stehen. Und die panafrikanische Bewegung ist soweit ich weiß die einzige, die wirklich die Machtfrage stellt. Die nicht mehr und nicht weniger fordert als die endgültige Befreiung des Schwarzen Volkes weltweit“.
Weitere Informationen über die Vierte Panafrikanische Internationale findest du hier.
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