(Mexiko-Stadt, 17. Januar 2022, cimacnoticias).- Diana Velázquez Florencio wurde am 2. Juni 2017 entführt, vergewaltigt und ermordet; ihren Leichnam fand man auf einem Brachgelände in Chimalhuacán im Bundesstaat Mexiko. Velásquez verließ morgens ihr Haus und kehrte nicht mehr zurück. Sie war zum Zeitpunkt ihrer Ermordung schwanger. Dass immerhin einer der beiden mutmaßlichen Täter vor Gericht gestellt und verurteilt wurde, verdankt sich vor allem den kontinuierlichen Anstrengungen ihrer Familie.
Die erste Hälfte der Gerechtigkeit
Am vergangenen 14. Januar verurteilte das Gericht von Neza-Bordo im Bundesstaat Mexiko den angeklagten Jesús Alejandro Montes Moreno zu 93 Jahren und drei Monaten Haft sowie zu einer Geldstrafe in unbekannter Höhe aufgrund des entstandenen materiellen und immateriellen Schadens. Laut der Urteilsbegründung sieht das Gericht es als erwiesen an, dass Montes Moreno am 2. Juli 2017 die damals 24-Jährige Diana Velázquez Florencio in Chimalhuacán (Bundesstaat Mexiko) ermordet hat. Zur Höhe der Geldstrafe schwieg Lidia Florencia, die Mutter des Opfers, und erklärte, es sei nur „zur Hälfte“ Gerechtigkeit erreicht, solange der Komplize des Täters nicht gefasst sei. Am 22. Dezember 2021 hatte der Richter Martín Alvarado Arriaga den Mord an Diana Velázquez zum Feminizid erklärt. Es gebe unwiderlegbare Beweise, die Jesús Alejandro Montes Moreno als Täter belasteten. Daraufhin hatte Dianas Mutter die Höchststrafe für den Mörder ihrer Tochter gefordert. Diese beträgt gemäß dem Strafgesetzbuch des Bundesstaats Mexiko 70 Jahre bzw. lebenslange Haft. Obwohl bei der Sitzung am 14. Januar die Strafzumessung auf die Höchststrafe festgelegt wurde, erklärte Lidia Florencio: „Trotz der langen Haftstrafe, zu der Alejandro verurteilt wurde, ist das kein Anlass zur Freude, zur Erleichterung, zur Beruhigung. Das, was wir gefordert hatten, haben wir erreicht, aber wir wollen auch wissen, was die Staatsanwaltschaft unternimmt, um den zweiten Täter zu fassen. Uns fehlt der Nachweis einer glaubhaften Ermittlung.“ Lidia zufolge haben ihr die Behörden versichert, alles zu unternehmen, um den zweiten Täter ausfindig zu machen. Als Beweis dafür hätten sie jedoch nur eine Fotografie vorgelegt, auf der ein Polizist zu sehen ist, der neben einigen Motorradtaxis steht. „Das machen sie immer so. Sie sagen uns, dass sie ihre Arbeit machen, aber wir bekommen keinerlei Einblick, um uns davon überzeugen zu können, ob das wirklich stimmt“, sagte Lidia in einem Interview mit Cimacnoticias. Sollte der zweite Täter nicht gefunden werden, sei „der Gerechtigkeit nur zur Hälfte Genüge getan“, erklärte Lidia. „Ein Mörder ist verurteilt, aber was ist mit dem zweiten Verbrecher, der an der Tat beteiligt war? Wo ist er? Wer ist er? Noch fehlt mir zu viel, um von Gerechtigkeit sprechen zu können. Und ich sage dir: Selbst dann wäre das nicht wirklich möglich, denn wenn wir nicht mit allem darum gekämpft hätten, hätten wir nicht einmal dieses Urteil.“
Verfahrensfehler und Verschleppung der Ermittlungen
Fünf Tage nach ihrem Verschwinden fand die Familie Dianas Leiche in einer Dienststelle der Forensischen Pathologie in Nezahualcóyotl, einer angrenzenden Gemeinde, in der sie zuvor schon nach ihr gesucht hatten. Dianas Körper, der Anzeichen sexualisierter Gewalt aufwies, wurde zwar am selben Tag ihres Verschwindens gefunden, jedoch hatte die örtliche Polizei den Fund einer männlichen Leiche registriert, weshalb die Behörden die Familie nicht umgehend informierte. Nachdem der Leichnam identifiziert worden war, dauerte es mehrere Monate, bis die Verantwortlichen ihrer Mutter Lidia die Ergebnisse einer DNA-Analyse zugänglich machten, die die an ihrer Tochter verübte sexualisierte Gewalt nachwiesen. Auch behinderten sie die nötigen bürokratischen Verfahren zur zeitnahen Exhumierung des Leichnams, um weitere Spuren zu sichern. Außerdem ging die Kleidung verloren, die Diana am Tag ihrer Ermordung getragen hatte. Aufgrund dieser Versäumnisse musste Dianas Mutter jahrelang darum kämpfen, dass der Fall von der Sonderkommission Feminizide aufgenommen wird.
Erst Proteste und eigene Nachforschungen bringen die Ermittlungen ins Rollen
Drei Jahre lang fand sich keinerlei Ermittlungsansatz in der Akte zum Mordfall Diana Velázquez. Lidia und ihre Familie stellten stattdessen selbst Nachforschungen an und machten den Fall durch Demonstrationen, Zusammenkünfte und Kundgebungen über die Medien bekannt. So konnten sie die Regierungsverantwortlichen 2019 schließlich dazu bringen, für Hinweise, die zur Überführung von Dianas Mörder führten, eine Belohnung von 300.000 Pesos (etwa 13.000 Euro) auszusetzen. Da ihr Fall durch die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Mexiko in keinster Weise vorangetrieben wurde, organisierte Lidia Florencia inmitten der COVID-19-Pandemie gemeinsam mit anderen Angehörigen von Feminizid-Opfern eine Kundgebung vor dem Palacio Nacional, bei der sie den mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador dazu aufforderten, sie zu empfangen. Nachdem sie ab dem 6. Juli an 22 aufeinanderfolgenden Tagen protestiert hatte, durfte Lidia vorsprechen, jedoch nicht beim Präsidenten – der seit seiner Amtsübernahme vor drei Jahren noch nie eine Familie empfangen hat, die Opfer eines Feminizids geworden ist –, sondern bei der ehemaligen Innenministerin Olga Sánchez Cordero. Nach dem Treffen nahm die Geschichte eine Wendung. Die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats Mexiko kontaktierte Lidia und versicherte ihr, dass Ermittlungen zum Mord an ihrer Tochter laufen würden.
Infos über die Verhaftung gingen erst an die Presse und dann erst an die Familie
Nach einigen nicht öffentlichen Treffen, bei denen Lidia nur bedingt Auskunft über den Fall erhielt, erklärte die Staatsanwaltschaft am 7. August 2020 der Presse, der mutmaßliche Mörder von Diana Velázquez sei festgenommen worden. Die Verhaftung von Jesús Alejandro N, so die Staatsanwaltschaft, sei das Ergebnis von Schreibtischrecherche, Ermittlungen vor Ort sowie von der Kriminalpolizei aufgenommener Zeugenaussagen. Zunächst zweifelte Lidia an dieser Information, da bis zum 30. April 2020, als sie das letzte Mal bei der Staatsanwaltschaft von Chimalhuacán die Akte eingesehen hatte, noch kein Ermittlungsansatz darin verzeichnet war. Außerdem wurden die Medien von der Verhaftung informiert, bevor die Staatsanwaltschaft mit ihr gesprochen hatte. Zu einem späteren Treffen mit Regierungsvertretern, bei dem Details zur vorgenommenen Festnahme bekanntgegeben werden sollten, erschienen weder Vertreter der Staatsanwaltschaft der Republik noch des Bundesstaats Mexiko. Aus diesem Grunde, sagte man Lidia, könne man ihr keine Einzelheiten mitteilen, ihr weder den Namen nennen noch erklären, auf Grundlage welcher Erkenntnisse man ihn mit dem Mord an ihrer Tochter in Verbindung gebracht habe. Lidia erklärte in einem Interview mit Cimacnoticias, die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Mexiko gehe davon aus, dass Diana von zwei Männern überfallen worden sei, die sie mit einem Motorradtaxi zu einem verlassenen Gelände in der Nähe der Plaza Chimalhuacán gebracht, vergewaltigt und ermordet hätten. Einer der mutmaßlichen Täter sei besagter Jesús Alejandro N., der Fahrer des Motorradtaxis. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sei die Festnahme dank zweier Indizien gelungen: der Rückverfolgung der Telefondaten von Dianas Handy und der belastenden Zeugenaussage von Jesús Alejandros Lebensgefährtin. Die Täter hatten Diana das Handy entwendet; anschließend befand es sich im Besitz der Lebensgefährtin. Diese wiederum erklärte, Jesús Alejandro habe ihr den Mord an Diana gestanden, und erstattete selbst Anzeige wegen häuslicher Gewalt.
Der andere mutmaßliche Täter, der verdächtigt wird, am Mord an Diana beteiligt zu sein, ist weiterhin flüchtig. Sein mutmaßlicher Komplize gibt bislang keine Informationen preis, die seine Identifizierung ermöglichen würden. Aufgrund dieses Anfangsverdachts war es der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats Mexiko möglich, Jesús Alejandro N. zu verhaften und einem Gerichtsverfahren zu unterziehen, bei dem dieser am 14. Januar 2022 schuldig gesprochen und zur Höchststrafe verurteilt wurde. Allerdings ist im Verfahren bald eine weitere Sitzung angesetzt, bei der das Urteil bestätigt werden soll.
Übersetzung: Katherina Seemann
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